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Reinhard Markner
17.04.2001 22.00
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An alle (neuen) Adepten des Deskriptivismus

Geradezu flehentlich hat Herr Jansen neuerdings um die Anerkennung der Tatsache gebeten, daß die Neuregelung in einigen Teilbereichen auf Deskription beruht. Weil ich ein Herz für Sophisten habe, erkläre ich hiermit : Herr Jansen hat natürlich recht. Die Reformer haben an Schulen erhobene Fehlerstatistiken herangezogen und manche der häufigsten Fehler schlicht zur neuen Norm erklärt. Dazu lassen sich ein paar Bemerkungen machen.

1. Der Icklersche Ansatz, den Usus der Schreibprofis zu beschreiben, ist der einzig vernünftige. Das Schreiben ist ein Handwerk und sogar eine Kunst. Will man seine Techniken erlernen, orientiert man sich sinnvollerweise an den ausgebildeten Experten. Das Gekrakel von Oma Schulze (Volksschulabschluß, beginnende Altersdemenz) und Klein-Kevin (I-Dötzchen, Deutsch 4) sind nicht das Maß des guten und richtigen Schreibens. Auch deskriptive Orthographie ist notwendig elitär.

2. Die Reformbestimmungen ergeben sich natürlich nicht konsequent aus der Orientierung am Usus der Schreiblaien. Es könnte sonst zum Beispiel „ein Bißchen“ heißen, keinesfalls aber „ein bisschen“. Und die schönsten Blüthen der Thorheit, „so genannt“ etwa oder „Schlossstraße“, sind selbst den verbohrtesten Legasthenikern nur höchst selten aus der Feder geflossen (nicht umsonst heißt es im Karstadt Berlin-Steglitz „Schloßstrasse“). Ginge es nach Klein-Kevin, müßte man alle Kommata weglassen dürfen („Dicktate sind eh scheise!“).

3. Der Usus der Schreibprofis war natürlich von der geltenden Norm stark beeinflußt. Wer hätte das je bestritten ? Gleichwohl sind die Abweichungen signifikant. Darum geht es. Wo die Norm anstandslos befolgt wurde, war sie offenbar akzeptiert. Ergo „kein Änderungsbedarf“ (Ickler). Der Usus der Schreibprofis war ferner sehr differenziert, was im „Ickler“ nicht in allen Einzelheiten abgebildet wird, und zwar im Vertrauen auf die orthographische Intuition der Schreibenden. Die hier fehlende Differenzierung wurde, nicht selten fälschlich (vgl. „geradestehen“ in wörtlicher Bedeutung), immer aber mit normativem Anspruch, vom Duden angeboten.

4. Das Verhältnis von präskriptivem und deskriptivem Anspruch des Dudens war keineswegs unproblematisch. Hier irren Jansen und auch Riebe (letzterer hat meine Bemerkung über das zwangsläufige „Umschlagen ins Normative“ leider überhaupt nicht verstanden). Die Problematik war Experten, nicht zuletzt den Bearbeitern selbst, auch durchaus bewußt. Sie war aber zum einen nicht lösbar, solange der Duden-Beschluß der KMK in Kraft war, zum anderen war sie nicht von allgemeinem öffentlichen Interesse, weil die Rechtschreibung des Deutschen ein im großen und ganzen reibungslos funktionierendes System darstellte. Dies räumt Jansen bemerkenswerterweise indirekt ein. Erst die Reform hat die Problematik unermeßlich verschlimmert und dadurch für jedermann sichtbar gemacht.

5. Auch Frau Menges hat recht, und dieser seltene Umstand sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Jawohl, die Rechtschreibreform beruht nicht zuletzt auf einer Marktstrategie. Das ist allerdings ihren Gegnern immer schon klar gewesen. Wirklich interessant ist nur die Frage, ob die Strategie aufgegangen ist.

6. Es gibt, lieber Herr Wrase, bestimmt Wechselwirkungen zwischen der Schreibung von Verben und Substantiven, aber ich werde hier nicht den Beweis liefern, wann, wo und wie stark. Das könnte Thema einer linguistischen Dissertation sein, die ich aber nicht zu schreiben gedenke. Ihre Überlegungen zur Semantik sind interessant, stehen aber nicht im Widerspruch zu meiner Annahme, die im übrigen auch von Herrn Ickler nicht zurückgewiesen worden ist.



Reinhard Markner

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Walter Lachenmann
17.04.2001 22.00
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Lieber Herr Kolbe,

eine Versachlichung wäre tatsächlich geboten. Aber dann müssen wir auch ernsthaft sachlich sein, sonst geht es genau so weiter.

1. Sie nennen Herrn Jansens Beiträge »geistige Ergüsse«, denen man ebenso wie den Klamaukbeiträgen des L.K. keine Beachtung schenken sollte. Auch auf die Gefahr hin, daß mich der scharfsinnige Analyst wieder als Parteigänger Herrn Jansens entlarvt: Zwischen dem Klamauk des L.K. und den mir zwar nicht nachvollziehbaren, aber eindeutig mit Ernsthaftigkeit und Anstand vorgetragenen Gedanken des Herrn Jansen sollte man als ernstgenommen werden wollender Diskutant doch unterscheiden können. Sie auf eine Ebene zu stellen, ist auch eine Frechheit.
2. Die aus dem Ruder gelaufene Diskussion betraf in Wahrheit von Anfang an gar nicht Icklers Wörterbuch, wer sie verfolgt hat, wird das bestätigen. Wrase hat eine in eine völlig andere Richtung gehende Überlegung jedoch aus unerfindlichen Gründen als eine Kritik an diesem Wörterbuch und insbesondere an Herrn Ickler interpretiert und sich nicht davon überzeugen lassen wollen, daß er damit auf dem falschen Dampfer war. Daß er dabei so in Rage geraten ist, ist tatsächlich seltsam.
3. Auch wenn es bei dieser an die Wand gefahrenen Diskussion wie gesagt darum ursprünglich gar nicht ging: Herr Ickler diskutiert auf diesen Seiten in erfreulicher Bereitschaft und Offenheit darüber, wie er sein Wörterbuch macht. Es ist schon wahr, daß er immer wieder erläutert, daß es kein Aufguß des alten Duden sein wird, daß es deskriptiv sein soll – das alles begreifen vermutlich alle, auch wenn das manchem unvorstellbar sein mag, daß es auch von anderen begriffen wird. Man sollte sich aber doch nicht wundern oder gar sich darüber empören, daß immer wieder die Sprache auch darauf kommt, worin die Probleme dieser Konzeption liegen. Über diese Probleme habe ich noch keine wirkliche Erörterung hier gelesen. Sehr wohl aber klingt immer wieder an, daß auch Ickler (und auch Wrase hat sich schon in dieser Richtung geäußert, aber auf ihn kommt es hier weniger an) die Problematik sieht – wenn er es auch mit uns Laien offenbar nicht erörtern mag – und sich Gedanken darüber macht, dieser Problematik in einer Weise gerecht zu werden, daß seine grundsätzliche Konzeption im wesentlichen dadurch nicht verfälscht wird. Und genau das würde uns eben auch interessieren, wie das aussehen soll, denn es ist ein echtes Anliegen. Und im übrigen kann und soll er selbstverständlich dieses Wörterbuch so machen, wie er es für am besten hält. Ob es sich bewähren wird, werden wir dann ja sehen. Nur: Der Appell, jeder soll sich halt selber eines machen, wenn das Icklersche ihm nicht paßt, wird nicht gescheiter durch regelmäßiges Wiederholen.
4. Über die Definition von »Frechheit« sollten sich Korrektoren eigentlich im klaren sein. Und nach dem, was Kollege Wrase hier temperamentvoll den verschiedensten Diskutanten verabreicht hat, ist er umgekehrt doch recht glimpflich weggekommen mit dem Schüttelreim und dem »Herr und Meister« (was eh keiner gesagt hat, und was eher eine Anerkennung wäre, denn Herrn Ickler als Herrn und Meister zu haben, ist doch im Gegenteil etwas sehr ehrenhaftes.) Aber weil Herr Wrase ja so leidenschaftlich und hingebungsvoll für die Sache, nämlich »unser Wörterbuch« kämpft, hat er für jegliches Danebenbenehmen alle denkbaren Freibriefe. Denkt er wohl. Und wundert sich, wenn dann solche unguten Diskussionen entstehen.



Walter Lachenmann

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Gast
17.04.2001 22.00
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Aus dem Ruder

Mir scheint, die Diskussion hier in diesem Gästebuch „läuft total aus dem Ruder“.
Vor etlichen Tagen habe ich schon einmal darauf hingewiesen, den „geistigen Ergüssen“ des Herrn Jansen (wie auch vorher L. K.) keine weitere Beachtung zu schenken. Daß sich hier aber nun andere, angeblich doch Gegner der Reform, in diesem Forum derart „bekriegen“, daß man bei einigen meint, nicht mehr zu wissen, auf welcher Seite sie überhaupt noch stehen, ist schon ein Trauerspiel.
Meine Meinung dazu ist:
a) In der Gegnerschaft der Rechtschreibreform sollten wir uns alle einig sein;
b) Den Zustand, wie wir ihn vor der Refom hatten, werden wir wohl so nicht mehr bekommen. Daraus resultierend: Wenn man es besser machen will als die Reformer, muß man ein „Gegenstück“ schaffen, das die Ziele, mit denen die Reformer angetreten sind, nämlich u. a. die Fehlerquote bei den Schreibenden zu senken, erfüllt. Ich meine, Prof. Icklers Werk erfüllt diese Ziele, so, wie er es gemacht hat, sogar um Längen besser als die Reformer. Mir als Korrektor wäre natürlich auch ein Werk lieber, das in Richtung eines „Universalwörterbuches“ geht, also nicht nur bloße Worteintragungen, sondern auch Erklärungen dazu. Daß dieses aber nicht Herrn Icklers Ziel war und ist, hat er doch wohl zur Genüge in diesem Forum bekanntgegeben. Man muß sich halt dran gewöhnen, dann kommt man auch damit sehr gut zurecht; andererseit steht es doch jedem frei, ein Werk nach seiner Fasson zu schaffen, nämlich so, wie er es gern möchte. Kritiker findet man immer zuhauf, aber Mitarbeiter, die ihre Freizeit opfern, um daran mitzuwirken, ganz wenige – und dazu zähle ich Herrn Wrase, ob es hier einigen Leuten paßt oder nicht, ist mir egal! Ich weiß gar nicht, ob die vielen Kritiker sich überhaupt vorstellen können, welch immense Fleißarbeit es ist, solch ein Werk, wie Herr Ickler es quasi aus dem Nicht heraus erschaffen hat, zur Druckreife zu bringen. Dieser Mann hat doch wahrhaft anderes zu tun, als hier fast jede Woche ein paarmal sich immer wieder erklären (wiederholen) zu müssen. Das sollte doch wohl auch der Naivste unter den Kritikern einsehen.
So, nun kann man auch mir unterstellen, daß Herr Ickler, nur weil dieses hier ganz einfach mal gesagt werden mußte, mein „Herr und Meister“ ist, wie man dieses Herrn Wrase ganz massiv unterstellt – eine Frechheit, wie ich finde!!



Klaus Kolbe (Korrektor)
31553 Sachsenhagen, Tunner-Hartmann-Straße 1

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Manfred Riebe
17.04.2001 22.00
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Nur ansatzweise Textrezeption und Diskussionskultur?

Mit Worten läßt sich trefflich streiten, wenn man die Worte eines anderen – wie Herr Wrase es tut – aus dem Zusammenhang reißt, ein wenig anders interpretiert, umformuliert und als vielfaches „Echo“ immer wieder vorträgt, so wie man es eben für einen Streit braucht, und indem man außerdem erläuternde Beispiele einfach wegläßt.

Die vielfachen „Echos“ Wrasescher Herkunft stimmen mit dem Originalton nicht überein. Man fragt sich, welche Absicht hinter dieser Vervielfachung und Verfälschung fremder Kritik steckt. Manch einer traut sich eben nicht, seine revoluzzerhaft kritischen Gedanken selber gegenüber dem Meister klar auszusprechen. Also braucht solch ein Advocatus diaboli einen Sündenbock oder „Einfaltspinsel“, der „nicht alle Tassen im Schrank“ hat (Wrase), dem er dann seine eigene Kritik entsprechend scharf und zugespitzt in den Mund legen kann.



Manfred Riebe

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Walter Lachenmann
17.04.2001 22.00
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Unreflektierte Feindbilder und die Diskussionskultur...

Wolfgang Wrase: »Herr Lachenmann schlachtet das gleich gegen die „Beliebigkeit“ in unserem Wörterbuch aus, wenn ich ihn richtig verstehe.«. Wieder liegen Sie daneben, lieber Freund. Sie sollten nur das lesen, was dasteht. Sie haben sich auf ein paar Feindbilder eingeschossen, und können davon offenbar nicht ablassen. Das nimmt Ihnen sichtlich immer wieder jeglichen Blick auf das eigentlich Gemeinte. Wenn Sie bei der Arbeit an »unserem Wörterbuch« genau so oberflächlich und schludrig arbeiten wie Sie die Texte hier rezipieren und replizieren, können wir uns ja auf was Tolles gefaßt machen, sollte Ihre Mitwirkung tatsächlich von größerer Relevanz sein.

Von mir haben Sie das Wort »Beliebigkeitsschreibung« vermutlich überhaupt noch nie gelesen, auch habe ich wieder einmal kein Wort gegen »unser Wörterbuch« geäußert oder gegen dessen Autor(en?).

Ich habe lediglich geäußert, daß Herr Upmeyer endlich wieder bei einem Thema angelangt ist, das uns Nichtlinguisten, die aber eng mit der Sprache und ihrer Schreibung zu tun haben, betrifft und lebhaft interessiert. Wir erwarten nun einmal von einem Wörterbuch, daß es nicht nur aufzeigt, welche Schreibmöglichkeiten in der Wirklichkeit praktiziert werden, sondern welche jeweils für welche Anwendungen üblich sind, wie oft muß das wiederholt werden? Daß dies keine sprachphilosophische Frage ist, sondern ein praktische, hat Herr Upmeyer sehr schön dargestellt. Und diese Erwartung ist doch nichts Böses? Wenn aber »unser Wörterbuch« dies nicht leisten will, nun dann eben nicht. Dafür mag es ja Gründe geben, aber uns hilft das wenig, dann enttäuschen Sie uns eben und wir bleiben vorläufig beim alten Duden, ohne diesen deshalb so zu verherrlichen, wie Sie das unterstellen und womit wir für Sie ja richtige kleine Satane sein müssen.

Warum wir dann aber überhaupt auf diesen Seiten über unsere Probleme mit der Rechtschreibreform diskutieren, muß man sich schon fragen. Zu verfolgen, wie Icklers Wörterbuch mit Ihrer Mitwirkung entsteht, ist nur mäßig spannend, da es offensichtlich nicht für uns Einfaltspinsel, die »nicht alle Tassen im Schrank haben«, gedacht ist. Aber genau diese Leute, bzw. solche, die wesentlich weniger sprachsicherer sind als wir alle hier (von wegen »Rechtschreibmündigkeit« – das ist doch Philosophie und keine Sprachwirklichkeit!) und die jetzt nichts anderes haben, als den unseligen neuen Duden, bräuchten ein Wörterbuch, das ihnen ihre schlichten und naiven Fragen beantwortet.

Sie haben es doch selbst schon zu erkennen geben, daß Sie die Problematik sehr genau sehen. Und ich kann mir gut vorstellen, daß es sehr schwierig und aufwendig ist, ein Wörterbuch zu erstellen, das die Sprachwirklichkeit nicht nur mittels Bögchen, also eher andeutungsweise, darstellen will, sondern so differenziert, daß man die unterschiedlichen, auch widersprüchlichen, unlogischen Praktiken wiederfindet. Das hat der Duden, soweit ich es weiß, weitgehend geleistet. Inwiefern das nun im einzelnen anfechtbar war, ist eine andere Frage. Dann muß man es eben besser machen. Und wenn man es nicht kann oder nicht will oder nicht für sinnvoll hält, dann eben nicht. Dann muß man aber wissen, daß man am Bedarf und am Interesse vieler engagierter Reformgegner vorbeiproduziert.

Wichtig wären erläuternde Hinweise in einem Wörterbuch auch deshalb, weil offenbar auch Wörterbuchmacher bzw. Mitarbeiter zum Beispiel die Bedeutung der Begriffe »Satire« und »Flegelei« durcheinanderbringen. Andrerseits: Sagt man oft genug das eine und meint dabei das andere, wird das andere zu dem einen. Verlassen wir uns auf Google. (Erklären Sie mir jetzt bitte nicht, daß das wieder eine ganz andere Thematik ist, es paßt schon.)



Walter Lachenmann

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Wolfgang Wrase
17.04.2001 22.00
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Jansen in Reinkultur

Zitat: „Aber ewig zu behaupten, die Reformer hätten sich neue Schreibweisen oder neue Regeln ausgedacht, ist pauschal und falsch.“
Pauschal und falsch. Also falsch. „Ewig“ kann man weglassen. Das ergibt:

Zu behaupten, die Reformer hätten sich neue Schreibweisen oder neue Regeln ausgedacht, ist falsch.

Aha. Deswegen ist die Reform ja auch so sinnvoll und wird der Schreibwirklichkeit vor der Reform so hervorragend gerecht, daß sich niemand umstellen muß! Warum werden da bloß Fortbildungen veranstaltet? Sind wir alle verrückt?

Diese zutiefst unehrliche, geradezu perverse Art der „Argumentation“ ist sicher etwas für Herrn Lachenmann, der in Herrn Jansen ein Vorbild an Seriosität und Wohlüberlegtheit anpreist, während ich ja nur meine Traumata triebhaft abreagiere, Wadln beiße und sinnlose „Spiegelfechtereien“ veranstalte, nicht wahr? Drum sagte ich ja auch Herrn Lachenmann: Verbünden Sie sich doch lieber mit Herrn Jansen, da gehören Sie hin! Und dann können Sie beide Professor Ickler beibringen, wie man richtig deskriptiv arbeitet! Vielleicht einigen Sie sich ja auch einen Kompromiß zwischen Ickler, den Sie so sehr schätzen Herr Lachenmann, und der Neuregelung, die Herr Jansen liebt: nämlich auf den alten Duden, so wie es Herrn Riebe vorschwebt, und dann sind Sie ein starkes Trio.



Wolfgang Wrase

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Gast
17.04.2001 22.00
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Deskriptiv

Wer deskriptiv arbeitet, muss dennoch so etwas wie ein Korpus definieren. Nimmt man die Schreibpraxis von ganz normalen Leuten, so wird man feststellen, dass die Neuregelung davon sehr, wirklich sehr vieles wiedergibt. Nein, das ist keine Propaganda; natürlich setzt die Neuregelung auch an einigen Stellen aus Gründen der Systematik eine Norm, die diesen deskriptiven Rückhalt nicht im Einzelfall hat. Aber ewig zu behaupten, die Reformer hätten sich neue Schreibweisen oder neue Regeln ausgedacht, ist pauschal und falsch. Ich nehme mein einfaches Lieblingsbeispiel: „Substantivierungen schreibt man groß“. Diese Regel wurde weder von den Reformern erfunden, noch wurden es Schreibweisen wie im Wesentlichen und im Allgemeinen. Wenn man sein Korpus natürlich auf große Zeitungen stützt, ist man in Relation dazu in der Tat „nur ansatzweise“ deskriptiv. Wie hält es die Icklerschule eigentlich mit der Kommasetzung? Das Pendant zum „Bogen“ kann da doch nur fakultative Kommasetzung sein?



Michael Jansen

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Wolfgang Wrase
17.04.2001 22.00
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Antwort zu Herrn Jansen

Es mag sein – oder: es ist so –, daß die Reform an manchen Stellen (ob zufällig oder gewollt, ist egal) die vor der Reform üblichen Schreibungen besser als der alte Duden als Norm beschreibt. Weit überwiegend ist es jedoch so, daß die Reform neue Schreibweisen einführt, die es bisher gar nicht gegeben hat. (Rechtfertigung von Herrn Jansen: „aus Gründen der Systematik“.)

Tatsache ist: Das mit Abstand deskriptivste Wörterbuch/Regelwerk (bezogen auf die üblichen Schreibungen vor der Reform) ist von den hier zur Diskussion stehenden Arbeiten unser Wörterbuch, dann folgt mit großem Abstand der alte Duden und dann mit riesigem Abstand das neue Regelwerk. Es ist geradezu pervers, wenn ein Reformbefürworter die Reform mit dem Argument lobt, Schreibweisen vor der Reform seien im neuen Regelwerk besser beschrieben worden als zuvor im Duden. Und dann auch noch darauf hinweist, daß man sich nach dem alten Duden zu schreiben bemüht habe (!!), was natürlich (in Grenzen) richtig ist, aber nur bedeuten kann, daß die Verordnung von neuen Schreibweisen, die man dann, falls man dazu gezwungen ist, natürlich ebenfalls anzuwenden versucht, die bisherige reale (weitgehende) Einheitsschreibung zerstört!

Faßt man die perverse „Logik“ von Michael Jansen zusammen, so ergibt sich: (1) Die Reform ist zu loben, weil sie manchen Schreibweisen vor der Reform besser erfaßt als der alte Duden, also der Schreibwirklichkeit vor der Reform besser gerecht wird. (2) Die Leute bemühen sich, nach dem jeweils für sie verbindlichen Regelwerk zu schreiben. (3) Wenn die Bevölkerung nun die (von Herrn Jansen angepriesene) Neuregelung anzuwenden verpflichtet wird, entstehen real jede Menge neue (vor der Reform unbekannte oder höchst seltene) Schreibweisen als neue reale Norm, genau so wie sie das neue Regelwerk vorschreibt. (4) Fazit: Die vor der Reform unbekannten neuen Schreibweisen werden der Schreibwirklichkeit vor der Reform am besten gerecht. (5) Bewertung: Deshalb ist die Reform sinnvoll.



Wolfgang Wrase

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Wolfgang Wrase
17.04.2001 22.00
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Antwort zu Herrn Riebe

Herr Riebe schrieb zuletzt: (1) Ich habe nirgends behauptet, der Duden von 1991 habe „vorbildliche deskriptive Qualität“ geleistet. Solche verallgemeinernden Behauptungen wären unseriös.
(2) Ein anderes Beispiel: Die Kritik an der Beliebigkeitsschreibung der Reformer stammt nicht von mir, vielmehr habe ich sie von Professor Theodor Ickler übernommen, der u.a. E4 als „eine der zahlreichen Beliebigkeitsklauseln“ bezeichnet.

Zu (2): Keiner hat öfter „Beliebigkeitsschreibung!“ gerufen als Sie selbst, Herr Riebe. Es ist deshalb völlig unerheblich, von wem Sie das vielleicht einmal übernommen haben könnten. Es ist grotesk, daß Sie sich damit rechtfertigen, Sie hätten diesen Vorwurf der Beliebigkeit von Professor Ickler übernommen, nachdem Sie ihn oft genug auf Professor Icklers Wörterbuch angewendet haben, so als müßte sich Professor Ickler selbst ständig diesen Vorwurf machen. Wenn man Beliebigkeit verordnet („Beliebigkeitsklauseln“ im Regelwerk), die man nicht will, ist das etwas ganz anderes, als wenn man feststellt, daß in weiten Bereichen des realen Schreibens verschiedene Schreibweisen verwendet werden („Beliebigkeitsschreibung“), die man verzeichnen muß, wenn man ein deskriptives Wörterbuch macht und unter „Norm“ (in erster Linie oder vollständig) das Übliche versteht.

Zu (1) zitiere ich Ihre diesbezüglichen Äußerungen:

-> Reinhard Markner schrieb am 16.04.2001: „Die Duden-Redaktion hat nie einen konsequent deskriptivistischen Ansatz verfolgt.“ Ich meine, grundsätzlich doch, nur ausnahmsweise nicht.

Das habe ich so wiedergegeben: Der Duden hat laut Herrn Riebe weitestgehend deskriptiv gearbeitet. Was soll der Unterschied sein?

-> Deskription heißt hingegen Beschreibung der Sprache. Diese Beschreibung ist in der 20. Auflage des Duden von 1991, von wenigen Irrtümern einmal abgesehen, weitgehend vorhanden und grundsätzlich gelungen. Sie existiert im Ickler-Wörterbuch erst ansatzweise.
Nichts anderes habe ich mit meinen Formulierungen wiedergegeben. Ich sage es nochmals in einer anderen Formulierung: Bei der beschreibenden Darstellung der Rechtschreibung ist der Duden Professor Ickler meilenweit voraus. Das haben Sie ja wohl geschrieben.

-> Schlug aber wirklich jede aus der Beobachtung der Sprachentwicklung abgeleitete Entscheidung der Duden-Redaktion ins Normative um? Ich meine, nur in einigen Randbereichen, in denen der Duden von den amtlichen Regeln abwich und der Duden selber Normen setzte.
Also nochmals: Nur in „wenigen Randbereichen“ war der Duden laut Herrn Riebe nicht deskriptiv, sondern nur da, wo er selber Normen setzte. Nur in wenigen Randbereichen, nur ganz ausnahmsweise nicht deskriptiv – das wird man doch als „vorbildlich“ deskriptiv verstehen müssen, ohne irgend etwas verallgemeinert zu haben. Hingegegen bei Ickler: „erst ansatzweise“. Dieses Hinterherhinken von Professor Ickler gegenüber dem „weitgehend“, „bis auf wenige Ausnahmen“ usw. deskriptiven Duden wird auch in Ihrer folgenden Formulierung deutlich:

-> Reinhard Markner schreibt: „Man vergleiche zum Beispiel den Eintrag »bekannt_machen«, wo eine nähere Explikation gegeben wird.“ Wenn das Wörterbuch deskriptiv sein will, ist es verbesserungsbedürftig. Eine differenzierte Beschreibung des Sprachgebrauchs (Usus) ist daher unumgänglich.
Also hier: Professor Ickler muß es so machen wie der Duden, das sei „unumgänglich“, in dieser Hinsicht ist das Wörterbuch „verbesserungsbedürftig“.   

Ich habe nichts, aber auch gar nichts an Ihren Aussagen verfälscht, sondern lediglich ein wenig anders formuliert – ohne den Sinn zu verändern. Daher ist auch das salbungsvolle Selbstlob Ihrer „Aufkläungsarbeit“ zurückzuweisen:

-> Informations- und Aufklärungsarbeit kann jedoch nicht auf einer irrational-emotionalen Ebene stattfinden. Von allen Versuchen, unsere Aufklärungsarbeit durch fortwährende mobbingartige Polemik zu diskreditieren, distanziere ich mich.

War das nun „mobbingartige Polemik“? Ich stelle nochmals fest: Das einzige Ziel, das Professor Ickler mit seinem Wörterbuch verfolgt, ist es, die Rechtschreibung vor der Reform so darzustellen, wie sie real praktiziert wurde. Wir haben dagegen unzählige Beispiele dafür zitiert oder könnten sie zitieren, die belegen, daß der Duden etwas vorschrieb, was der Schreibwirklichkeit überhaupt nicht entsprochen hat – obwohl man sich im Prinzip bemüht hat, nach dem Duden zu schreiben! (Dies auch als Antwort auf die belanglose Anmerkung von Michael Jansen.) Es ist daher nicht möglich, daß der Duden „deskriptiver“ als unser Wörterbuch war, gar noch in der Art einer diametralen Entgegensetzung (Duden bis auf wenige Ausnahmen deskriptiv, Ickler erst ansatzweise deskriptiv), wie Sie sie mit Ihrer „Aufklärungsarbeit“ suggerieren.



Wolfgang Wrase
München

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Gast
17.04.2001 22.00
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Jetzt wird¹s konkret

Wenn man die Auseinandersetzung der letzten Tage hochrechnet, so könnte dies Folgendes bedeuten: Vor der Reform musste man sich dem Spannungsverhältnis zwischen Deskription und Päskription nicht stellen. Dass man den Duden einerseits für ein „Abbild der Schreibwirklichkeit“ hielt, und man zugleich wusste, dass es eine sehr strenge Norm war, dass ging scheinbar völlig problemlos beides gleichzeitig. Es waren ja alles nur Trockenschwimmübungen. Wenn man aber die konkreten Ergebnisse sieht, muss man sich den Tatsachen stellen und kann nicht mehr rein ideologisch argumentieren. Das tut teilweise weh, wie man hier beobachten kann. Dass deskriptive Schreibwirklichkeit immer Variantenvielfalt bedeutet, stellt man erst fest, wenn man tatsächlich deskriptiv arbeitet. Die Deskription von Herrn Ickler ist, und das hat er ja auch immer eingeräumt, allerdings nur die Aufnahme dessen, wie die Duden-Norm umgesetzt wird/wurde. Niemand wird bestreiten, dass alle Zeitungen, die sein Korpus bilden, bemüht waren, die Duden-Rechtschreibung anzuwenden. Das ist etwas völlig anderes als Deskrition als Vorstufe zu einer Norm. Dies ist im Deutschen seit über 100 Jahren nicht mehr möglich.



Michael Jansen

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Wolfgang Wrase
17.04.2001 22.00
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ganz (Adjektiv) (Verb)

Herr Upmeyer wendet sich mit vielen solchen Beispielen gegen die Neuregelung – völlig zu Recht. Herr Lachenmann schlachtet das gleich gegen die „Beliebigkeit“ in unserem Wörterbuch aus, wenn ich ihn richtig verstehe. Dazu ist zu sagen, daß die GZS-Bögen definitionsgemäß einfach nur beschreibend sind. Sie zwingen ja nicht, wie die Neuregelung, zu einer Schreibweise, die man nicht will oder die nicht sachgerecht ist. Anders der Duden, der in vielen Fällen die Zusammenschreibung vorgeschrieben hat, obwohl sie die Schreiber oft, mehrheitlich (oder sogar fast immer) nicht wollten oder obwohl sie nicht sachgerecht war. Sogar im Regelteil fehlte beim Duden die Beschreibung der verschiedenen Möglichkeiten. Ich habe zufällig vor kurzem in einer Antwort an Herrn Dörner dazu Stellung genommen. Dagegen ist es bei „Ickler“ selbstverständlich, daß es beide Möglichkeiten geben muß: zusammen oder getrennt.

Übrigens sind einige Beispiele von Herrn Upmeyer eher falsch als sinnvoll: darangehen oder daran gehen – es hat noch (fast) nie jemanden gestört, es ist fast nie jemandem aufgefallen, ob das nun getrennt oder zusammen geschrieben war. Es trifft nicht zu, daß hier die Option, die realistisch im Bogen wiedergegeben wird, zu „nicht hinnehmbarer“ Uneindeutigkeit führen würde. Ein solches Muster der Parallelisierung, wie es Herr Upmeyer in seinen Listen verwendet, leuchtet zwar im Rahmen dieser Präsentation ein, entspricht aber nicht der Gestalt realer Texte (sondrn nur teilweise) und beschreibt keine Notwendigkeit, die dem Schreiber vorgegeben wäre. Das ist eben das Problem des Duden gewesen: alles schön regelmäßig auseinanderdefiniert und zusammengelegt, sieht sehr logisch aus – und ist, wenn man sich gewissenhaft ans Vergleichen macht, kraß unlogisch und von Widersprüchen durchsetzt. Solche Pseudo-Regelungen, das heißt scheinbar alles klärenden Regeln (auch bei der Peilschen Liste und bei Herrn Illauers Listen) sind allein auf Regelebene erdacht, an willkürlich gewählter Kategorien aufgezogen und anhand willkürlich ausgewählter Beispiele durchdekliniert. Ich dachte, es wäre hier schon oft gezeigt worden, welche Nachteile ein solches Vorgehen hat, egal ob nun nach altem Duden oder (sehr ausschnittsweise) von Herrn Illauer, Herrn Peil, Herrn Upmeyer oder sonstwem vorgestellt; und es wäre gezeigt worden, welche Vorzüge die deskriptive Methode im Vergleich dazu hat.   



Wolfgang Wrase
München

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Manfred Riebe
17.04.2001 22.00
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Information und Aufklärung

Zu Herrn Lachenmann:
Der VRS bemüht sich, zu informieren und aufzuklären. Zu diesem rationalen Zweck gebe ich meist Quellen an, damit man in den Quellen Einzelheiten nachlesen kann. Es wird z.B. von Verlegern und Lehrern meist nicht beachtet und nicht berücksichtigt, daß es seit 1901 amtliche Rechtschreibregeln gab. Diese Aufklärungsarbeit hat mit Wadlbeißerei nichts zu tun.
Die Aufforderung an Herrn Lachenmann sich nicht mit „respektlosen und nur bedingt geistreichen Beiträgen“ gegen Theodor Icker zu „versündigen“, halte ich für eine unzulässige Maulkorbpolitik.

Zu Herrn Wrase:
Ich habe nirgends behauptet, der Duden von 1991 habe „vorbildliche deskriptive Qualität“ geleistet. Solche verallgemeinernden Behauptungen wären unseriös.
Ein anderes Beispiel: Die Kritik an der Beliebigkeitsschreibung der Reformer stammt nicht von mir, vielmehr habe ich sie von Professor Theodor Ickler übernommen, der u.a. E4 als „eine der zahlreichen Beliebigkeitsklauseln“ bezeichnet. (vgl. Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich. 1997, S. 67; sowie Ickler: Kritischer Kommentar zur „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“, 2. Auflage, 1999, S. 55 und S. 77). Diesen „Maßstab“ wandte ich dann auch auf die Presse-Orthographie an, die ich als Beliebigkeitsschreibung bezeichnete.

Herr Wrase liest, wenn er wütend ist, leider nicht immer sorgfältig, zitiert daher nicht immer richtig, sondern einseitig in seinem Sinne zuspitzend und fällt dann obendrein bedauerlicherweise häufig abfällige Urteile. Informations- und Aufklärungsarbeit kann jedoch nicht auf einer irrational-emotionalen Ebene stattfinden. Von allen Versuchen, unsere Aufklärungsarbeit durch fortwährende mobbingartige Polemik zu diskreditieren, distanziere ich mich.



Manfred Riebe

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Walter Lachenmann
17.04.2001 22.00
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Lieber Herr Wrase

Wie man in das Wadl hineinbeißt...



Wadl Lachenmann

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Walter Lachenmann
17.04.2001 22.00
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Endlich!

Sehr geehrter Herr Upmeyer,
ich bin sehr froh darüber, daß Sie dazu beigetragen haben, daß hier endlich wieder sachlich über die mit der Reform für Nichtlinguisten einhergehenden Probleme diskutiert wird. Man sollte den privaten Messerstechereien hier das Wasser abgraben, diese sind nun wirklich nicht des Pudels Kern. Die Sprachexperten sind leider, das zeigen Wrases und Icklers Beiträge immer wieder, viel zu sehr mit den sprachinternen wissenschaftlichen Aspekten befaßt und vergessen ganz, daß unsereins in der Alltagspraxis mit Orthographie umgehen muß, sei es in Ihrem Beruf des Technikers oder im Beruf des Lehrers oder im verlegerischen Alltag. Auch die Juristen haben ja Probleme, ob ihre Texte noch eindeutig sind, wenn man sie auf Neuschrieb umstellt. Und wenn bei Google noch so oft unterschiedliche Schreibweisen für ein und dieselbe sprachliche Form auftreten: Für die Praxis sollten unterschiedliche Schreibweisen wenigstens dann auch unterschiedliche Bedeutungen darstellen, wenn man das bisher so gewohnt war und wenn es dem Verständnis nützt (Ihre Beispiele sind dafür sehr anschaulich). Was soll das heißen: aus dem Zusammenhang heraus kann es kein Mißverständnis geben. Kann es eben oft doch, wenn der Text etwa übersetzt werden muß, das haben Sie sehr schön deutlich gemacht.



Walter Lachenmann

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Henning Upmeyer
17.04.2001 22.00
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Ingenieursprache

Zum Satz von Herrn Markner vom 16.4.01, daß „Sprache zwar eine Kulturtechnik, aber eben doch nicht das Ergebnis von Ingenieurkunst ist“:
Natürlich gehört die deutsche Sprache rechtmäßig dem ganzen Volk und nicht allein den Kultusministern, im Gegensatz zur französischen, die der Academie Francaise gehört. Die deutsche Sprache ist ein wirklicher volkseigener Betrieb.
Aber technische Beschreibungen und Bedienungsanleitungen gehören zur Ingenieurkunst und damit auch die dafür als Werkzeug verwendete Sprache. Entsprechend gehört die Sprache der Gesetze zur Juristenkunst und die Sprache der Verträge zur Kaufmannskunst. Wenn vermieden werden soll, daß diese ihre eigenen genaueren Sprachvarianten entwickeln müssen, weil die offizielle Sprache jetzt ungenau zu werden droht, müssen deren Anforderungen an das Werkzeug Sprache berücksichtigt werden. Wirtschaftlicher Erfolg hängt nicht nur von besseren Produkten, sondern auch von besseren Beschreibungen und Bedienungsanleitungen ab, weil sie ein Teil des Produktes sind. Für technische Beschreibungen und Bedienungsanleitungen, die auch für Nichtfachleute verständlich und von nichtdeutschen Übersetzern ohne entsprechende technische Spezialkenntnisse ohne Mißverständnisse in ihre Muttersprache übersetzbar sein sollen, müssen die Wörter aus sich selbst eindeutig sein und dürfen ihren Sinn nicht erst aus dem Textzusammenhang erhalten, weil das wegen der freien Wortstellung unzuverlässig ist. Mehrdeutige Wörter sind dafür ganz unbrauchbar und gefährlich und können zu Übersetzungs- und Bedienungsfehlern und teuren Schäden führen, weil für die unterschiedlichen Bedeutungen eines deutschen Wortes in Sprachen mit weniger konsoziiertem Wortschatz ganz verschiedene Wörter existieren. Rückfragen des Übersetzers bei Mehrdeutigkeiten und eine Kontroll-Rückübersetzng sind nicht üblich.
Auch in Gesetzes- und Vertragstexten müssen die einzelnen Wörter aus sich selbst eindeutig sein und Mehrdeutigkeiten unbedingt ausschließen.
Deshalb ist es eine Katastrophe für die deutsche Sprache, daß durch die Rechtschreibreform gerade diese genauen Unterscheidungsmöglichkeiten und diese Freiheit für neue Wortbildungen als die charakteristische Eigenschaft des stark konsoziierten deutschen Wortschatzes abgeschafft werden sollen. Gezwungenermaßen entsteht dann eine inoffizielle zweite eindeutige Schreibweise, und es ist seht bedauerlich, daß in der übrigen deutschen Sprache die Mehrdeutigkeiten bleiben sollen und sogar neue geschaffen werden.
Ingenieure sind gewohnt, auch kreativ neue Begriffe zu schaffen, eben weil die bisherige deutsche Sprache diese Möglichkeit bietet. Für technische und kaufmännische Tätigkeiten können sich daher jederzeit neue feste Verbzusammensetzungen bilden. Es wird nicht durchsetzbar sein, das für die übrigen Bereiche zu verbieten.
Es ist beim Schreiben unzumutbar, fast jede Verbzusammensetzung im amtlichen Wörterbuch nachsehen zu müssen oder gar alle auswengizulernen. Man will seinen Verstand benutzen dürfen und unbekannte Verbzusammensetzungen so schreiben wie ähnliche oder gegenteilige bekannte. Soviel Logik muß erlaubt sein. Richtig gefährlich für die beschriebenen Gebiete sind Rechtschreibprogramme.

Bei „daher“, „dahin“, „daran“, „darein“ hilft die Trennbarketsprobe:
Modal: daherkommen, dahingehen, darangehen, dareinsetzen. Ortsangabe: daher kommen, dahin gehen, daran gehen, darein setzen, weil trennbar in: da herkommen, da hingehen, da rangehen, da reinsetzen.

Beispiele für nicht hinnehmbare neue Sin-Verwechselbarkeiten zwischen Modus und Ergebnis:
Er hätte sich besser gestellt.
Er will das ganz bewußt machen.
Er hat ihn völlig blau gehauen.
Der Neue hat sich ganz fein gemacht.
Sie wird das Kleid ganz fertig bekommen.
Er will den Vertrag ganz fix machen.
Er kann das Geld ganz flüssig machen.
Er will die Farben ganz frisch machen.
Er will die Standuhr gerade stellen.
Er will den Draht ganz geradebiegen (den ganzen Draht) – ganz gerade biegen (möglichst gerade).
Er kann das Brett glatt hobeln.
Er muß den Boden ganz hart klopfen.
Er konnte ihnganz knapp halten.
Er will den Hund ganz kurz halten.
Er wird die Haare ganz kurz schneiden und ganz kurz treten.
Die Arbeiter haben die Schienen ganz lahm gelegt.
Er kann ihm die Aufgabe ganz leicht, ganz schwer machen.
Sie haben sich ganz naß gespritzt.
Der Polizist hat ihn ganz ruhig gestellt.
Der Schreiner hat den Tisch ganz sauber gemacht.
Die Plastik ist dem Künstler sehr schwergefallen (sie war zu schwierig) – sehr schwer gefallen ( sie war zu schwer und ist runtergefallen).
Er hat seine Arbeit nicht schlecht gemacht.
Er will das für alle sichtbar machen.
Das Auto hat die Schlaglöcher nicht übel genommen.
Sie hat den Socken voll gestopft.
Sie ist wohl versorgt.
Er hat ihn ganz zufrieden gestellt.



Henning Upmeyer
Roseggerweg 10, 82140 Olching

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