Warum die GZS der Reform nix taugt und Ickler es genau richtig macht
Schade, daß Wolfgang Wrase sich so leicht zu cholerischer Stimmung verleiten läßt; schade wäre auch, wenn er die Runde verließe, denn inmitten der Schwaden von Wutschnaub lassen sich ja stets sachlich interessante Punkte entdecken. Nicht mal vom versöhnlichen Humor eines Lachenmann läßt er sich zähmen, heißt ihn Nonsens, unangebrachte Albernheit dabei triefen seine eigenen Beiträge doch nur so von (waden)beißender Ironie und Sarkasmus. Allerdings befürchte ich, daß sich Reformbefürworter von dem Bild eines solch polternden Gegners leicht verschrecken lassen vielleicht will er das ja, wer weiß? Würde ich aber auch wieder schade finden, denn wie langweilig wären die Diskussionen hier ohne die Beiträge von Reformbefürwortern? Es macht doch immer wieder Spaß, sie zu widerlegen. Der Dialog sollte nicht zerschimpft werden. Wenn alle Reformbefürworter eines Tages bekehrt sein werden, wird die Reform zwangsläufig zurückgenommen werden, da sie keine Unterstützer mehr hat, das ist doch prima! Jedenfalls muß ich sagen, daß der Konsum dieses Gästebuches gewissermaßen so etwas von einer sog. Reality-Show atmet, bei der Kandidaten in Container gesperrt werden und man sie dann bei angeregten Diskussionen beobachten kann, nur daß dies halt etwas bescheidener statt Big Brother der kleine Streichelzoo ist, wie man inzwischen weiß. Die Gesichter der Kandidaten nicht zu kennen, macht die Sache noch viel spannender als im Fernsehen, das gleicht dem Lesen eines Buches. Eine vortreffliche Zerstreuung m.E.
Ein paar Zeilen hätte ich noch zum wiederaufgeflammten Gespräch um die schwere Greifbarkeit der gängigen GZS.
Sehr ausführlich wurde an diesem Ort schon erörtert, daß es bei dem Phänomen der deutschen GZS nach allgemein anerkanntem Muster verschiedene Motive gibt, die zu einer Verschmelzung der Bestandteile führen können. Um diese Informationsvielfalt in die eine binäre Methode von einem Bit Breite zu kodieren, müßte man schon zaubern können. Denn genau zwei Möglichkeiten bietet die Methode GZS: getrennt oder zusammen. Da die getrennte Schreibweise sozusagen die normale ist, wird der gebundenen gewöhnlich eine besondere semantische Bedeutung beigemessen. Das ist der Grund, warum man überhaupt zusammenschreibt. Die Kriterien, die die Reform in dieses Gebiet gebaut hat, sind also nicht nur künstlich, sondern auch völlig nutzlos. Sie sind reine Selbstzweckbestimmungen, nichts weiter. Wirkliche Information ist in der Zusammenschreibung bei ihr nicht mehr gespeichert, höchstens darüber, ob z.B. der erste Bestandteil steigerbar ist oder nicht. Wen interessiert das? Was trägt das zum Textinhalt bei? Im bisher üblichen und auch sinnvollen Gebrauch, der sich eben wegen seines Sinns auch ergeben hat, haben die einzelnen Wörter in Einzelfällen unterschiedlich denkbare Motive, die zur Zusammenschreibung anspornen könnten. Deshalb ist es unsinnig, eine grobe Form über diese Individualitäten zu stülpen, und damit die semantisch bedingten Besonderheiten abzuschneiden. Und deshalb ist es völlig folgerichtig, daß Wörter mit verschiedenen Bedeutungen auch verschiedene Gesetzmäßigkeiten zur Frage der Zusammenschreibung aufweisen, schließlich kann pro Wort(bedeutung) nur eines der möglichen Motive dasjenige sein, welches der Grund für eine Univerbierung ist. Die Sprache ist einfach zu komplex, um das auf so einfache Regeln bringen zu können, daß diese etwa hilfreicher sein sollten als die reine Gewöhnung an die Textrealität und Vertrauen auf die Sprachintuition, die solche Feinheiten in der Rede doch auch durch Betonung auszudrücken weiß.
Die Textrealität wird in einem Wörterbuch verzeichnet, wie es unser verehrter Professor Ickler hervorgebracht hat. Regeln, wo und inwieweit Regeln in der Realität zu beobachten sind, sind dort ebenfalls zu finden. Insofern hat man damit als Normalverbraucher eigentlich alles, was man zum orthographisch korrekten Schreiben braucht. Die fakultativen Zusammenschreibungen alle getrennt zu schreiben, ist zwar einigermaßen sonderbar, wäre aber nicht wirklich falsch, da auch sonst beizeiten anzutreffen. Einziger Haken ist bisher noch, daß man natürlich auch noch erklären müßte, in welchen Fällen bei all den Wörtern Zusammenschreibung eigentlich überhaupt nur auftreten darf. Aber daran wird ja offensichtlich schon gearbeitet. Wer mehr über die Wörter wissen will, nun, der soll sich halt ein richtiges Wörterbuch dazukaufen, mit Etymologie, Stilschicht usw., aber das sind eben noch andere Themen als Rechtschreibung, und das Rechtschreibwörterbuch ist eben ein Rechtschreibwörterbuch.
Man vernimmt auch immer wieder den Einwand, zuviel Einzelfallfestlegung in der GZS wäre eine unzumutbare Lernhürde. Das gilt aber nur zum Teil. Den Grund, das Motiv, aus dem normalerweise Zusammenschreibung eintreten sollte, für jedes Wort, das man in seinem Wortschatz hat, zu kennen, ist kein Problem. Wie gesagt, in der Betonung beim Sprechen drücken sich meist die gleichen Differenzierungen aus wie in der GZS, auch wenn man nicht auf eine allgemeingültige Fomel bringen kann, welche Betonungsmuster nun der Zusammenschreibung entsprechen. Jeder, der diese nicht unwichtigen Ausdrucksformen der deutschen Sprache kennt, die ja nicht erst in der Schriftsprache auftauchen, kann auch mit ihrer Kodifizierung in der Schreibung zurechtkommen. Da es sich bei den zusammengeschriebenen Versionen meist um leicht bis schwer eigene Bedeutungen handelt (die oft weit mehr als nur eine Nuance ausmachen), werden sie normalerweise auch als ganze Wörter memoriert, die man als solche im Wörterbuch nachschlagen könnte was ja bisher auch der Fall war. Die Annahme, ein der deutschen Sprache Mächtiger würde nicht begreifen, daß sogenannt mehr als ein zufälliges Partizip von so nennen ist, kann man wohl getrost als extrem realitätsfremd bezeichnen. Das gleiche gilt für andere Fälle von üblicher Zusammenschreibung, so wird auch kennenlernen sicherlich von den allermeisten Sprachteilhabern bzw. -nehmern als eigenständiges Verb mit natürlich eigenständiger Bedeutung empfunden, richtig so. Es ist eigentlich wirklich kurios; ich verstehe kaum, was manche Menschen so toll daran finden, vieles davon nur noch getrennt schreiben zu dürfen.
Christian Melsa 22149 Hamburg
|