Die Dinge-Bedingung
Interessant finde ich zunächst, was unmittelbar Herrn Wrases jüngste Erörterungen betrifft, daß die Wörter Zusage und Erschütterung an sich ja auch wie Versprechen, Beben Verbsubstantivierungen sind, wie das -ung an Erschütterung ja besonders deutlich macht (Ich werde zusagen, Die Reform läßt die Demokratie erschüttern). Aber das tut nun eigentlich in der aktuellen Diskussion nicht wirklich etwas zur Sache. Nur mal so als Zwischenanmerkung.
Die Empfehlung, den semantischen Zugang nur für die Übergangsfälle (im allgemeinen, im stillen, im klaren usw.) einzuführen, ist allerdings aus der Perspektive des unsicheren Schreibenden nicht besonders nützlich. Man müßte dann ja schon im voraus wissen, ob das Wort, von dem man sich gerade fragt, ob es groß oder klein geschrieben wird, zu dieser Gruppe von Fällen gehört im Zweifelsfall hilft dann ohnehin nur das Nachschauen im Wörterverzeichnis. Das ist wie mit den regelhaften ä-Stammschreibungen der Reform, die eben auch aus demselben Grunde als vereinzelte Schreibweisenänderungen nicht die geringste Hilfe darstellen, denn man muß ja letztendlich so oder so die Einzelfälle kennen. In Wirklichkeit ist es aber natürlich auch nicht zu umgehen, im Wörterverzeichnis nachzuschlagen, ob die fraglichen Substantive verblaßt sind, denn die Methode, sie klein zu schreiben, ist ja keine stringente (in Kürze, in Anbetracht usw.), d.h. nicht nur ist man immer gezwungen, bei Unsicherheit das Wort nachzuschlagen, es hilft auch die Kenntnis der Regel nichts, wenn man die Einzelfälle nicht weiß. Wohl aber hilft, es, sie sich besser einzuprägen, wenn man den Mechanismus kennt, der für sie verantwortlich ist.
Es ist auch tadellos im Sinne der Deskription, im Regelteil einfach zu äußern, daß es da eine gewisse Idee in der Orthographie gibt, die Sie, Herr Wrase, so nett anschaulich beschrieben haben (die Ambitionen des oft), die an einigen Einzelfällen üblich geworden und ja auch zur differenzierten Artikulation sehr gewinnbringend ist (Unterschied zwischen im allgemeinen als Formel und im Allgemeinen als konkret Gemeintes).
Mit dem recht diffusen Begriff wovon die Rede ist (wobei für den Unkundigen das mit Entitäten Gemeinte natürlich noch viel rätselhafter wäre) verhält es sich übrigens wiederum ganz ähnlich wie oben erwähnt: Dieser Merksatz leuchtet nur dann ein, wenn man eigentlich schon ziemlich genau weiß, was Substantive sind, bzw. wie die semantisch orientierte GKS beschaffen ist. Dann allerdings ist es eine wunderbare Klärung der Frage, aus welch merkwürdigen Gründen manche Substantive eben doch wieder klein geschrieben werden, was sich vor allem Schüler immer wieder fragen, aber auch andere, die dieses Phänomen schlicht für eines dieser verworrenen, kaum nachvollziehbaren Duden-Haarspaltereien halten. Wovon die Rede ist, das ist so schön einfach zu verinnerlichen; als Merksatz hervorragend geeignet.
Die Erläuterung folgenden Gedankens könnte diesen Merksatz aber noch veredeln: Normalerweise gibt es keine Sätze ohne Substantiv (sogar wenn ein Schriftsteller sich einwörtiger Ellipsensätze bedient, wie: Laufen! Hecheln! Schwitzen!, ist für den Leser wegen der Großschreibung am Satzbeginn gar nicht sicher, ob es sich überhaupt noch um Verben oder schon deren Substantivierungen handelt). Gewöhnliche Aussage- und Fragesätze sprechen, indem sie eine Aktion oder Relation zwischen Gegenständen (konkreten oder abstrakten) beschreiben. Aufgrunddessen kann man sagen: Verben drücken Aktionen aus (genauer bestimmt durch Adverbien), Präpositionen und Konjunktionen die Relationen, und die Substantive sind normalerweise die Gegenstände (genauer bestimmt durch Adjektive), eben die Dinge, von denen die Rede ist. Normalerweise! Manchmal übernehmen sie eben auch andere Rollen, und genau dann verdeutlicht das die Rechtschreibung in einigen üblich gewordenen Fällen, indem man sie klein schreibt: im allgemeinen, im stillen usw. als adverbiale Wortgruppe mit einem klein geschriebenen Substantiv.
Das könnte man vielleicht noch als genauere Erörterung, was mit den Dingen, von denen die Rede ist gemeint ist, im Regelteil erwähnen. Aber an sich ist das auch jetzt schon klarer als Herr Wrase befürchtet: Weil nämlich im Regeltext nicht nur von dem die Rede ist, wovon die Rede ist, sondern eben auch von den Dingen halt nicht von den Tätigkeiten oder den Verhältnissen. Unter den Dingen wird man sich wahrscheinlich eher weniger Verben vorzustellen geneigt sein, außer man denkt an Tätigkeiten im Sinne von Machenschaften als Dinge; diese Fehlinterpretation beim Leser meidend müßte wohl vorgesorgt werden. Und ist bei im allgemeinen von einem Ding die Rede? Wohl eher bei im Allgemeinen. Das wird also schon recht klar und paßt auch.
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