Widmung an Microsoft
Zu dem folgenden Beitrag, der aus der Retorte stammt, muß ich etwas erklären.
a) Ich bin Kritiker der Rechtschreibreform.
b) Ich habe versucht, meine Heimatzeitung zu beeinflussen, daß sie nicht auf den Neuschrieb umstellt.
c) Ich habe jahrelang als freier Mitarbeiter für diese Tageszeitung geschrieben.
d) Trotzdem hat diese Tageszeitung die Leser ganz sanft ins neue Medienzeitalter hinübergeführt.
e) Ein Herr Adrian Grodel hat diese Aufgabe übernommen.
f) Der Herr Grodel wußte weniger als ich. Sämtliche Tipps, die er vom Stapel ließ, habe ich kommentiert. Die Kommentare wurden nie veröffentlicht.
g) Meine Entgegnung macht heute ihren Stapellauf. Eine andere Chance gab es nicht, weil selbst meine Heimatpresse mauerte.
h) Die Rechtschreibreform ist idiotisch und undemokratisch. Die Franzosen sagen dazu: la reforme idiote. So habe ich mein unveröffentlichtes Skript genannt.
Auszug aus La reforme idiote: Thema Neue Trennregeln
(ausführliche Erklärung zu einem Brief an Dr. Martin Teufel, Chefredakteur im Main-Echo Aschaffenburg)
Tipp 18 Widmung an Microsoft
Um Texte kritisch reflektieren zu können, ist es mitunter sinnvoll, den Standartsatz des Kommunikationsmodells anzuwenden:
Wer sagt, was, mit welchen Worten, zu wem, in welcher Absicht?
Das klappt bei kleinen Texten, wie auch bei Recherchen über große staatliche Maßnahmen.
In Tipp 18 übrigens dem Tipp 1 nach der ursprünglich vorgesehenen Serie von 17 Folgen berichtet Adrian Grodel in rührenden Worten der Leserschaft des Main-Echo über die Vorzüge der Trennregel, macht dem Leser in Beispielen klar, daß alles leichter und sinnvoller geworden ist und wirbt für die Umstellung auf die neuen Rechtschreibregeln.
Geradezu ergreifend ist es, zu lesen:
...Glück für diejenigen Erstklässer, die im vergangenen Jahr eingeschult worden sind. Denn sie waren die ersten, die diese Regel (Anm.: Trenne nie st, denn es tut ihm weh!) über Bord werfen durften.
Abgesehen davon, daß die Aussage falsch ist der Rechtschreiberlaß hat schon seit 1996 Gültigkeit wirkt die Botschaft unvermindert. Wer wollte sich nicht mitfreuen mit den ABC-Schützen, deren Schultüten manchmal größer sind als sie selbst. Richtig putzig!
Automatisch zieht sich bei solch pathetischen Worten die nächste Denkschublade auf, und der Hintergrund wird plötzlich wichtig der sachliche Zusammenhang.
Denn sachlich ist das Bild vom Dreikäsehoch mit der übergroßen Schultüte wirklich nicht.
Der Sachzusammenhang ist folgender:
Die Rechtschreibreformkommission hat ein altes Tabu zerstört. Sie hat die Untrennbarkeit des st aufgehoben. Fachlich gesprochen hat sie eine Ligatur (eine unauflösliche Verbindung zweier Buchstaben) gesprengt, und dazu hatte sie berechtigten Anlaß. Man denke an die Wohnung-stür oder den Frühstück-stee, denn wer hier die Regel: Trenne nie st, denn es tut ihm weh! allzu wörtlich nahm, der hat sich unsterblich blamiert.
Zwar war den meisten der Umgang mit dem sogenannten Fugen-S eine im Deutschen sehr häufig angewandte Wortbastelmethode beizubringen, doch für andere oder anderes gab es Regelungsbedarf.
Erstaunlich bei dem Gesamtkonzept der Trennregeländerung war allerdings, daß man nicht nur die Ligatur st auflöste, sondern zugleich, zeitgleich und personengleich eine neue schuf. Die Ligatur ck!.
Das war zumindest leicht frappierend, hatte man doch in der Schule gelernt:
Folgt dem ‚ck' ein Selbstlaut, dann trenne k-k (z.B. pflük-ken). Folgt dem ‚ck' jedoch ein Mitlaut, dann trenne ck- (z.B. pflück-ten).
Und da gleiches für die tz-Trennregel galt (blit-zen, blitz-ten), war dies in der Schule in einem Aufwasch zu erledigen.
Unabhängig von Lernökonomie entschied jedoch die liberale Rechtschreibreformkommission:
1. Auflösung der Ligatur st,
2. Neuschaffung der Ligatur ck,
3. Belassen der auflösbaren Buchstabenverbindung tz.
Unwillkürlich denkt man bei derartiger Liberalität (Verordnung eines ökonomischen Dreierweges) an den Bezugspartner oder Adressaten. Wem hat man damit Erleichterung geschaffen? Wem bringt das Nutzen?
Zunächst wieder das Bild der übergroßen Schultüte: ABC-Schützen schreiben zunächst Buchstaben, und später ganz kleine Wörter, die sie selten bis nie trennen müssen. Die können nicht als Adressat gemeint sein, auch wenn das Bild recht werbewirksam zieht.
Zum Grundschüler: Sechs- bis 10-Jährige (Schwachsinn diese Schreibweise) sind in der Regel bildsam und anlehnungsbedürftig an sog. Lehrer. Zeitweise wenden sie sinnvolle Ratschläge an: Wenn du nicht weißt, wie du trennen sollst, dann beginne das neue Wort in der nächsten Zeile! Manche allerdings halten sich nicht an Empfehlungen. Sie zeigen gerne dem Lehrer, daß sie bestimmte Regeln beherrschen. Die Masse der Grundschüler fällt somit als Adressat der Trennregelverordnung aus.
Das Stimmungsbild wird klobiger.
Zum Hauptschüler: Der Hauptschüler hat sich meist Techniken der Zeilenführung angeeignet. Er versteht es, Trennungen zu umgehen und gleichwohl die Zeilen auszulasten, ohne daß an deren Ende eine unübersehbare Lücke entstünde. Daneben gibt es Trennungskundige, wie auch Schreibunwillige, für die als einzige Reform die Anschaffung von Betten im Klassenzimmer sinnvoll wäre.
Somit ist auch unter diesem Klientel einer allgemein bildenden Schule kein Adressat für die neue Trennregel-Liberalisierung zu finden.
Die gesamte Kategorie Mensch kann man abklappern, man wird keinen Adressaten finden. Denn je höher die Bildungsstufe und je größer die Schreiberfahrung eines Menschen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich dieser Mensch seiner Leistung schämen möchte.
Eher ist es so, daß das Gelernte und richtig Praktizierte mit Stolz erfüllt. Auch ist es so, daß Menschen, die in anderen Sprachen (z.B. Latein) Trennregeln wie Inter-esse, kon-stant und ab-strakt studiert haben, ihr sinnvolles Wissen beibehalten, bevor sie einem beliebigen Leser ein verhacktes und schwer verständliches Wortgebilde (abst-rakt, alla-bendlich...) zumuten. Selbst die ck-Trennung wird ein fortgeschrittener Schreiber nach altem Muster durchführen, denn er weiß, daß ein Selbstlaut am Zeilenende in der Regel lang gesprochen wird (vgl. Zu-fahrt, Zu-cker). Schreiben dient dem Lesen!
Wer aber ist nun tatsächlicher Adressat jener Liberalisierung im Bereich der Trennung? ?
Es ist jene widersinnige und paradoxe Gattung von Maschine, die ausschließlich auf zwei Zeichen reagiert: Strom an und Strom aus!
Der Adressat heißt ausschließlich: Computer!
Richtig geschliffen versteht das Rechenmonster zu unterscheiden zwischen Mitlaut und Selbstlaut. Und da er auch zählen kann (erster ... letzter) kann er auch den letzten Mitlaut einer Mitlautgruppe abspalten. Man muß ihm lediglich neu beibringen, daß das ck und sch ein einziger Mitlaut ist während bei st künftig die Zählmethode (erster...letzter) anzuwenden ist (siehe Wohnu n g s tür).
Im Prinzip geht es nur um das Verständnis, das mancher gebildete Zeitgenosse nicht aufbringen will für die geschmacklosen Trennversuche der Maschine.
Künftig aber wird man nicht mehr lächeln dürfen, wenn das Superhirn falsch trennt, denn bald sind Fehler richtiges Deutsch.
Anhang (Dez. 1999): Ganz begeistert zeigt sich die Jugend über die neuen Tanzs-tile, die das IDS Mannheim kreiert hat. Den Kons-tanz, den Dis-tanz und den Ins-tanz.
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