Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Substantive: semantischer Aspekt
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Substantive: semantischer Aspekt
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Wolfgang Wrase
10.02.2001 20.39
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Mißverständnis?

Moment mal! Ob die Mißverständnisse an mir liegen? Ich wäre mir da nicht so sicher. Ich habe ziemlich deutlich gesagt, daß ich selbst in meinem letzten Beitrag eine semantische Perspektive einnehme. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Ebene „Textlinguistik“ schwer verständlich ist, während Semantik und Grammatik dem Benutzer näher liegen. Wenn ich mich so schwer mit der Formulierung „wovon die Rede ist“ tue, möchte ich bezweifeln, daß die anderen Benutzer damit so gut klarkommen werden, wie sich das der Verfasser wünschen sollte. Die letzten Beiträge von Herrn Melsa bestätigen das: Er sagt wiederum, es handle sich bei „Redegegenständen“ nur um das Dingliche. Das entspricht dem Vorwurf des Zirkelschlusses: Es soll sowieso nur von Substantiven die Rede sein. Damit wäre die Textlinguistik übrigens auch wieder nur Grammatik. So ist es aber nicht gemeint.

Ich finde es eben nicht günstig, eine Perspektive regelartig zu formulieren (im ersten Teil, das stimmt; im zweiten Teil ist das Problem weniger da), die zu solchen Schlußfolgerungen führt, die für den Benutzer absurd sein müssen: In dem Satz „Ich liebe dich“ ist von nichts die Rede, aber in dem Satz „Er kommt in Kürze“ ist von etwas die Rede – nämlich von der Kürze! Der normale Mensch kann die Formulierung „wovon die Rede ist“ nur sematisch mißverstehen; deshalb möchte ja Herr Melsa ja auch nochmals schnell die nichtsubstantivischen Wortarten ausgeschlossen wissen. Dabei ist die Definition auf Seite 21 umgekehrt: Redegegenstand sei, „wovon in dem Text die Rede ist“. Es wird also gerade das Dingliche aus dem Begriff wegdefiniert.

Zu meinem Beispielsatz, den ich natürlich nur ironisch als „Geschichte“ bezeichnet habe, ist zu sagen, daß derjenige, der jedes auftauchende Substantiv zum Redegegenstand erklärt, banale Bestandteile als Schwerpunkt des Textes darstellt. Für mich hat das „liebt“ in meinem Beispielsatz jedenfalls mehr Gewicht als die „Kürze“ in der Floskel „die Kürze“. Die Bemerkung, daß eine Tendenz zur Kleinschreibung „in kürze“ vorhanden sei, ist nicht völlig falsch, erscheint mir aber doch als schwache Ausrede. Es geht doch vielmehr darum, warum so gut wie immer „in Kürze“ geschrieben wird, aber – laut Wörterbuch, das ist nämlich viel eher unsicher – „im allgemeinen“, obwohl nach der Definition des Wörterbuchs beidesmal ein Substantiv vorliegt. Sie fragen nun blauäugig: Warum sollte man eine Wortart klein oder groß schreiben? Ich frage zurück: Wenn „in Kürze“ nicht einmal einen Artikel hat, dann müßte es ja noch eher hier dem angeblich regierenden Prinzip der Kleinschreibung wegen thematischer Herabstufung anheimfallen als „im allgemeinen“. Das ist aber nicht so. Deshalb ist die Darstellung "... daher wird auch dies klein geschrieben“ falsch, solange sie sich auf alle Substantive bezieht (wenn man davon ausgeht, daß Kürze und Allgemeines hier einen vergleichbaren Grad von Redegegenstand-Qualität haben; das tue ich).

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Christian Melsa
10.02.2001 18.43
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Übrigens, natürlich würde die deutsche Sprache selbst bei durchgängiger Kleinschreibung nicht sofort völlig unverständlich werden; ich stelle das ja selber fest, wenn ich im Internet chatte, da benutze ich die Shift-Taste nämlich so gut wie nie – aber das ist ja auch ein interaktives Echtzeitmedium, und man spricht in sehr kurzen Sätzen. Zwar sind diese oft gerade sehr umgangssprachlich formuliert, wodurch bestimmte schriftsprachlich unübliche syntaktische Stellungen sogar häufig vorkommen, aber gerade dann fällt immer wieder auf, wie doppeldeutig diese Äußerungen sind. Aber Chats nehmen ja eine sehr spezielle Position ein, die sind sowieso total chaotisch; nicht gerade ein Vorbild für gute Prosa. Mit normalen Texten läßt sich das kaum vergleichen, erst recht nicht mit massenhaft publizierten, die vom Leser möglichst bequem und zügig aufnehmbar sein sollen.

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Christian Melsa
10.02.2001 18.23
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Für Herrn Wrase und andere müßte wohl deutlicher hervorgehoben werden, daß es bei dem Merksatz „wovon die Rede ist“ um die Dinge geht, im Unterschied zu Tätigkeiten, Verhältnissen oder Eigenschaften, von denen in einem Satz auch die Rede sein kann. Aber wie soll man das kurz und bündig formulieren, ohne dann andererseits wieder ein falsche Interpretation zu fördern, Substantivierungen von Verben usw. würden demnach klein geschrieben?

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Theodor Ickler
10.02.2001 14.48
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Lieber Herr Wrase,
natürlich reden wir aneinander vorbei, und Ihr letzter Beitrag läßt auch erkennen, woran das liegt: Sie unterstellen mir beständig, mit dem, „wovon die Rede ist“, die „wesentliche Information“ oder „semantisch Wertvolles“ zu meinen. Das ist aber nicht so, und ich erkläre es ja auch. Es ist nur etwas ungewohnt, das gebe ich zu.
Die Hierarchie ist so, wie ich sie angelegt habe. Der textlinguistische Gesichtspunkt ist der übergeordnete, erst dann kommt die Wortart. Es geht eben im Deutschen primär NICHT darum, eine bestimmte Wortart auszuzeichnen – warum sollte man?
Wenn an meinem Gedanken etwas Richtiges ist (ich glaube, Harald Weinrich hat ihn auch schon vor langer Zeit einmal ausgedrückt), dann kann die Anordnung nur so sein. Die Substantive kommen ja auch nicht zu kurz, in den Hauptregeln geht es gleich unter Nr. 1 los: „Substantive werden groß geschrieben.“ Was wollen Sie mehr? Der rklärende übergeordnete Gesichtspunkt steht im Vorspann zu den einzelnen Nummern. Dort gehört er hin. Natürlich kann der Benutzer aus diesem Vorspann noch keine konkreten Schreibweisen ableiten, das wird er auch bei der großen Allgemeinheit der Formulierung weder erwarten noch versuchen.

Bei „in Kürze“ gibt es sicher eine Neigung zur Kleinschreibung (wie bei „zurzeit“ usw.). Wenn Sie oben auf der Nachrichtenseite mal nachschauen, wie unser Freund Michel Jansen am heutigen Tage schreibt, dann werden Sie da auch etwas Interessantes bemerken ... Das sind halt so Übergangserscheinungen, alle unter dem Druck des von mir artikulierten obersten Grundsatzes.

Abgesehen davon, daß „Das Mädchen liebt Blumen“ weder eine Geschichte noch ein interpretierbarer Satz ist, so daß man eigentlich noch gar nicht sagen kann, wovon der Satz bzw. die Geschichte handelt, würde ich kühn behaupten: am ehesten von einem Mädchen und Blumen. Das ist viel sicherer, als daß er von der Liebe handelt! Auf welche Fragen könnte er denn antworten? Zum Beispiel diese: Warum stehen denn im Zimmer dieses Mädchens so viele Blumen? Antwort: Das Mädchen liebt Blumen. – Das ist doch keine Geschichte über die Liebe, sondern über das Mädchen und die Blumen. Man könnte auch die Blumen zur Aussage ziehen: Können Sie mir etwas Näheres über das Mädchen sagen? Nun, das Mädchen liebt Blumen. – Ebenfalls keine Geschichte über Liebe, sondern über das Mädchen und Blumen, nicht wahr?

Schade, daß das Wirtschaften mit isolierten selbstgemachten Sätzen immer noch üblicher ist als die Einbeziehung der Textlinguistik, die uns eigentlich viel näher liegen müßte.

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Wolfgang Wrase
10.02.2001 13.34
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Frage der Gewichtung

Sehr geehrter Herr Professor Ickler,

wir reden unnötig aneinander vorbei. Ich habe nichts dagegen, daß der Sinn der sog. Substantivgroßschreibung im Regelteil erklärt wird – das ist sehr gut und nützlich. Er dient zur Erklärung der formalen Ausnahmen von der Substantivgroßschreibung. Aber Sie nennen doch das Ganze „Hauptregeln der Rechtschreibung“, und da sollte man zunächst nicht den Sinn einer Regel so formulieren, als ob dies die Regel selbst sei. Es ist hier nämlich so, daß die groß geschriebenen Substantive zwar einen sehr guten Überblick darüber verschaffen, wovon in dem Text die Rede ist; aber einerseits werden Substantive bei der Großschreibung mit hervorgehoben, die auch nicht mehr ausdrücken als z. B. ein schlichtes Adverb (in Kürze = bald), und andererseits verbirgt sich noch ein guter Teil ebenso wesentlicher Information in anderen, klein geschriebenen Wörtern.

Das heißt, die regelförmige Formulierung „Groß schreibt man, wovon die Rede ist“ ist (auf semantisch „unwesentliche“ Substantive bezogen) überzogen, zu stark verallgemeinert; und andererseits greift sie zu kurz, weil semantisch Wertvolles der Formulierung geopfert wird, nur weil es nicht als Substantiv auftritt. Ich bleibe hier bei einer semantisch orientierten Perspektive: Wer sagt „Peter kommt bald“, sagt dasselbe wie derjenige, der formuliert: „Peter wird in Kürze eintreffen“. Der eine wie der andere reden, semantisch gesehen, über die Kürze der Zeit bis zum Eintreffen, oder aber sie reden nicht darüber, wenn man sich auf das Wichtigste konzentriert. „Das Mädchen liebt Blumen“ – ist das eine Geschichte über ein Mädchen, über ein Mädchen und Blumen – oder über ein Mädchen, Blumen und die Liebe? Oder ist es vielleicht einfach eine Geschichte über die Liebe?

Der Sinn der Großschreibung von Substantiven bleibt auch dann bestehen, wenn „unwesentliche“ Substantive ebenfalls groß geschrieben werden, und auch, obwohl das Verb und andere Wörter ebenfalls viel darüber zu sagen haben, wovon der Text handelt. Daß die Substantive als Wortart am geeignetsten sind, liegt vielleicht an einer Eigenschaft, die hier mit „Dinglichkeit“, „was es gibt“ versucht wurde zu beschreiben: die „Akteure“, die miteinander in Interaktion treten oder über die etwas gesagt wird, das sagt schon eine ganze Menge aus.

Ich sehe jedenfalls nicht, wenn wir von Ihrer Definition ausgehen, was der Unterschied zwischen „im allgemeinen“ und „in Kürze“ sein soll. Die Rechtschreibung möglichst verständlich zu beschreiben würde hier doch ganz gut gelingen, wenn wir zunächst einmal davon ausgehen, daß Substantive groß geschrieben werden; dann den Sinn dieser Großschreibung anfügen (ich redete im letzten Beitrag darüber, wie man diesen Regelteil beginnt, nicht darüber, was er enthalten soll), um die Erscheinungen „im allgemeinen“ und ähnliche plausibel zu machen. Aber auch hier meine ich, daß eine grammatische Kategorie nützlich wäre, eben wegen der Gleichartigkeit des Ausdrucks „in Kürze“ aus semantischer Sicht. (Es ist ja sogar so, daß „in Kürze“ keinen Artikel enthält, wohl aber „im allgemeinen“.)

Sie sagten selbst, Sie wollten der üblichen Darstellung einen Aspekt, eine Tendenz, eine Begründung hinzufügen. Gerne! Ich finde nur die Gewichtung (die Reihenfolge, die Hierarchie) problematisch und, wie ausgeführt, mißverständlich. Das letztere – die Verständlichkeit – war der zweite Grund, warum ich dafür bin, die Rede vom Gegenstand der Rede etwas herabzustufen; und andererseits die gut verständlichen grammatischen Kategorien „Substantiv“ vs. „substantivierte“ andere Wortarten nicht außen vor zu lassen.

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Theodor Ickler
10.02.2001 07.21
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Lieber Herr Melsa,
Ihre Ausführungen laufen auf die bekannte These des Germanisten Hotzenköcherle hinaus, daß Substantivgroßschreibung und deutsche Syntax sich gegenseitig bedingen. Diese These ist nach wie vor sehr umstritten und läßt sich kaum beweisen. Aber unzweifelhaft gibt die Großschreibung eine zusätzliche Hilfe beim Erfassen des deutschen Satzes. Warum soll man darauf verzichten? Übrigens stehen andere Erklärungen mit meiner eigenen („wovon die Rede ist“) nicht im Widerspruch. Sie sind über meine Auffassung von der Rolle der Substantive vermittelt.

Was die Pronomina betrifft, so möchte ich noch auf die eigenartige Erscheinung hinweisen, daß das Dehnungs-h nach i praktisch nur in den Pronomina (ihn, ihm, ihr usw.) vorkommt, so daß diese Wörtchen sehr deutlich gekennzeichnet sind. Das hat sich wohl auch niemand so überlegt, es hat sich einfach herausgebildet. Demonstrativa haben durch das meist vorangehende d- ebenfalls eine leicht erkennbare Gestalt.

Roemhelds Ausführungen über das „Blickfang-h“ lassen sich auf manche anderen Bereiche ausdehnen. (R. hat beobachtet, daß sinntragende Wörter fast immer einen Ober- oder Unterlänge haben und daß sogar ein unetymologisches h eingefügt wird, um dies zu gewährleisten; darum wirkt das neuschreibliche „rau“ so falsch. Funktionswörter können darauf verzichten: an, er, in, zum usw.) Man hat ja neuerdings beobachtet, daß Verschlußlaute überwiegend auch durch Buchstaben mit Ober- bzw. Unterlängen dargestellt werden, also Barrieren, Obstruenten im Band des Geschriebenen: vgl. b, d, g, k, p, t mit m, n, r, s. Ausnahmen gibt es natürlich, aber die Tendenz ist unverkennbar. Zufall?
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Th. Ickler

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Christian Melsa
10.02.2001 06.26
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Warum in aller Welt man Substantive im Deutschen groß schreibt?

...Wo doch in aller Welt sonst anders verfahren wird? Die GKS gleicht die flexible Syntax der deutschen Sprache und die zudem in der Schrift fehlende Betonung bzw. Satzmelodie aus. Im Englischen z.B. hat man ewig das starre Subjekt-Prädikat-Objekt-Schema. Da dort die Flexionen auch nicht gerade besonders abwechslungsreich ausfallen, wäre es ohne so eine festgefügte Syntax ziemlich problematisch für den Leser, in einem Satz auf Anhieb die Wortarten zu erkennen, was zu seinem korrekten Verständnis nun mal unabdingbar ist. Und ähnlich unübersichtlich wäre das ebenso im Deutschen, wo man eben tatsächlich die Satzglieder in allerlei Variationen anordnen kann. Die GKS im Deutschen macht dem Leser da sehr komfortabel deutlich, an welchen Punkten ein Satz aufgespannt ist (und die Familie der Personalpronomen ist kaum mit anderen Wortarten verwechselbar). Die Verweise der Reformer, die am liebsten die sog. „gemäßigte Kleinschreibung“ eingeführt hätten, auf andere Sprachen, in denen das doch auch ohne Probleme so gehandhabt werde, stützen demnach nicht gerade die Annahme, sie wären so außerordentlich kompetent als Sprachforscher, daß sie für 100 Millionen Menschen ungefragt die Schriftsprache umschmieden dürften – wenn ihnen so fundamentale Unterschiede zwischen den Sprachen zu entgehen scheinen. Oder vielleicht kümmerte sie in Wirklichkeit die stark verringerte Lesefunktionalität auch gar nicht so sehr. Oder sie hatten insgeheim als nächstes ohnehin vor, die Syntax zu reformieren.

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Theodor Ickler
10.02.2001 05.49
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Der Unterschied unserer Meinungen, lieber Herr Wrase, ist wohl der, daß ich glaube, ein wenig Einsicht in das System vermitteln zu müssen und zu können, während Ihnen eine klare Darstellung des nun einmal Hinzunehmenden genügt. Ob aufs Ganze gesehen sich die eine oder die andere Vorgehensweise bewährt, muß man abwägen. Wenn Sie die konventionelle These von der Substantivgroßschreibung über den Befund stülpen, müssen Sie nicht nur die sehr gewichtigen Ausnahmen in beiden Richtungen – wie dargelegt – bewältigen, sondern beschwören auch die Frage herauf: „Warum in aller Welt?“ – und damit die ewig-gestrige Meute der Kleinschreiber und Angleicher an die Nachbarvölker usw. Substantivgroßschreibung an sich erscheint willkürlich. Bei mir hingegen steht sie mit einer Begründung da, und das verschiebt die argumentative Lage ein ganzes Stück zu unseren Gunsten. Was man eher einwenden könnte, wäre eine übertriebene Kürze meiner Darstellung. Die Lakonie macht den Leser beim ersten Mal stutzig, wie es ja sogar Ihnen ergangen ist. Aber das ließe sich beheben. In den schwierigen Testfällen „des öfteren“ usw. bewährt sich meine erklärende Darstellung.
(Exkurs zur Kürze: Die kürzeste Darstellungsweise aller Zeiten hat der altindische Grammatiker Panini entwickelt, mit dem ich mich jahrelang beschäftigt habe. In dessen Schule gibt es ein Sprichwort: Der Grammatiker freut sich über jede eingesparte Silbe wie über die Geburt eines Sohnes (was in Indien viel heißt!). Das hat meine Idealvorstellung natürlich beeinflußt.)
Das Beispiel mit der Buchstabenverdoppelung sollte auf einem anderen Gebiet den Vorzug einer erklärenden Darstellung beweisen. Mit einem wiederholten „Das macht man eben so“ werden wir auf die Dauer keinen Blumentopf gewinnen, auch wenn der augenblickliche Gewinn beim spontanen Nachschlagen in die Augen fällt.
Ich strebe, lieber Herr Wrase, langfristig auf einen veränderten Umgang mit der Orthographie, eine andere Einstellung und natürlich vor allem andere Lehre (in der Schule). Das hängt auch mit meinem Entstaatlichungsprojekt zusammen. „Rechtschreibung für freie Menschen“ hieß mein Vortrag in der Bayerischen Akademie der schönen Künste vor einigen Jahren. Das Recht auf Einsicht – so könnte ich auch titeln.
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Th. Ickler

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Wolfgang Wrase
10.02.2001 00.21
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Warum ich Lippe mit zwei p riskiere?

Weil man das so macht. Das machen die anderen so, also mache ich es auch so. Die anderen schreiben die Substantive groß, also mache ich es auch so. Im Englischen macht man es anders, und da lasse ich das bleiben mit der Großschreibung von Substantiven ... Mir ging es nur um die Verständlichkeit für den Benutzer des Wörterbuchs. Der würde sich eher den obigen Begründungen wiederfinden können als in der Aussage, er schreibe Substantive deshalb groß, weil sie etwas ausdrücken, worüber er reden will. Da ist seine Reaktion erst mal: „Wie bitte???“

Die Frage ist also, warum man das Kapitel zur wortartbezogenen GKS nicht schlicht und ergreifend so beginnt: „Substantive schreibt man groß.“ Oder, wenn man gleich auf die eingeschränkte Gültigkeit hinweisen will: „Substantive schreibt man in der Regel groß.“ Sie fangen aber so an: „Groß schreibt man das, worüber man redet“ (sinngemäß). Mit Verlaub – das kapiert kaum jemand. Wie Sie sehen, habe auch ich damit Mühe. Meine Meinung ist, daß die Leute mit grammatischen und semantischen Kategorien gut bedient wären. Wenn nun noch eine „textlinguistische“ Ebene dazukommt, von der alles abgeleitet wird und auf der höchst vertraute Begriffe wie „von etwas reden“ eine ganz neue, andersartige Bedeutung bekommen, ist das zu hoch für den armen Zeitgenossen. Daher die Frage, ob das wirklich sein muß.

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Theodor Ickler
09.02.2001 18.55
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Nachtrag:

Lieber Herr Wrase, haben Sie sich schon mal gefragt, warum in aller Welt man Substantive groß schreibt? Weil es Substantive sind? So lese ich Ihren letzten Beitrag. Aber so können Sie es nicht gemeint haben.
Warum verdoppelt man Konsonantenbuchstaben, um die Kürze des vorangehenden Vokals anzudeuten? Ein ziemlich absurdes Mittel. Bis man darauf kommt, daß die betreffenden Konsonanten tatsächlich zwei Silben zugleich angehören, also „Silbengelenke“ bilden, weshalb die Buchstaben bei der Trennung ja auch tatsächlich auseinandertreten. Also höchst sinnvoll! Der zweite Blick macht vieles verständlich.
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
09.02.2001 18.50
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Lieber Herr Wrase,
wenn ich es von der spaßigen Seite nehmen wollte, die ja auch Herr Lachenmann schon andeutet, müßte ich Sie daran erinnern, daß Sie die süße Botschaft schon schreiben müßten, damit sie orthographisch interessant wird, und dann sollten Sie das „Du“ groß schreiben.
Aber nun im Ernst: Wie Sie wissen, erwähne ich an verschiedenen Stellen, daß der gesamte pronominale Apparat, der dem Verweisen und nicht dem Benennen dient (Karl Bühlers Zeigfeld und nicht dem Symbolfeld angehört), zur Kleinschreibung neigt. Das gilt sogar – wie ebenfalls im Rechtschreibwörterbuch ausgeführt – für ursprünglich nichtpronominale Wörter, wenn sie in diesen Funktionskreis hinüberwandern (letzterer usw.). Wir unterscheiden wie schon Apollonios Dyskolos die anphorischen (und kataphorischen) Wörter, die im Text zurück- und vorausverweisen, und die nicht anaphorischen Personalpronomina, die auf etwas in der Situation Gegebenes verweisen, also „ich“, „du“, „er“ usw. Es ist ja bekannt, daß diese Wörter niemanden nennen.
Dieser fundamentale zeichentheoretische Unterschied wird in der GKS genau widergespiegelt; das groß geschriebene Brief-„Du“ und das aus anderen Gründen große „Sie“ sind leicht erklärbare Ausnahmen (wegen Höflichkeit bzw. Verwechselbarkeit). Ich denke, daß sich hier die wunderbare Intuition der Sprachgemeinschaft sogar besonders überzeugend zeigen läßt.
Besten Dank aber auch, daß Sie mir die Gelegenheit zu diesem kleinen Exkurs gegeben haben!
__________________
Th. Ickler

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Walter Lachenmann
09.02.2001 17.40
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Es kommt noch viel schlimmer!

Lieber Herr Wrase,
Ihr Herzensproblem könnten Sie lösen, indem Sie Ihrer Geliebten entweder das Sie antragen oder sie mit einem großen DU ansprechen, was sich bei einer ordentlich tief gefühlten Liebe ohnehin gehört.
Schlimmer ist es, daß man sich nicht mehr waschen kann: Ich wasche mich! Wovon ist die Rede? Aber auch wenn Sie das Gegenteil sagen, sagen Sie nichts: Ich wasche mich nicht!
Andrerseits: Wenn Sie behaupten »Ich liebe dich« dürfen Sie immerhin das Ich groß schreiben, und wenn man sowas behauptet, redet man ja auch meistens mehr von sich selber als vom dich/Dich.
Vielleicht konnte ich Herrn Ickler, dem man wieder mal hart und lieblos zusetzt, ein bißchen helfen – ich bin ihm das schuldig. So! Und in diesem Teilsatz ( – ich bin ihm das schuldig) kommt kein einziges groß geschriebenes Wort vor. Was machen wir denn da?
Peinlich.
__________________
Walter Lachenmann

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Wolfgang Wrase
09.02.2001 16.51
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Alarm: Linguisten machen Liebeserklärung unmöglich!

Vieltausendmal wird hierzulande jeden Tag der wichtigste Satz der Welt gesagt: „Ich liebe dich.“ Mußte man bisher schon den Glanz dieser Botschaft gelegentlich anzweifeln, weil man den Verdacht nicht ausschließen konnte, daß die Aussage nicht ganz ehrlich gemeint sein könnte, daß mit ihr etwa persönliche Vorteile oder ein unehrlicher Frieden angestrebt werden oder beispielsweise der Verdacht der Untreue weggewischt werden sollte – so kommt nun der Textlinguist Professor Ickler und gibt uns den Rest. Denn er klärt uns darüber auf, daß wir uns an folgende erschütternde Tatsache erst gewöhnen müssen: In dem Satz „Ich liebe dich“ ist von nichts die Rede! (Man findet nämlich bei der Niederschrift keine wortartbezogene Großschreibung.)

Lieber Herr Professor, sind Sie ein Liebesfeind? Was glauben Sie wohl, wie die Frauen auf diese Botschaft reagieren werden: Wenn sie „Ich liebe dich“ hören, ist dabei von Liebe nicht die Rede, auch nicht von beteiligten Menschen, sondern von gar nichts!


Also im Ernst: Ich meine, wenn jemand Substantive groß schreibt, dann deshalb, weil er sie für Substantive hält, und nicht deshalb, weil er über sie reden will, während er über die sonstigen Bestandteile seines Textes angeblich nicht reden will. Man sollte, da gebe ich Herrn Lindenthal recht, die Verhältnisse nicht unnötig verkomplizieren. Immerhin ahne ich jetzt, was Sie mit „textlinguistisch“ meinen. Nur: Müssen wir uns wirklich daran gewöhnen? Könnten Sie nicht liebevoll mit uns umgehen und uns diese wissenschaftliche Perspektive der Substantivgroßschreibung ersparen?

Übrigens hat Herr Melsa recht, vielen Dank für den Hinweis: Ich habe in meinen letzten Beiträgen wiederholt die Gesichtspunkte Substantiv – Großschreibung – Redegegenstand verwechselt. Komplimente dem, der das alles sauber auseianderhalten kann!

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Theodor Ickler
09.02.2001 14.05
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Was es gibt

Diesen Titel soll eine seit vielen Jahren geplante Schrift von mir tragen, daher meine Empfindlichkeit in diesen Dingen. Mathematische Existenz bedeutet etwas ganz anderes als unser alltägliches „was es gibt“. Jedenfalls ist „wovon die Rede ist“ für die Sprecher, die ja ohnehin ein Bewußtsein davon haben müssenm, worüber sie eigentlich reden, viel unproblematischer als die Frage, „was es gibt“ – eine Frage, die keinen Bezug zum Text bzw. Gespräch hat. Wovon man spricht, kann und muß man ohne Philosophie wissen, aber „was es gibt“ erfordert unabhängiges, ontologisches Nachdenken. Genug davon! Sonst müßten wir ein philosophisches Forum oder wenigstens einen Philo-Faden aufmachen. Ich will bloß daran erinnern, daß die vorkommenden Schreibweisen die vorrangige Gegebenheit (das primäre Datum) sind und die Regeln nur ein mehr oder weniger interessanter, bestenfalls auch hilfreicher Versuch, das Verallgemeinerbare zusammenzufassen. Die allermeisten „Richtlinien“ = Regeln des Duden waren den Benutzern nicht bekannt. Und wenn sie mal darin lasen, konnten sie sie nicht anwenden. Eigentlich käme man auch ohne alle Regeln aus.
Wie geschrieben wird, kann man durch Nachschauen feststellen, aber wie man das verallgemeinert, wird sich nie abschließend und unumstritten sagen lassen.

Weiter unten ist „in bezug“ erwähnt worden. Das ist eine bürokratische Sonderschreibung, der man heute keine allgemeine Geltung mehr zuschreiben kann. In der Verwaltungssprache kam das so oft vor, daß es so ähnlich wie „betreffs“ verstanden und daher oft klein geschrieben wurde. Solche Quisqilien eignen sich fürs „Handbuch des unnützen Wissens“. Ich wollte die Kleinschreibung natürlich nicht für geradezu falsch erklären (wie es die Reformer in ihrer bekannten Rücksichtslosigkeit tun), aber gegen die Großschreibung ist – auch aus Gründen der Beleglage – wirklich nichts einzuwenden.
__________________
Th. Ickler

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Detlef Lindenthal
09.02.2001 12.02
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Das Seiende und die Großschreibung ... ?

Eine Crux des Rechtschreib-Niederganges liegt darin:

Sprach„wissenschaftler“ verdienen ihr Geld damit, daß sie einen Gegenstand so kompliziert darstellen, daß dieser die Entscheidungsträger derart auf den Magen drückt, daß diese vom Bauch her entscheiden: Wir brauchen eine „wissenschaftliche“ Lösung und müssen dafür viele Professoren bezahlen – Augst und Zabel u. s. weiter.

Handwerker hingegen verdienen ihr Geld damit, daß die Arbeit gut und fertig wird.

Zu meiner „Regel hinter den Regeln“ gebe ich zu, daß sie im Ausdruck „es gibt“ zunächst noch eine sprachliche Mehrdeutigkeit hat.
Dazu ist allerdings der „weihnachtsmann“ ein morscher „Stock in die Speichen“, denn bei Karstadt in Husum laufen sowelche jedes Jahr herum, also „gibt es“ sie, die „Weihnachtsmänner“.
Doch auch die „[q]uadratur des Kreises“ bekommt ein großes Q; denn zu „es gibt“ gehört natürlich auch die Welt der Erwägungen, Überlegungen, Spekulationen und Logik: Und dort hat die genannte Quadratur ebenso Platz wie Mickimaus und das Perpetuum mobile.
Der sogenannte Philosoph Heidegger soll mal gemurmelt haben: „Warum gibt es soviel Seiendes und nicht viel mehr Nichtseiendes?“
Dem halte ich die Kunst der Mathematiker entgegen, wie sie aus der leeren Menge  {}  (der elementaren (und übrigens eindeutigen!) Begrifflichlichkeit des Nichtseienden) und ein wenig Menschenverstand die gesamte niedere und höhere Mathematik erzeugen: „Etwas“ tritt dadurch in Existenz, daß es   g e d a c h t   wird, und ab dann gibt es es.


@Herr Melsa:
Sobald es eine Tätigkeit oder Eigenschaft „gibt“, dann wird sie auch groß geschrieben: Das Rauschen des Meeres; die Weite des Landes. In der Wendung „Der frische Seewind“ gibt es nur den Seewind; sobald es die „Frische“ gibt, wird diese auch groß geschrieben.

@Professor Ickler:
Habe ich jetzt in irgendwelchen ontologischen Fettnäpfchen meine Tapfen hinterlassen? Können wir nicht durch zwei, drei kleine Regelchen oder Beispiele zeigen, was „es gibt“ bedeutet? Es geht ja nicht darum, Spitzfindern und Winkeladvokaten keinen Wind für deren Segel übrigzulassen, sondern darum, Schreibern, Lektoren, Schriftsetzern und Schulkindern den überaus klaren Stoff klarzulegen. Dies ist möglich (Beweis: 1901 bis 1996), und daher sollte es auch unseren Lehrern und Hochschullehrern zugemutet werden dürfen, das handwerklich Entstandene nachzuvollziehen.

Gruß vom Handwerker.[Geändert durch Detlef Lindenthal am 10.02.2001, 14.34]

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