Die “Hand voll³ fest im Griff
Ich bitte um aller Nachsicht, aber ich möchte doch noch einmal auf das Phänomen Jansen und Rechtschreibregeln eingehen, weil es mir so unbegreiflich scheint. Aus der Aufklärung solcher Phänomene kann man oft etwas lernen, und das ist in meinen Augen einen solchen Versuch wert (selbst auf die Gefahr hin, daß man u.U. über das Niveau eines hanebüchenen Geplänkels nicht hinauskommt). Ich habe es immer auch schon als Schüler als unerträglich empfunden, wenn man Regeln über die Sprache stellte (und ich hätte auch meine nicht überragenden aber sehr hilfreichen Fremdsprachenkenntnisse nie und nimmer über das Studium von Regelwerken erwerben können da sträubt sich in mir einfach alles). In meinem von Fachkenntnissen weitestgehend ungetrübten Laienverständnis bilden die Sprachen sich ihre Regeln selbst und Sprachwissenschaftler können versuchen, sie ihnen mehr oder minder zutreffend abzulauschen. (Natürlich können diese abgelauschten Regeln dann ihrerseits Einfluß auf die weitere Sprachentwicklung ausüben; aber das werden sie dauerhaft nur dann können, wenn sie der inneren Struktur, dem Charakter der Sprache, aber auch ihrer spezifischen Dynamik, nicht entgegenstehen.) Von diesem Verständnis von Sprache ausgehend erscheint es mir wirklich als phänomenal, auf einen Menschen zu treffen, der von sich behauptet, genau umgekehrt vorzugehen: Er geht von einem Regelwerk aus und nimmt es in sich auf in einer Vollkommenheit (Herr Dräger hat sein Erstaunen darüber hier schon zum Ausdruck gebracht), daß er damit die Urheber der Regeln und alle ihre Interpreten in Wörterbuchredaktionen etc. weit in den Schatten stellt: Er erklärt einige Interpretationen der Urheber der Regeln für glatt falsch! Ich halte das für ungeheuer spannend: Um so überhaupt auch nur ansatzweise denken zu können, muß man dem Regelwerk in meinen Augen eine schon geradezu überirdische Bedeutung beimessen. Ich war bislang unfähig, es auch nur ein einziges Mal in seiner Gänze zu lesen, aber unbeeindruckt war ich davon nicht: § 716 a) aber mit E1, wenn nicht E4, dann E3, bis auf die Fälle X, Y, Z, dann immer E4 in Zweifelsfällen siehe Wörterliste! Grandios! Ich betrachte einfach die Auswirkungen: Die von mir hier zitierten, in höchstem Maße pathologischen masochistischen Neigungen (das Zermörsern der eigenen Hand aber immerhin mit Salbei!) hatte Wolfram Siebeck vor der Rechtschreibreform nie nicht ein einziges Mal! Es ist ein klares Resultat der RSR, es steht heute in allen Wörterbüchern, und dieses Resultat ist .... (denke sich hier jeder das drastischste Wort der Ablehnung aus, das sein Feingefühl gerade noch zuläßt genau das wollte ich hier schreiben!)! Solche Resultate, die beim Lesen Schmerzen verursachen, produziert die RSR zuhauf! Sie sind ein Resultat der Regeln, deren verbesserter Interpretation Herr Jansen so ungeheuer viel zutraut. Der Wortschrott, der seit der Rechtschreibreform überall drastisch vermehrt hervorquillt, wird eingedämmt durch verbesserte Interpretation der Regeln, die ihn ausgelöst haben?! Viel eher, sehr geehrter Herr Jansen, und viel schneller, als sie dem mit Neuinterpretationen begegnen könnten, (zer)stört diese RSR das Wertvollste, das es in meinen Augen im Umgang mit Sprachen gibt: das Gefühl, in ihnen zu Hause zu sein, selbst darauf lauschen zu können, was geht und was nicht! Und solange in den Wörterbüchern dieser hanebüchene Unsinn steht, der zu der Hand voll 20-jähriger Soldaten führt, die als 30-Jährige mit unzureichenden Absch(l)usssalden überhand nehmen und daraufhin Mitfühlenden Leid tun, muß die Ursache solchen Mißstandes bekämpft werden und nicht einfach ihre Interpretation!
Dr. Wolfgang Scheuermann
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