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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Nach Mannheim tigern?

Sehr geehrter Herr Professor Ickler,

was meinen Sie damit, daß man sich nach Mannheim begeben sollte oder sich in einer anderen Form um diese verschwörerische Sitzung kümmern könnte? Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß man als interessierter, aber nicht geladener Bürger da so einfach hineinmarschieren und Platz nehmen kann, zumal die Kommission der Reformer bisher stets unter höchstmöglicher Geheimhaltung operiert hat. Und wenn man draußen bleiben muß – soll man dann den einen oder anderen Teilnehmer beim Kaffe interviewen, oder wie? Darf eine solche Sitzung als geschlossene Gesellschaft anberaumt werden usw.?

Herrn Schmickler herzlichen Dank für seine scharfsinnigen Beobachtungen zu den logischen Fundamenten der alten und neuen Regeln. Das ist aber auch wirklich verführerisch, aus einer Definition die Regel/Schreibung abzuleiten. Professor Ickler macht das, wenn man die Form betrachtet, teilweise ebenso: „Zusammensetzungen sind Wörter. Man schreibt sie deshalb zusammen.“ (Anders bei Verbzusätzen.) Das ist trotz grammatischer Korrektheit deshalb nicht wirklich befriedigend, weil der Normalbürger einem zweifelhaften Kompositum nicht entnehmen kann, ob es sich grammatisch um zwei zusammengeschriebene Wörter („Wortgruppe“) oder sowieso nur um ein Wort handelt.

Ich habe dieses Problem einmal mit einer Parallelisierung zu folgender Aussage zu karikieren versucht: „Ehepaare sind Gemeinschaften. Sie leben daher zusammen. Nicht verheiratete Paare sind keine Gemeinschaften. Sie können daher zusammen oder getrennt leben.“ Der Optik des Normalbürgers wird diese Anleitung zum Herausfinden eines möglichen Zusammengehörens bzw. Zusammenlebens nicht gerecht. Man wird eher dazu neigen, aus dem Zusammensein oder Nichtzusammensein eine Definition der Gemeinschaft abzuleiten als umgekehrt ...



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Zwei Fragen an Herrn Riebe (plus Zusatzfrage)

Anstatt zum x-ten Mal an Professor Ickler herumzukritisieren, daß er die Gesichtspunkte der größtmöglichen Eindeutigkeit für den Lexikonbenutzer bzw. Lehrer sowie der Variantenauswahl im Sinne der Qualität vernachlässige, wäre es sinnvoll, wenn Sie, Herr Riebe, wenigstens an ganz wenigen Beispielen verdeutlichen würden, was Sie sich unter einem eindeutigeren Lexikon vorstellen.

Bisher war Ihr konkretester Hinweis dazu, es sollte durchgängig die Betonung als hervorstechendes Merkmal der Differenzierung herangezogen werden. Also: zusammenschreiben (vs. zusammen schreiben), sich sattessen. Als Sie selbst für das erstere in einem Ihrer Beiträge die Getrenntschreibung wählten (zusammen schreiben = ohne Lücke schreiben), erklärten Sie das damit, daß Sie das „zusammen“ hier besonders betonen wollten. Auf die Absurdität hingewiesen (betont -> zusammen, besonders betont -> getrennt), gingen Sie nicht weiter darauf ein.

Ähnlich bei sich satt_essen, wo Sie sich wiederholt darüber beschwerten, daß im Gegensatz zu den bisherigen Lexika ein Bogen eingeführt werden sollte („Das leuchtet mir überhaupt nicht ein“; eindeutige Zusammenschreibung ist „überhaupt kein Problem“; falls beide Varianten in der Zeitung zu finden seien, wäre das ein Beweis für die schriftstellerische Verwahrlosung der Journalisten). Zuerst forderten Sie die Zusammenschreibung aufgrund der Betonung (wobei Ihnen andere mit dem zusätzlichen Argument „Ergebniszusatz -> Zusammenschreibung“ zu Hilfe kamen), anschließend jedoch aufgrund der Lexikoneinträge die Getrenntschreibung. Auch hier erklärten Sie trotz Aufforderung nicht, wie Sie sich nun entscheiden wollen, kritisieren aber nach wie vor penetrant an der „Beliebigkeitsschreibung“ herum, die für Sie den Verfall der schriftsprachlichen Sitten verkörpert, und mäkeln ebenso an Professor Icklers Wörterbuch herum (obwohl wir inzwischen Ihre allgemeinen Wunschvorstellungen kennen).

Also beantworten Sie doch einfach einmal diese beiden Fragen:
1. Wie würden Sie den Eintrag zu zusammen_schreiben gestalten?
2. Wie würden Sie den Eintrag zu sich satt_essen gestalten?

Ich weise Sie auch darauf hin, daß Sie es selbst teilweise bewußt ablehnen, der überwiegenden (statistischen!) Norm zu folgen, und zwar bei der Schreibung „auf Grund“. Ich hatte Sie einmal darauf aufmerksam gemacht, daß „aufgrund“ außer in juristischen und ähnlichen Texten Standard ist, und Sie sagten, „auf Grund“ gefalle Ihnen besser; Sie wollten dabei bleiben. Deshalb Zusatzfrage: Soll Professor Ickler Ihrer Meinung nach „auf Grund“ aus dem Verzeichnis tilgen, damit an dieser Stelle mehr Eindeutigkeit im Wörterbuch herrscht? Soll er einen Kommentar zu den Varianten schreiben? Oder soll er „auf Grund“ einfach als Variante stehenlassen, weil Ihnen persönlich diese Schreibweise gefällt, auch wenn Sie strenggenommen keine Gesetzestexte verfassen?



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Korrektur

Bei „sich satt_essen“ muß es statt „Zusammenschreibung“ heißen, daß für Herrn Riebe die eindeutig vorgeschriebene Getrenntschreibung „überhaupt kein Problem“ ist; das war jedenfalls seine Stellungnahme anläßlich des Nachschlagens in diversen Lexika.



Wolfgang Wrase
München

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Helmut Eberwein
03.02.2001 23.00
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Was ist das Ziel?

Liebe Rechtschreibfreunde,

alle, die sich hier an den Diskussionen beteiligen, sollten sich vor
Augen halten, was das eigentliche Ziel dieser Internet-Seite ist:

Der Kampf für eine vernünftige Rechtschreibung (so kann niemand behaupten, wir
wären ständig gegen etwas:-)).

Die Kunst ist es, gemeinsam für etwas zu streiten, obwohl man in vielerlei
Dingen komplett andere Ansichten hat. In dem Punkt der RS sind wir uns alle einig, und
sollten daher unsere Energie darauf verwenden im Sinne unserer Sprache
tätig zu werden und die Zeit nicht mit persönlichen Scharmützeln vergeuden.

Unsere Eitelkeiten können wir auch alle woanders pflegen, wir sollten lieber
dafür sorgen, daß sich Herr Zabel/Augst hier im Gästebuch melden, dann
könnte es wirklich interessant werden.

Es wäre erfreulich, wenn die Sprachfreunde, die hier versammelt sind, mir helfen würden
die Medien zu „bearbeiten“ anstatt sich ständig zu necken!

Bitte das Ziel im Auge behalten.

Danke



Helmut Eberwein

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Manfred Riebe
03.02.2001 23.00
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Methoden der Argumentation und Beweisführung

Sehr geehrter Herr Wrase!

Ich bin Nichtgermanist und kein Sprachpapst. Ihre Kritik am Ickler-Wörterbuch ist mir bekannt. Sie brauchen meine Hilfe sicherlich nicht; denn Herr Ickler hat Sie sinngemäß als seinen besten Kritiker bezeichnet.

In der Satzung des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ heißt es:

„Ziel des Vereins ist die Bewahrung des hohen Entwicklungsstandes der deutschen Sprache, wie er sich in der Rechtschreibung des Duden bis zu seiner 20. Auflage 1991 durch behutsame und sachgerechte Anpassung der Schrift an die sich lebendig entwickelnde Sprache widerspiegelt. Der Verein wirkt darauf hin, daß die deutsche Sprache in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere ihre Rechtschreibung vor willkürlichen Eingriffen geschützt wird und daß Ergebnisse von natürlichen Entwicklungen der Orthographie, die sich in der Sprachgemeinschaft vollzogen haben, wie bisher in eine verbindliche Wörterliste aufgenommen werden und so die Voraussetzungen für die notwendige orthographische Einheitlichkeit erhalten bleiben.“

Ich habe in diesem Sinne meine prinzipielle Kritik bereits umfassend geäußert und möchte mich nicht wiederholen. Ich schrieb am 30.01. ins Gästebuch, der Duden bis zu seiner 20. Auflage von 1991 erfülle meine persönlichen Anforderungen weitestgehend. Deshalb brauche ich auch nicht ein eigenes Wörterbuch zu verfassen. Außerdem schrieb ich, ich wolle mich zum Thema Getrennt- und Zusammenschreibung künftig zurückhalten. (vgl. „Die Bedürfnisse des Lesers sind der Maßstab“, 30.01.2001). In den Fällen, in denen ich nicht mit dem Duden einverstanden bin, wie bei „ernstnehmen“, fördere ich durch meine abweichende Schreibweise ein klein wenig den Univerbierungsprozeß.

Günter Schmickler hat hier in seinem Beitrag „Die Armut und die Powerteh“ die zweifelhafte „Methode“ der Begründung durch Zirkelschluß aufgezeigt. Deshalb will ich noch an folgendes erinnern: Etliche Reformkritiker forderten von den Reformern, sie sollten doch erst einmal beweisen, daß die bewährte traditionelle Duden-Rechtschreibung mangelhaft und ihre besser sei. Das gilt umgekehrt logischerweise auch für das Ickler-Wörterbuch. Doch dieser Beweis wurde hinsichtlich der Getrennt- und Zusammenschreibung bisher nur in einigen Fällen angetreten, aber in vielen anderen Fällen nicht. Außerdem sollten in Zweifelsfällen Argumente gegen die traditionelle Schreibweise des Duden fairerweise der Duden-Redaktion vorgelegt werden, damit diese die Möglichkeit hat, ihre traditionelle Schreibweise fachmännisch zu verteidigen. Dazu gehört natürlich, daß man auch die oft seltsamen Methoden der Argumentation und Beweisführung kritisch hinterfragt.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Theodor Ickler
03.02.2001 23.00
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GKS

Nach der ausgiebigen Diskussion der Getrennt- und Zusammenschreibung sollten wir vielleicht einmal daran denken, daß die Neuregelung noch andere fragwürdige Punkte enthält, zum Beispiel die Groß- und Kleinschreibung, deren Veränderung ja wohl noch mehr auffällt. Tatsächlich waren die Reformer angetreten, um die Kleinschreibung einzuführen, das war fast der einzige Programmpunkt sowohl bei Nerius im Osten wie bei den Emanzipatoren in westlichen GEW-Kreisen (Frankfurter Kongreß 1973). Mich würde nun interessieren, was die Diskutanten dieses ertragreichen Gästebuchs (das sich nun mal zum eigentlichen Forum entwickelt hat) über meine Vorschläge zur Neudarstellung der GKS zu sagen haben.

Ich erinnere noch einmal an die beiden Hauptpunkte (die Großschreibung am Satzanfang können wir weglassen). Wenn man in der alten und auch von der Neuregelung nicht angetasteten Weise von „Substantivgroßschreibung“ spricht, muß man erklären, warum viele Substantive (besonders sog. Substantivierungen) klein geschrieben werden: „im allgemeinen“, „aufs schönste“, „im dunkeln tappen“ usw.; andererseits aber viele Nichtsubstantive groß: „der Schwarze Peter“ usw.
Ich habe nun vor allem in der „Kurzen Anleitung“ in meinem Rechtschreibwörterbuch folgendes vorgeschlagen: Nicht eigentlich „Substantive“ ziehen die Großschreibung auf sich, sondern „das, wovon in einem Text die Rede ist“. Das ist ganz bewußt eine ziemlich vage Formulierung. Zugrunde liegt die bekannte Beobachtung, daß man aus einem Text alles klein Geschriebene wegstreichen und doch immer noch erkennen kann, wovon der Text handelt; umgekehrt geht das nicht. Nun muß man allerdings aufpassen, daß man diesen vagen Begriff des „Textgegenstandes“ nicht verwechselt mit „dem Wichtigen“. Der Textgegenstand, das thematische Material steht in Substantiven bzw. Substantivgruppen (die wenigstens ein groß geschriebenes Wort enthalten). Das erleichtert die Orientierung und führt zu einer Erhöhung der Lesegeschwindigkeit, die auf zwei bis fünf Prozent geschätzt wird. Jedenfalls gilt es als Vorzug der deutschen Orthographie, den auch die Reformer grundsätzlich anerkennen, allerdings nicht hoch genug schätzen, um dafür ihr Ziel der einheitlichen Kleinschreibung aufzugeben. Eigennamen brauchen übrigens nicht gesondert berücksichtigt zu werden, weil sie immer etwas bezeichnen, wovon im Text die Rede ist. Nützlich ist das vage Kriterium, wenn man sich fragt, ob „im allgemeinen“, „des öfteren“ usw. groß geschrieben werden sollen. Manche Texte handeln wirklich vom Allgemeinen, dann wird es groß geschrieben, aber im allgemeinen ist davon keine Rede, sondern man meint es gewissermaßen adverbial (engl. „generally“) und schreibt es klein. Was sollte wohl das „Öftere“ sein? Das gibt es doch gar nicht, folglich schreibt man klein usw. Der Fanatiker Gallnmann wollte die ihm unangenehmen Ausnahmen „bei weitem“ usw. auch noch beseitigen, zwölf Stück insgesamt. Das ganze führt tief ins neunzehnte Jahrhundert zurück, als man diese Großschreibungen aber auch schon „übertrieben“ fand und an ihre Beiseitigung ging. Hier zeigt sich der reaktionäre Charakter der Neuregelung besonders deutlich. Mein Vorschlag versucht die Intuition der Schreibenden in neuer Weise zu erfassen.

Der zweite Punkt sind die „festen Begriffe“, „Nominationsstereotype“: „Schwarzer Peter“, „Rote Taubnessel“. Nerius und die Seinen haben sich bemüht, mit der Eigennamengroßschreibung weiterzukommen, mußten dann aber feststellen, daß hier meist keine Eigennamen vorliegen. Die Schreibwirklichkeit kennt noch weit mehr Großschreibungen, als der alte Duden und die Neuregelung anerkennen wollten. Ich habe vorgeschlagen, für praktische Zwecke die Unterscheidung von „Sein“ und „Heißen“ heranzuziehen, was eine bessere Grundlage als der fragwürdige Eigennamenbegriff ist. Als Zehetmair den „Heiligen Vater“ rettete, ging es um folgendes: „der heilige Vater“ wäre ein Vater, der heilig ist, aber der „Heilige Vater“ ist eine Person, die den Titel „Heiliger Vater“ trägt, also (nur) so heißt. Die Rote Taubnessel muß nicht rot sein, der Schnelle Brüter nicht schnell usw. und das Schwarze Brett ist bekanntlich in den seltensten Fälle schwarz, sondern heißt nur so.
Mit diesem Kriterium kann man eine größere Menge von Fällen abdecken als mit den gewundenen Erklärungen des alten Duden oder gar der Neuregelung.

Was halten Sie davon?



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Matthias Dräger
03.02.2001 23.00
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Duden 20. Auflage, 21. und 22. Auflage, und das Rechtschreibwörterbuch von Ickler

Lieber Herr Riebe,

die Darstellung der Rechtschreibung in jüngster Zeit läßt sich wohl in drei Hauptrichtungen gliedern:

1) Duden bis zur 20. Auflage 1991: Man richtet sich nach dem allgemein üblichen Schreibgebrauch. Die Mängel sind überschaubar:
- Manche Einträge entsprechen nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch
- Mit manchen Einträgen versucht die Redaktion, sprachpflegerisch tätig zu werden, ohne daß hierfür durch tatsächliche Verwendung im täglichen Gebrauch ein Anhaltspunkt gegeben wäre (z. B. „Schofför“, so, bemäntelt als „frühere Eindeutschung für Chauffeur“, sogar noch in der 22. Auflage 1996!).
Dieser Duden erfreute sich allgemeiner Akzeptanz, wurde allerdings lange nicht in dem Umfang auch tatsächlich benutzt, wie man das auf den ersten Blick annehmen mag. So habe ich in der Schulzeit überhaupt keinen Duden gehabt, und kam selbst als Verleger lange Zeit ohne einen solchen aus. Selbst ein Fachmann wie Prof. Ickler hat bis vor drei Jahren keinen Duden gehabt. Schriftsteller von einigem Format dürften sich kaum an den Duden gehalten haben, die können ja meist schreiben. Aus erster Hand weiß ich dies von Dr. Heinz Ritter, der sich nie um den Duden geschert hat.
    Der Duden war vor allem praktisch für die zahlreichen Sekretärinnen, die hier bequem schwierigere Wörter wie Rhythmus und Sauerstoffflasche nachschlagen konnten.

2) Duden ab 21. Auflage: Die Duden-Redaktion versucht, aus neuen, zum Teil willkürlichen Schreibregeln, entsprechende Wörterbucheinträge abzuleiten. Es entsteht in tausenden von Einträgen eine „künstliche“ Rechtschreibung, mit künstlichen Trennungen, die, insbesondere bei der „neuen“ bzw. bereits schon früher gescheiterten ss-Regelung, nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch entsprechen. Diese Schreibweisen werden mit großem Aufwand zur „amtlichen“ Norm erhoben, alle Staatsdiener und natürlich auch die Schulen sollen sich daran halten.
    Die schwerwiegenden Mängel dieser Vorgehensweise sind durch die zahllosen Proteste und Einwände dagegen hinreichend dokumentiert, nicht zuletzt auch durch die Einschätzung hierzu von Drosdowski in seinem Brief an Ickler (mafiaähnliche Zustände im Arbeitskreis etc.).
    Die Mangelhaftigekeit dieser Vorgehensweise ist auch schon allein aus wirtschaftlichen Gründen erkennbar: Die millionenfach gekaufte 1. Auflage des Reformdudens (1996) ist, da sie nicht an den allgemein üblichen Schreibgebrauch angebunden war, durch neue Erwägungen am „Grünen Tisch“ bereits überholt, Makulatur, und wird in den Buchhandlungen schon zum halben Preis verramscht.

3) Die „allgemein übliche Rechtschreibung“ gemäß Ickler: Ickler folgt praktisch dem Ansatz des Dudens, allerdings mit größerer Sorgfalt, so daß die Einträge im Rechtschreibwörterbuch die tatsächlich gebräuchliche Rechtschreibung zuverlässiger dokumentieren als die Einträge im Duden bis zur 20. Auflage. Zudem verzichtet Ickler auf sprachpflegerische Neuvorschläge (Schofför).
    Das Rechtschreibwörterbuch von Ickler ist derzeit das einzige Wörterbuch der normalen Rechtschreibung, das man in jeder Buchhandlung (mit einem Tag Wartezeit) kaufen kann. Erste Ansätze einer breiteren Akzeptanz sind erkennbar durch die Aufnahme in den Katalogen von Zweitausendeins (übrigens zeitlich zusammenfallend mit der Rückkehr zur normalen Rechtschreibung in den folgenden Merkheften) und jüngst bei Manufactum („Es gibt sie noch, die guten Dinge“...).


Aus all dem ergibt sich: Eine Notwendigkeit für Sie, ein eigenes Wörterbuch zu erstellen, dürfte kaum gegeben sein.
    Ihr Vorschlag, Reformkritiker und Reformer sollten sich doch gegenseitig erst einmal die Güte ihrer und die Mangelhaftigkeit der jeweils anderen Rechtschreibung „beweisen“, geht leider an den tatsächlichen Gegebenheiten völlig vorbei (im übrigen ist dieser Beweis in hinreichender Form von Ickler erbracht worden, z. B. durch seinen Kommentar zur amtlichen Neuregelung, dann auch durch zahlreiche Zeitungsartikel und Beiträge auf dieser Seite). Selbst ein so einleuchtender Beweis, wie eine landesweite Abstimmung über die verschiednen Konzepte, wird von den die Reform betreibenden Kräften vom Tisch gewischt, als sei das nichts. Ich von meiner Seite verspüre nicht das Bedürfnis, mich mit solchen Despoten noch an einen Tisch zu setzen.
    In gleicher Weise wird auch die Duden-Redaktion nicht daran denken, zum heutigen Tage ihre traditionelle Rechtschreibung, d. h. ihren Duden aus dem Jahre 1991, fachmännisch zu verteidigen – warum sollte sie das?



Matthias Dräger
Auf dem Hähnchen 34, 56329 St. Goar

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Theodor Ickler
03.02.2001 23.00
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Nicht vergessen

In drei Tagen soll die konstituierende Sitzung des „Beirats für deutsche Rechtschreibung“ statfinden. Vielleicht ist es jemandem möglich, sich nach Mannheim zu begeben oder sich in anderer Weise darum zu kümmern? Aus der Einladung, die ich hier noch einmal wiedergebe, geht hervor:
1. Nur die deutsche Hälfte der Kommission berichtet dem Beirat, weil dieser nur von deutscher Seite getragen und beschickt wird.
2. Anstelle des Bundesinnenministeriums, das eigentlich zuständig wäre, tritt der neue Kulturstaatsminister in Aktion, wahrscheinlich vertreten durch Ministerialrätin Palmen-Schrübbers, die schon unter Kanther für das BMI tätig und maßgeblich an der Durchsetzung der Reform beteiligt war. Diese Kompetenzverschiebung (es geht um die Amts- und Behördensprache!) ist erklärungsbedürftig.


(Abschrift)

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim
Vorsitzender: Prof. Dr. Gerhard Augst


Prof. Dr. Gerhard Augst – Universität-Gesamthochschule Siegen
Fachbereich 3 – Germanistik – Postfach 101240 D-57085 Siegen

28.11.2000



Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Einvernehmen mit dem Generalsekretär der Kultusministerkonferenz und dem Staatsminister beim Bundeskanzler lade ich zu ersten, konstituierenden Sitzung des Beirats für deutsche Rechtschreibung

am 8. Februar 2001

in das Institut für Deutsche Sprache (IDS)

ein. Als Tagesordnung schlage ich vor:

1.Eröffnung der Sitzung durch den Einladenden

2.Begrüßung durch den Hausherrn, den Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Herrn Prof. Dr. Gerhard Stickel

3.Ansprachen des/der Beauftragten des Präsidenten der KMK und des/der Beauftragten des Staatsministers beim Bundeskanzler

4.Bericht der bundesrepublikanischen Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung zum Stand der Arbeit und zum inhaltlichen und zeitlichen Arbeitsplan bis zum Ende der Übergangszeit 1.8.2005

5.Beratung über Aufgabe, Funktion und Arbeitsform des Beirats – weiteres Vorgehen

6.Verschiedenes



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Gast
03.02.2001 23.00
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Die Armut und die Powerteh



Die Armut und die Powerteh

Es ist schon recht lange her, daß ich Fritz Reuters Roman „Ut mine Stromtid“ gelesen habe, aber ein Satz daraus hat sich mir unauslöschlich eingeprägt: „Die große Armut in der Stadt
kommt von der großen Powerteh her“ – mit diesen Worten beschließt Onkel Bräsig, eine der
Hauptfiguren des Romans, seine Rede.
Als ich in meiner Jugend das Buch las, hielt ich Onkel Bräsigs Logik für einzigartig, wurde aber irgendwann eines besseren belehrt: Seine Methode der kausalen Verknüpfung hat sogar
einen lateinischen Namen – „circulus vitiosus (Zirkelschluß)“ – und wird, man glaube es oder nicht, auch von Politikern, Journalisten und Fachgelehrten unserer Zeit keineswegs ver-
schmäht. Der Circulus vitiosus ist gar oft ein willkommenes und bequemes Mittel, sich über Erklärungsnöte hinwegzumogeln.
Auch bei der Formulierung und Auslegung von deutschen Rechtschreibregeln muß wohl
Onkel Bräsig hin und wieder seine Hand im Spiel gehabt haben. Sowohl im Duden als auch
in der neuen „Amtlichen Regelung“ erinnert die Verwendung der Begriffspaare Wortgruppe/
Getrenntschreibung und Zusammensetzung/Zusammenschreibung an die Armut und die Po-
werteh. So in der Richtlinie 39 der 21. Auflage des Duden: „Getrennt schreibt man alle eindeutigen Wortgruppen wie >schwanger werden<“.
Nun wäre ich zwar nie und nimmer in die Versuchung gekommen, „schwanger werden“ zusammenzuschreiben, gäbe es da nicht die neue Regel, nach der ein Adjektiv vom folgenden Verb nur dann getrennt geschrieben wird, wenn es steigerbar ist. Seit wann aber kann man den Zustand der Schwangerschaft steigern? Und warum soll man „irre werden“ neuerdings    zusammenschreiben?    Was hier als „eindeutig“ bezeichnet wird, erweist sich bei näherem Hinsehen als erklärungsbedürftig. Der Verfasser der „Richtlinie“ war sich offenkundig im klaren darüber, daß zwischen der empfohlenen Schreibweise und der neuen Regel ein Widerspruch besteht. Nun vertuscht er die fehlende Begründung mittels eines Circulus vitiosus, wohl in der Annahme, daß der Leser dies nicht bemerkt. Eine ehrliche Aussage hätte etwa so lauten müssen: „Man schreibe getrennt, wenn zwischen zwei Wörtern eine Lücke erforderlich ist. Dieses Erfordernis ist auch dann gegeben, wenn der Wortlaut von § 34 E(3)    der >Amtlichen Regelung< zu inakzeptablen Ergebnissen führen würde.“
Ein weiteres Beispiel: Wer sich dafür interessiert, warum bisherige Zusammensetzungen mit
„sein“ ( ansein, aussein, dasein, innesein) neuerdings getrennt geschrieben werden sollen,
findet in § 35 der „Amtlichen Regelung“ folgende Begründung: „Verbindungen mit >sein<
gelten nicht als Zusammensetzung. Dementsprechend schreibt man stets getrennt.“    Wem dieses Argument nicht einleuchten will, dem ist wohl kaum noch zu helfen!
Durch Zufall entdeckte ich vor einigen Tagen, daß auch dem „vorreformatorischen“    Duden
die bräsigsche Kausalität nicht fremd war. Ich schlug im Band 9    (Die Zweifelsfälle der deut-
schen Sprache, Aufl. 1972) das Stichwort „auseinander“ auf. Dort findet man einen Artikel,
der jedem wärmstens zu empfehlen ist, der sich mit der kniffeligen Problematik der Getrennt-
und Zusammenschreibung befaßt. Ich zitiere hier nur einen Satz: „Zusammen schreibt man,
wenn >auseinander< Verbzusatz ist.“
Wer mit dem Begriff „Verbzusatz“ nichts oder wenig anzufangen weiß, findet im „Duden für Zweifelsfälle“ folgende Erklärung: „Unter einem Verbzusatz versteht man den nichtverbalen Teil einer unfesten Zusammensetzung mit einem Verb als Grundwort.“ Womit auch für den, der es bisher noch nicht kapiert hatte, klargestellt ist: „Die Zusammenschreibung kommt von der Zusammensetzung her.“
Onkel Bräsig läßt grüßen!



Günter Schmickler
Südstraße 11, 53842 Troisdorf

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Manfred Riebe
03.02.2001 23.00
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Ein “ernstes Wörtchen³?

Lieber Herr Ickler!

Ich habe Lutz Götze nirgendwo als „Autorität“ bezeichnet. Wenn ich ihn zitierte, dann doch nur, weil es sich um einen Reformbefürworter handelt, der als Bearbeiter des Bertelsmann-Wörterbuches für das Rechtschreibchaos mitverantwortlich ist und nun die „Verwilderung sprachlicher Sitten und Normen“ beklagt.
Ich zitierte Ihre Schriften nur als interessante Beispiele für jene Gäste, die Ihre Bücher noch nicht kennen. Um zu beweisen, daß es eine sprachwissenschaftliche Sprachpflege gibt, müßte ich ein umfangreiches Literaturverzeichnis zusammenstellen.

Warum sollte ich mit Ihnen darüber streiten, ob Eduard Engel „Halbjude“ oder „Vierteljude“ war? Es ging mir nur nebenbei (als Fußnote am Schluß: „Übrigens“) um historische Genauigkeit und eine genaue Quellenangabe. Es kommt hin und wieder vor, daß sich Leute für meine Quellenangaben bedanken. Da Sie zufällig eine Dissertation über Eduard Engel rezensierten, wäre dies eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit, inwieweit historisch korrekt gearbeitet wurde. Natürlich ist die Begriffsbildung absurd, doch ist sie leider auch historisch. Diese Angaben entschieden damals über Schicksale von Menschen. So berichtete unser Bundeskanzler Helmut Schmidt, habe sein Vater seine Ahnentafel gefälscht. Helmut Schmidt konnte so NS-Führungsoffizier werden.
Offenbar verhalte ich mich politisch nicht korrekt, wenn ich Nazivokabular verwende und nicht immer in Anführungszeichen setze. Eine solche politische Korrektheit schränkt m.E. die Meinungsfreiheit, ja sogar die Gedankenfreiheit ein. Ich hoffe nicht, daß dies zur Normalität wird.

Aber all das lenkt von Ihrer Aussage ab, die für mich wirklich interessant war: „Ich dagegen meine mit „Norm“ das Normale, den Durchschnitt.“ Ihre Antwort, daß ganz schlechter und sehr guter Ausdruck natur- und gaußgemäß immer selten sein wird und daß dies zur Klärung des Normbegriffs beitrage, gehört zum Allgemeinwissen und erklärt m.E. nicht Ihre liberale Auffassung von Sprachnormen. Normung erfolgt ja in der Regel, um hochwertige Produkte und nicht nur durchschnittliche herzustellen, die nicht konkurrenzfähig sind.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Thomas Paulwitz
03.02.2001 23.00
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“Das Lebendige Wörterbuch³

Lieber Herr Lachenmann!

Es ist schon erstaunlich, daß Sie eine harmlose Feststellung aus dem Alltag eines Historikers veranlaßt, (wieder einmal) Gehässigkeiten zu verspritzen und zu politisieren. Da setzen Sie Mentalität (Sie nennen es „Geisteshaltung“) in unverantwortlicher Weise einfach mit politischer Gesinnung gleich und provozieren politische Diskussionen. Das kann nicht der Weg sein. Daß ich bei Ihnen „völkisches Selbstbewußtsein“, das gar meine „Hauptsorge“ sei, vermißt habe, ist im übrigen eine lächerliche Lüge. Vielleicht glauben Sie sogar daran. Dann lügen Sie nicht, sondern haben es sich eingeredet. Auf jeden Fall sind die Folgen für mich ärgerlich, Sie können sich freuen. Gratuliere.

Es ist jedoch unbedingt notwendig, daß die Rechtschreibdebatte nicht zu politischen Zwecken instrumentalisiert wird, wie das immer wieder versucht wird. Lieber Herr Lachenmann, bitte versuchen Sie zumindest, dieser unbedingten Notwendigkeit Rechnung zu tragen. Ich versuche es auch. Ich vertraue auf Ihre Lernfähigkeit, da auch ich Sie für einen „herzensguten, romantischen und nicht völlig unsensiblen“ Mann halte.

Wesentlich interessanter als Ihr ewiger Kreuzzug gegen die Deutsche Sprachwelt ist die Entdeckung des Martin Gerdes, der das Riegelmann-Buch unter die Lupe genommen hat.

Die Gesetzmäßigkeiten einer steigenden Tendenz zur Zusammenschreibung aufzudecken, erscheint mir ein lohnendes Ziel. Sollte es tatsächlich solche Gesetzmäßigkeiten geben, wären sie die Grundlage einer „echten“ Schreibreform, einer Reform, die dem sich wandelnden Schreibgebrauch folgt, d.h. den Bedürfnissen und der Mentalität der Lesenden und Schreibenden, nicht der Gesinnung weltfremder Bürokraten. Damit meine ich jedoch nicht die nachträgliche Sanktionierung (das Erlauben) von z.B. Stil- oder Grammatikfehlern!

Eine „echte“ Reform sollte meiner Ansicht nach auch nicht alles auf einmal anpassen, sondern laufend in einem einzigen „Lebendigen Wörterbuch“ seinen Ausdruck finden. Professor Icklers Wörterbuch ist für mich „Das Lebendige Wörterbuch“ der Zukunft. Es wird Zeit, daß es zum allgemeinen Gebrauch ins Netz gestellt wird. Der herausgebende Verlag bräuchte sich keine Sorgen über finanzielle Einbußen zu machen. Erfahrungsgemäß wirken Netzpräsentationen eher verkaufsfördernd.

Schöne, „nicht völlig unsensible“ Grüße



Thomas Paulwitz

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Walter Lachenmann
03.02.2001 23.00
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Historiker, deren Quellen- und Gedächtnislage

Lieber Herr Paulwitz,

für einen jungen Historiker haben Sie aber ein kurzes Gedächtnis! Ihnen stehen aber – im Gegensatz zu mir – authentische Quellen zum Recherchieren unserer seinerzeitigen Diskussion zur Verfügung, denn Sie könnten ja in unserem damals havarierten Diskussionsstrang, der vermutlich irgendwo bei Ihnen im Datenfriedhof begraben liegt, nachlesen, was ich geschrieben hatte, und in welcher Weise Sie damals meine Lernfähigkeit herausgefordert haben. Wobei der Begriff der »Geisteshaltung«, das kann schon sein, wohl tatsächlich nicht aus Ihrer Tastatur stammte, sondern von einem anderen gestrengen Diskutanten, der mich im selben Zusammenhang darüber belehren wollte, daß mein Verhältnis zur deutschen Sprache wohl gestört und deshalb etwas mit meinem Selbstbewußtsein nicht in Ordnung sein müsse. Wenn ich Ihnen diesen Begriff irrtümlicherweise zuschreibe, dann mag das streng historisch gesehen nach der Quellenlage nicht standhalten, aber es liegt daran, daß die nächste Diagnose hinsichtlich meiner Persönlichkeitsstörung in unvergeßlich drastischer Form von Ihnen kam und inhaltlich auf dasselbe hinauslief. Das hat mich damals wirklich sehr, sehr betroffen gemacht. Ich hielt mich nämlich immer für einen ganz passablen Deutschen, auch wenn ich mit Anglizismen weniger Probleme habe als die Fans der Deutschen Sprachwelt.

Wir brauchen das aber nicht wieder aufzugreifen, es gehört wirklich nur am Rande in diese Diskussion, am Rande allerdings schon: Doch, doch – es ist sehr interessant, daß es immer wieder Leute gab und gibt, die Sprachliches und Ideologisches miteinander verquicken, und da ist ja auch in mancher Hinsicht etwas dran. Und die sollen das ruhig tun, dann sieht man nämlich, wie die das machen, und man weiß, worum es bei ihnen geht.

Aber lassen wir die Gewissenserforschung, denn Sie haben ja recht: Wir lernen alle immerzu weiter, denken Sie an Joschka Fischer. Das ist auch wirklich schön so, immerzu spannend und wir haben ein ganzes Leben lang Zeit für alle möglichen unterschiedlichen Erkenntnisse. Auch auf Irrwegen kann man viel lernen, vielleicht mehr, als wenn man immer im selben Katechismus liest. Hier spricht der Alt-68er.   



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Nach Mannheim tigern?

Sehr geehrter Herr Professor Ickler,

was meinen Sie damit, daß man sich nach Mannheim begeben sollte oder sich in einer anderen Form um diese verschwörerische Sitzung kümmern könnte? Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß man als interessierter, aber nicht geladener Bürger da so einfach hineinmarschieren und Platz nehmen kann, zumal die Kommission der Reformer bisher stets unter höchstmöglicher Geheimhaltung operiert hat. Und wenn man draußen bleiben muß – soll man dann den einen oder anderen Teilnehmer beim Kaffe interviewen, oder wie? Darf eine solche Sitzung als geschlossene Gesellschaft anberaumt werden usw.?

Herrn Schmickler herzlichen Dank für seine scharfsinnigen Beobachtungen zu den logischen Fundamenten der alten und neuen Regeln. Das ist aber auch wirklich verführerisch, aus einer Definition die Regel/Schreibung abzuleiten. Professor Ickler macht das, wenn man die Form betrachtet, teilweise ebenso: „Zusammensetzungen sind Wörter. Man schreibt sie deshalb zusammen.“ (Anders bei Verbzusätzen.) Das ist trotz grammatischer Korrektheit deshalb nicht wirklich befriedigend, weil der Normalbürger einem zweifelhaften Kompositum nicht entnehmen kann, ob es sich grammatisch um zwei zusammengeschriebene Wörter („Wortgruppe“) oder sowieso nur um ein Wort handelt.

Ich habe dieses Problem einmal mit einer Parallelisierung zu folgender Aussage zu karikieren versucht: „Ehepaare sind Gemeinschaften. Sie leben daher zusammen. Nicht verheiratete Paare sind keine Gemeinschaften. Sie können daher zusammen oder getrennt leben.“ Der Optik des Normalbürgers wird diese Anleitung zum Herausfinden eines möglichen Zusammengehörens bzw. Zusammenlebens nicht gerecht. Man wird eher dazu neigen, aus dem Zusammensein oder Nichtzusammensein eine Definition der Gemeinschaft abzuleiten als umgekehrt ...



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Zwei Fragen an Herrn Riebe (plus Zusatzfrage)

Anstatt zum x-ten Mal an Professor Ickler herumzukritisieren, daß er die Gesichtspunkte der größtmöglichen Eindeutigkeit für den Lexikonbenutzer bzw. Lehrer sowie der Variantenauswahl im Sinne der Qualität vernachlässige, wäre es sinnvoll, wenn Sie, Herr Riebe, wenigstens an ganz wenigen Beispielen verdeutlichen würden, was Sie sich unter einem eindeutigeren Lexikon vorstellen.

Bisher war Ihr konkretester Hinweis dazu, es sollte durchgängig die Betonung als hervorstechendes Merkmal der Differenzierung herangezogen werden. Also: zusammenschreiben (vs. zusammen schreiben), sich sattessen. Als Sie selbst für das erstere in einem Ihrer Beiträge die Getrenntschreibung wählten (zusammen schreiben = ohne Lücke schreiben), erklärten Sie das damit, daß Sie das „zusammen“ hier besonders betonen wollten. Auf die Absurdität hingewiesen (betont -> zusammen, besonders betont -> getrennt), gingen Sie nicht weiter darauf ein.

Ähnlich bei sich satt_essen, wo Sie sich wiederholt darüber beschwerten, daß im Gegensatz zu den bisherigen Lexika ein Bogen eingeführt werden sollte („Das leuchtet mir überhaupt nicht ein“; eindeutige Zusammenschreibung ist „überhaupt kein Problem“; falls beide Varianten in der Zeitung zu finden seien, wäre das ein Beweis für die schriftstellerische Verwahrlosung der Journalisten). Zuerst forderten Sie die Zusammenschreibung aufgrund der Betonung (wobei Ihnen andere mit dem zusätzlichen Argument „Ergebniszusatz -> Zusammenschreibung“ zu Hilfe kamen), anschließend jedoch aufgrund der Lexikoneinträge die Getrenntschreibung. Auch hier erklärten Sie trotz Aufforderung nicht, wie Sie sich nun entscheiden wollen, kritisieren aber nach wie vor penetrant an der „Beliebigkeitsschreibung“ herum, die für Sie den Verfall der schriftsprachlichen Sitten verkörpert, und mäkeln ebenso an Professor Icklers Wörterbuch herum (obwohl wir inzwischen Ihre allgemeinen Wunschvorstellungen kennen).

Also beantworten Sie doch einfach einmal diese beiden Fragen:
1. Wie würden Sie den Eintrag zu zusammen_schreiben gestalten?
2. Wie würden Sie den Eintrag zu sich satt_essen gestalten?

Ich weise Sie auch darauf hin, daß Sie es selbst teilweise bewußt ablehnen, der überwiegenden (statistischen!) Norm zu folgen, und zwar bei der Schreibung „auf Grund“. Ich hatte Sie einmal darauf aufmerksam gemacht, daß „aufgrund“ außer in juristischen und ähnlichen Texten Standard ist, und Sie sagten, „auf Grund“ gefalle Ihnen besser; Sie wollten dabei bleiben. Deshalb Zusatzfrage: Soll Professor Ickler Ihrer Meinung nach „auf Grund“ aus dem Verzeichnis tilgen, damit an dieser Stelle mehr Eindeutigkeit im Wörterbuch herrscht? Soll er einen Kommentar zu den Varianten schreiben? Oder soll er „auf Grund“ einfach als Variante stehenlassen, weil Ihnen persönlich diese Schreibweise gefällt, auch wenn Sie strenggenommen keine Gesetzestexte verfassen?



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
03.02.2001 23.00
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Korrektur

Bei „sich satt_essen“ muß es statt „Zusammenschreibung“ heißen, daß für Herrn Riebe die eindeutig vorgeschriebene Getrenntschreibung „überhaupt kein Problem“ ist; das war jedenfalls seine Stellungnahme anläßlich des Nachschlagens in diversen Lexika.



Wolfgang Wrase
München

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