An eine Deutschlehrerin
04.12.06
An das
Gymnasium […]
Sehr geehrte Frau […] !
Wie ich dem Diktatheft meiner Tochter entnehme, haben Sie das Wort „jedesmal“ als Fehler vermerkt und angerechnet.
Ich fordere jedoch, daß diese Schreibung nicht nur nicht als Fehler gewertet wird, sondern als „richtig“ anerkannt wird.
Begründung:
1. Die Schüler wurden nicht darauf hingewiesen, daß das Wort „jedesmal“ seit der „Reform“ verboten ist. Es ist ein allgegenwärtiges Wort, das in aller besseren Literatur zu finden ist.
2. „jedesmal“ ist ein übliches Adverb, wie das Deutsche Wörterbuch nach Jakob Grimm angibt.
Dort wird auf Goethes „Wahlverwandtschaften“ hingewiesen.
In diesem sah sie Eduarden ganz deutlich, und zwar nicht gekleidet, wie sie ihn sonst gesehen, sondern im kriegerischen Anzug, jedesmal in einer andern Stellung, die aber vollkommen natürlich war und nichts Phantastisches an sich hatte, stehend, gehend, liegend, reitend.
Ferner wird im DWB auf den Brief Schillers an Goethe hingewiesen, in dem es heißt:
… doch ist es freilich noch ungewiß, ob er überhaupt sterben und ob nicht vielmehr der Tod jedesmal einnicken wird, so oft er ihn sieht.
Das Wort ist damit als Adverb seit mindestens 200 Jahren anerkannt und belegt.
In meinem Deutsch-Griechischen Lexikon von 1817/1829 ist es ebenso verzeichnet wie in Konrad Dudens „Orthographischem Wörterbuch“ von 1880, in „Dr. Vogels Deutschem Grammatisch-Orthographischem Nachschlagebuch“ von 1903 und selbstverständlich in jedem Duden bis zur Reformkatastrophe von 1996. In der Duden-Grammatik von 1966 werden solche durch Anhängen von –mal als Wiederholungszahlwörter bezeichnet und zu den Adverbien gerechnet.
Selbstverständlich ist die Verwendung des Adverbs „jedesmal“ in jeglicher Literatur üblich:
Wie die Dinge liegen, wird zwar auch jetzt noch gelegentlich der Versuch gemacht, es mit der Gotik und ihren Dependenzien zu wagen; aber diese Versuche scheitern jedesmal, … [Theodor Fontane, Wanderungen]
Und immer wieder sagte der Alte: „Noch einmal!“, es klang jedesmal fröhlicher. (Herrmann Hesse, „Glasperlenspiel“)
Der „Tagesspiegel“ schrieb am 12.08.2006 über Günter Grass: Den Höhepunkt seiner Anerkennung markierte 1999 der Nobelpreis – für seine „munterschwarzen Fabeln“, mit denen er „das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet“ habe, heißt es in der Begründung. In seiner Dankesrede sagte er unter anderem: „Jedesmal wenn in Deutschland (...) das Ende der Nachkriegszeit ausgerufen worden ist, hat uns die Vergangenheit wieder eingeholt.
Das Leipziger Wortschatzlexikon bringt eine Fülle weiterer Beispiele und stellt für „jedesmal“ eine größere Häufigkeit fest als für „jedes Mal“.
Die vom Bildungsministerium aus mangelnder Sprachkompetenz ausschließlich zugelassene getrennte Schreibung „jedes Mal“ ist eine Folge der Erleichterungsideologie, nach der möglichst alle Wörter, die irgendwie teilbar sind, auch getrennt geschrieben werden sollten.
2006 ist diese Fiktion zusammengebrochen und teilweise ins Gegenteil verkehrt worden, wie am Beispiel „leid tun“, 1996-2005 „Leid tun“, ab 2006 „leidtun“ gezeigt werden kann. Wenn solche nie dagewesenen Zusammenschreibungen – wie auch das lästige „zurzeit“ – verbindlich gemacht werden, gibt es keinen Grund, das in der Literatur seit jeher anerkannte und übliche „jedesmal“ zu verbieten, zumal es sich sprachlich durchaus von „jedes Mal“ unterscheiden kann.
Vermutlich hätte der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ dieses Wort wieder zugelassen, wenn nicht unsere an politische Tricks gewöhnte, aber sprachlich inkompetente Bildungsministerin als KMK-Präsidentin alle weiteren Korrekturversuche hätte abbrechen lassen, als das Ziel der „Heimholung“ der abtrünnigen Zeitungen erreicht war.
Da ich weiß, daß Sie an Vorschriften gebunden sind, bitte ich, meine Forderung an höhere Stellen weiterzuleiten.
Mit freundlichem Gruß
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Sigmar Salzburg
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