Re: Sprachintuition nutzen
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Anstatt also auf irgendwelche überkommenen Regeln zu bestehen, halte ich es für sinnvoller, die bei Kindern vorhandene sprachliche Intuition zu nutzen und die Trennung, wo es sich anbietet, danach zu auszurichten.
Die bei Kindern vorhandene sprachliche Intuition sollte als Basis genutzt und weiter ausgebildet werden, anstatt die gesamte Sprachgemeinschaft auf frühes Grundschulniveau zu zwingen. Die Schule ist doch zum Lernen da. Wozu sonst? Natürlich nicht zum überflüssigen Pseudolernen allein um des Lernens willen (wofür die neue GZS eine perfekte Grundlage ist). Aber daß eine differenziertere Worttrennung ihre guten Gründe hat, ist hier ja in den letzten Beiträgen schon ausführlich dargelegt worden. Durch eine Motivation zu geradezu antimorphologischen Trennungen wird eine weitere Ausbildung der Sprachkompetenz doch eher vereitelt als gefördert. Das gilt natürlich ebenso für all die ungrammatischen sowie die Semantik, Sprachgeschichte und korrekte Wortbildung mißachtenden Teile der Reform.
Zu ihrem jüngeren Beitrag, in dem Sie vorschlagen, beide Rechtschreibungen in der Schule parallel zu behandeln: Das würde ich sehr begrüßen. Dies wäre von vornherein die einzig faire Art und Weise gewesen, an der Schule damit umzugehen. Die neue Rechtschreibung hätte sich so auf ganz natürliche Weise in lauterer Konkurrenz durchsetzen können. Ist ihr Konzept von sich aus überzeugend, so kann sie auch von sich aus, ohne Zwangsmaßnahmen, eine Anhängerschaft gewinnen. Schüler müßten bei Arbeiten angeben, ob sie nach der normalen Rechtschreibung oder gemäß dem Reformvorschlag korrigiert werden wollen (statt der derzeitigen Praxis, die auf einen statistischen Trick hinausläuft, mit dem die Kultusminister irreführend von sinkenden Fehlerzahlen reden können). So hätte zumindest eine erste Phase der Erprobung aussehen müssen, in der man aus Dialog mit den freiwilligen Nutzern herausfindet, wie brauchbar die Reformvorschläge wirklich sind. In der Realität geben die Kultusminister sogar tatsächlich inzwischen vor, die eigentlich als Übergangszeitraum vorgesehene Frist sei eine Erprobungsphase, an deren Ende, im Jahre 2005, die Spreu vom Weizen getrennt würde. Schade nur, daß in diesem Zeitraum ALLEIN die reformierte Rechtschreibung an den Schulen unterrichtet werden DARF! So werden alle Schüler ungefragt zu Versuchskaninchen, die später die Folgen einer unbedachten, dafür aber um so dickköpfigeren Politik werden ausbaden müssen. Auf die genervten Zeitungsleser will ich hier mal gar nicht näher eingehen. Daß es nicht bei der aktuell unterrichteten Reformrechtschreibung bleiben wird, ist doch schon sonnenklar, wenn sogar die Reformer selbst massiven Korrekturbedarf sehen; die Kultusminister deuten mit den erwähnten Hinweisen auf bevorstehende Entwicklungen ebenfalls darauf hin.
Trotzdem könnte man eine andere Verfahrensweise an den Schulen, wie Sie sie vorschlagen, ja noch verspätet umsetzen. Natürlich würde das, wie Sie ebenfalls erwähnen, auf größeren Aufwand im Deutschunterricht hinauslaufen, da man nun gleich zwei Rechtschreibversionen zu vermitteln hätte und auch noch auf die feinen Unterschiede gesondert eingehen müßte, um Verwechslungsgefahren zu vermeiden. Merken Sie was? Den ganzen Ärger hätte man sich sparen können, hätte man das Reform-Projekt gar nicht erst krampfhaft verwirklicht. Man kann noch nicht einmal fordern, daß die Schulkinder nun deswegen von jedem Schriftstück in alter Rechtschreibung isoliert werden sollten, damit sie bloß nicht Verwirrung anheimfallen, denn das ist völlig illusorisch. Allein der Versuch wäre bildungspolitisch absurder als alles bisher Dagewesene. Die Verwirrung zu beseitigen, hieße, die Reform zurückzuziehen, denn diese Verwirrung kam durch die Reform. Vorher war sie nicht da. Wenn dann erst die Zeitungen und Zeitschriften mit hochrotem Kopf zur orthographischen Vernunft zurückkehren, dann haben wir eine größere Vereinfachung des Rechtschreiblernens, als jede andere Maßnahme es erzielen könnte.
Leider sagen sich nun einige nach 5 Jahren (seit erster Einführung in der Grundschule) bzw. gerade erst 2 Jahren (in der Presse):Bei der neuen Rechtschreibung bleiben wir jetzt, die läuft doch jetzt schon so lange, zur Rückkehr ist es längst zu spät. Ist es nicht verrückt, daß man in einer sogenannten Demokratie es nicht für selbstverständlich hält, auf eine ca. Dreiviertelmehrheit zu hören, die mit einer Rechtschreibung zufrieden ist, die seit nun 100 Jahren besteht und immer noch lebendig ist, inklusive der unzähligen Texte, die darin gedruckt wurden und so oder so weiterbestehen werden?
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