Unreflektierte Feindbilder und die Diskussionskultur...
Wolfgang Wrase: »Herr Lachenmann schlachtet das gleich gegen die Beliebigkeit in unserem Wörterbuch aus, wenn ich ihn richtig verstehe.«. Wieder liegen Sie daneben, lieber Freund. Sie sollten nur das lesen, was dasteht. Sie haben sich auf ein paar Feindbilder eingeschossen, und können davon offenbar nicht ablassen. Das nimmt Ihnen sichtlich immer wieder jeglichen Blick auf das eigentlich Gemeinte. Wenn Sie bei der Arbeit an »unserem Wörterbuch« genau so oberflächlich und schludrig arbeiten wie Sie die Texte hier rezipieren und replizieren, können wir uns ja auf was Tolles gefaßt machen, sollte Ihre Mitwirkung tatsächlich von größerer Relevanz sein.
Von mir haben Sie das Wort »Beliebigkeitsschreibung« vermutlich überhaupt noch nie gelesen, auch habe ich wieder einmal kein Wort gegen »unser Wörterbuch« geäußert oder gegen dessen Autor(en?).
Ich habe lediglich geäußert, daß Herr Upmeyer endlich wieder bei einem Thema angelangt ist, das uns Nichtlinguisten, die aber eng mit der Sprache und ihrer Schreibung zu tun haben, betrifft und lebhaft interessiert. Wir erwarten nun einmal von einem Wörterbuch, daß es nicht nur aufzeigt, welche Schreibmöglichkeiten in der Wirklichkeit praktiziert werden, sondern welche jeweils für welche Anwendungen üblich sind, wie oft muß das wiederholt werden? Daß dies keine sprachphilosophische Frage ist, sondern ein praktische, hat Herr Upmeyer sehr schön dargestellt. Und diese Erwartung ist doch nichts Böses? Wenn aber »unser Wörterbuch« dies nicht leisten will, nun dann eben nicht. Dafür mag es ja Gründe geben, aber uns hilft das wenig, dann enttäuschen Sie uns eben und wir bleiben vorläufig beim alten Duden, ohne diesen deshalb so zu verherrlichen, wie Sie das unterstellen und womit wir für Sie ja richtige kleine Satane sein müssen.
Warum wir dann aber überhaupt auf diesen Seiten über unsere Probleme mit der Rechtschreibreform diskutieren, muß man sich schon fragen. Zu verfolgen, wie Icklers Wörterbuch mit Ihrer Mitwirkung entsteht, ist nur mäßig spannend, da es offensichtlich nicht für uns Einfaltspinsel, die »nicht alle Tassen im Schrank haben«, gedacht ist. Aber genau diese Leute, bzw. solche, die wesentlich weniger sprachsicherer sind als wir alle hier (von wegen »Rechtschreibmündigkeit« das ist doch Philosophie und keine Sprachwirklichkeit!) und die jetzt nichts anderes haben, als den unseligen neuen Duden, bräuchten ein Wörterbuch, das ihnen ihre schlichten und naiven Fragen beantwortet.
Sie haben es doch selbst schon zu erkennen geben, daß Sie die Problematik sehr genau sehen. Und ich kann mir gut vorstellen, daß es sehr schwierig und aufwendig ist, ein Wörterbuch zu erstellen, das die Sprachwirklichkeit nicht nur mittels Bögchen, also eher andeutungsweise, darstellen will, sondern so differenziert, daß man die unterschiedlichen, auch widersprüchlichen, unlogischen Praktiken wiederfindet. Das hat der Duden, soweit ich es weiß, weitgehend geleistet. Inwiefern das nun im einzelnen anfechtbar war, ist eine andere Frage. Dann muß man es eben besser machen. Und wenn man es nicht kann oder nicht will oder nicht für sinnvoll hält, dann eben nicht. Dann muß man aber wissen, daß man am Bedarf und am Interesse vieler engagierter Reformgegner vorbeiproduziert.
Wichtig wären erläuternde Hinweise in einem Wörterbuch auch deshalb, weil offenbar auch Wörterbuchmacher bzw. Mitarbeiter zum Beispiel die Bedeutung der Begriffe »Satire« und »Flegelei« durcheinanderbringen. Andrerseits: Sagt man oft genug das eine und meint dabei das andere, wird das andere zu dem einen. Verlassen wir uns auf Google. (Erklären Sie mir jetzt bitte nicht, daß das wieder eine ganz andere Thematik ist, es paßt schon.)
Walter Lachenmann
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