Richtigstellung fertiggestellt
Herr Jansen, man kann sich für jeden Bereich der Rechtschreibung irgendwelche Proben einfallen lassen. Sie werfen die völlig unterschiedlichen Phänomene der Zusammenschreibung und der Stammschreibung, in diesem Fall der gleichbleibenden Konsonantenhärte im Schriftbild sowohl bei Singular als auch bei Plural, einfach in einen Topf. Man kann doch erkennen, daß auch mit der neuen Regelung der GZS versucht wurde, ein Modell zu erstellen, das dem bisherigen Gebrauch in den meisten Fällen gleicht. Doch die innere Konstruktion hat an bestimmten Stellen eben überhaupt nichts mit dem eigentlich Grund zu tun, aus dem es in der Sprachgeschichte zur Zusammenschreibung gekommen ist. Das Motiv zur Zusammenschreibung war doch niemals das, weil der erste Bestandteil nicht steigerbar ist. Der Grund zur Entstehung von Komposita ist und war immer eine semantische bzw. strukturell-funktionale Eigenständigkeit, deswegen läßt man den Zwischenraum weg, der sonst jedes Wort vom nächsten trennt, um eben auszudrücken, daß diese verschmolzene Einheit nicht das gleiche ist wie die Bestandteile einzeln. Wieso sollte da ein -ig, -isch-, -lich eine Rolle spielen oder die Frage der Erweiter- und Steigerbarkeit? Das sind gänzlich andere, eben rein grammatisch-formale Kriterien, die die Sprache in ein Korsett zwängen, das genau das Gegenteil von Fortschrittlichkeit bedeutet. Weil die Schreibweisenänderungen im Vergleich zum Gewohnten zuerst wie erlaubte Fehler erscheinen, wird die Reform von vielen Leuten wohl für besonders liberal gehalten, aber sie ist ja in Wahrheit das genaue Gegenteil davon. Die jungen Triebe des uralten Gewächses Sprache werden mutwillig abgekappt von einer verschwindend geringen Minderheit Sprachnutzer. Das ist einfach mit modernen Gesellschaftsparadigmen nicht in Einklang zu bringen, das gleicht dem Verhalten der Katholischen Kirche des Mittelalters, das mit gutem Grund die wahren Reformatoren wie Wiclif, Luther, Calvin usw. zu ihrem Wirken anstachelte.
Was Sie zur Rettung von fertigstellen und richtigstellen im Kontext der Neuregelung anführen, ist einfach falsch. Ich will Ihnen das noch einmal genau darlegen, und ich bleibe dabei ganz dicht am Regeltext, indem ich ihn hier einfach zitiere:
An der Regeladresse §34 E3 findet man die Aussage:
In den Fällen, die nicht durch §34(1) bis (3) geregelt sind, schreibt man getrennt. Siehe auch §34 E4.
Wir greifen also mal kurz voraus und schauen, was unter §34 E4 steht:
Lässt sich in einzelnen Fällen der Gruppe aus Adjektiv + Verb zwischen §34(2.2) und §34 E3(3) keine klare Entscheidung für Getrennt- oder Zusammenschreibung treffen, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, ob er sie als Wortgruppe oder als Zusammensetzung verstanden wissen will.
Sie lesen das anscheinend so:
Lässt sich in einzelnen Fällen der Gruppe aus Adjektiv + Verb zwischen §34(2.2) und §34 E3(3) eine eindeutig klare Entscheidung für Getrennt- oder Zusammenschreibung treffen, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, ob er diese Regeln ignorieren und die Fälle von diesen unabhängig als Wortgruppe oder als Zusammensetzung verstanden wissen will.
Denn die Fälle fertigstellen und richtigstellen sind durch die genannten Regeln eindeutig abgedeckt. Betrachten wir dazu die hier relevanten näheren Ausführungsbestimmungen des eingangs genannten §34 E3 für Adjektiv + Verb:
(3) Adjektiv + Verb, wenn das Adjektiv in dieser Verbindung erweiterbar oder steigerbar ist, wenigstens durch sehr oder ganz, zum Beispiel:
bekannt machen (etwas noch bekannter machen, etwas ganz bekannt machen), fern liegen (ferner liegen, sehr fern liegen), fest halten, frei sprechen (= ohne Manuskript sprechen), genau nehmen, gut gehen, gut schreiben (=lesbar, verständlich schreiben), hell strahlen, kurz treten, langsam arbeiten, laut reden, leicht fallen, locker sitzen, nahe bringen, sauber schreiben, schlecht gehen, schnell laufen, schwer nehmen, zufrieden stellen
Fälle, in denen der erste Bestandteil eine Ableitung auf -ig, -isch, -lich ist, zum Beispiel:
lästig fallen, übrig bleiben; kritisch denken, spöttisch reden; freundlich grüßen, gründlich säubern
Hier ist zunächst einmal anzumerken, daß wir beide trotz eingängiger Beschäftigung mit dem Regelwerk die Endungen -ig, -isch, -lich mit -ig, -lich, -lisch verwechselt haben, es müßte statt -lisch also eigentlich -isch heißen. Wie gut, daß das keine verwirrende und schwer einprägbare Regel ist (Ironie!)...
Kann man nun in Hinblick auf §34 E3 (3) die Adjektive fertig und richtig nun steigern, wenigstens durch sehr"oder ganz, ja oder nein? Hören diese Wörter mit -ig auf, ja oder nein? Sind diese Fälle also in Hinblick auf §34 E4 zwischen §34(2.2) und §34 E3(3) klar geregelt, ja oder nein?
Es widerspricht nun einmal klipp und klar dem Regelwerk, fertigstellen und richtigstellen zusammenzuschreiben, da können Sie sich auf den Kopf stellen. Wenn Sie das Regelwerk an dieser Stelle ignorieren wollen, bitteschön. Doch dann sollten Sie das auch offen zugeben und nicht versuchen, Dinge dort hineinzulegen, die einfach nicht darin sind. Sie haben sich ja bisher trotz Nachfrage nicht zu Ihrem Beruf geäußert, ich kann nur inständig hoffen, daß Sie nicht Richter sind.
Interessant ist ja nun, daß Sie aus irgendeinem Grund es doch für vernünftig halten, diese Wörter zusammenzuschreiben. Das reformierte Regelwerk läßt sich dazu nicht heranziehen, quod erat demonstrandum. Überlegen Sie doch einmal, was Sie dazu bewegt, diese Wörter zusammenschreiben zu wollen selbst wenn Sie immer noch glauben mögen, diese Freiheit durch §34 E4 gestattet zu bekommen, muß es ja einen Grund haben, daß Sie sie sich nehmen. Hat das irgend etwas mit der Steiger- oder Erweiterbarkeit des ersten Bestandteils zu tun? Wahrscheinlich doch nicht, oder?
Portmonee geht zwar nicht zwingend aus einer Regel hervor, aber es widerspricht auch keiner zwingenden Regel, was die behandelten Fälle demgegenüber tun. Es handelt sich hier zudem freilich wieder um ein ganz anderes Feld, nämlich die Fremdworteindeutschung, die tatsächlich weniger von der traditionellen Sprachentwicklung abweicht als andere Bereiche der Reform. Eingedeutsche Fremdwörter müssen natürlich, wenn es ordnungsgemäß zugeht, zunächst immer erst nur als Nebenvariante angeboten werden, um zu testen, ob sich die Schreibweise im Gebrauch bewähren kann und so durchsetzt. Der Bestand hat gegenüber der Veränderung in der Rechtschreibung, in der gesamten Sprache, immer den Vorrang, solange keine neuen semantischen Inhalte eingeführt werden. Das hat nichts mit Konservativismus im Sinne von verkrusteter Besitzstandswahrung zu tun, sondern mit der Pflege von Sprachfunktionalität, wo Begriffe so gut es geht sowohl wiedererkennbar als auch eindeutig bleiben sollen und jede Verwirrung zu vermeiden ist. Dabei kann man nicht mit Gewalt die Zustände auf diejenigen längst vergangener Zeiten zurückdrehen, denn somit würde vom gegenwärtigen Zeitpunkt aus gesehen wieder Verwirrung entstehen. Die sogenannte alte Rechtschreibung ist aber noch lange nicht Teil der Vergangenheit, sondern sie ist sogar lebendiger als die neue nur nicht in der Scheinrealität, mit der uns die Medien einlullen wollen, um unsere Meinungen steuern zu können, um uns berechenbar zu halten, uns Zügel anzulegen, immer fleißig die Produkte der Werbekunden zu kaufen.
Übrigens, zu Ihrem letzten Beitrag, inn dem Sie die bissherige ss/ß-Regelung für eine Ausnahme der Konnsonantenverdoppelung hallten...
Christian Melsa 22149 Hamburg
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