Die Reformer Gerhard Augst und Martin Luther
Frau Rektorin Dr. Renate Maria Menges wünscht weitere Vereinfachungen der Rechtschreibung. Am 11.02.2001 schrieb sie wörtlich: Ich plädiere für eine weitere enorme Vereinfachung besonders der Groß- und Kleinschreibung, der Zusammen- und Getrenntschreibung und eine Vereinfachung des ß. Leider müsste das nach meiner Anschauung ganz verschwinden.
Ich habe daher in die Lutherbibel von 1545 hineingeschaut:
D. Martin Luther: Biblia: das ist: Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch. Auffs new zugericht. Begnadet mit Kurfürstlicher zu Sachsen Freiheit. Gedruckt zu Wittemberg / Durch Hans Lufft, MDXLV (1545). Allerdings ist die Sprache des 16. Jahrhunderts, das Frühneuhochdeutsche, im Gegensatz zu unserer heutigen Sprache in ihrer Entwicklung noch nicht fest abgeschlossen, sondern im Werden begriffen. Daher gibt es ein Nebeneinander verschiedener Schreibformen. Die Schreibweise unterliegt noch keinen festen Regeln, und häufig wird eine rein phonetische Schreibweise angewandt ohne Rücksicht auf Stamm und Herkunft des betreffenden Wortes. Diese Lutherbibel enthält aber das, was Frau Dr. Menges wünscht, z.B.
1. Kleinschreibung: abend, abendmal, apoteke (sogar ohne das Dehnungs-h!), freiheit, gasthaus, pöbel 2. Doppel-s-Schreibung wie in der Schweiz: anbeissen, beschliessen, büssen, einreissen, schiessen 3. Wörter ohne Dehnungs-h: abnemen, annemen, dahinfaren, einfüren, fortfaren, rüren, zurückkeren 4. Aber schon die Getrenntschreibung findet man seltener: davon tun, drauf geben, wol machen. Die Zusammenschreibung hatte schon in größerem Umfang begonnen.
Wer sich über die von den Reformern angestrebte Kleinschreibung näher informieren will, kann einmal die Netzseite des Bundes für vereinfachte rechtschreibung (BVR) in Zürich besuchen: http://www.sprache.org. Der letzte Besucher dort war ich am 06.11.2000. Das zeigt, wie gering das Interesse an der Kleinschreibung wirklich ist. Im Sinne der Schweizer ss- und Kleinschreiber war Martin Luther ein moderner Mann. Sollen wir also zur Schreibweise des Reformators Dr. Martin Luther zurückkehren, wie die Reformer und Frau Dr. Renate Maria Menges es nach wie vor wünschen? Der Angriff der Reformer auf unsere moderne Schreibweise scheiterte schon einmal.
Aber der keiser, der den al im bot isst, ist noch nicht tot! Was 1996 noch nicht durchsetzbar war, werden die Reformer nach dem Jahr 2005 erneut auf die Tagesordnung setzen: die konsequente Kleinschreibung und die Preisgabe der Unterscheidungsschreibung, der Dehnungszeichen und insbesondere des ß. Die Reformer Augst, Blüml, Gallmann und Sitta betonten: Es ist ein Anfang gemacht worden, weitere Vereinfachungen und Verbesserungen können sich zu einem späteren Zeitpunkt anschließen. (Sitta, Horst / Gallmann, Peter, in Zusammenarbeit mit Gerhard Augst und Karl Blüml: Duden, Informationen zur neuen deutschen Rechtschreibung: Nach den Beschlüssen der Wiener Orthographiekonferenz vom 22.-24.11.1994 für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Mannheim: Dudenverlag, 1994, S. 7)
Manfred Riebe
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