Artangaben sind "schön".
Lieber Herr Koch, ich bewundere Ihre Beiträge oft.
In Latein gibt es Prädikatsnomen, hab ich gelernt. Deutsch ist aber kein Latein. Daher hat Deutsch eine eigene Grammatik. Ich beziehe mich hier auf den Grammatikduden von 1973, Seite 538, Randnummer 1264, c) Artangaben.
Da steht: „Karl singt laut. Ilse ist schön.“
Die Wörter „laut“ und „schön“ sind Wiewörter, Artwörter.
Als Satzglieder sind sie Artangaben, also keine Prädikatsnomen, wenn ich es richtig verstanden habe. Was immer auch das für Dinger sein sollten, wie Prädikatsnomen oder Prädikativum, die manch einer wie ich im Lateinunterricht so gelernt und längst vergessen hat, es sei denn, er wäre Grammatiker geworden.
In der Volksschullehrerausbildung habe ich „nach Glinz“ gelernt:
Fritz arbeitet fleißig. Fritz ist fleißig. Beide „fleißig“ sind Artangaben. Da ich im Gymnasium in Latein immerhin befriedigend hatte, wollte ich das erst nicht glauben.
Ickler verwendet im „Schildbürgerstreich“ übrigens auch den Begriff „Artangabe“.
Die Tür ist zu. Das Wörtlein „zu“ ist ebenfalls als Satzglied eine Artangabe.
Nach meinem Wissen hat der Duden ab 1959 die deutsche Grammatik neu gestaltet, nach Arbeiten von Glinz und anderen.
Im übrigen hielt Glinz im „Beinlich“, Handbuch des Deutschunterrichts 1963, die Sprachlehre in der Volksschule, insbesondere das Sichbewußtmachen der einzelnen Satzteile im Rahmen von Benennungsübungen usw. für völlig nebensächlich, wenn nicht gar für schädlich. Ferner einmal die Frage: Benötigen wir im muttersprachlichen Unterricht überhaupt lateinische Ausdrücke, solche die von mittelalterlichen Lateingrammatikern künstlich im Nachhinein erfunden wurden?
Glinz versuchte es z. B. mit „Größen“: Grundgröße (für Subjektsnominativ), Zielgröße (für Objektsakkusativ) usw. (Beinlich, S. 243).
Der 73er Duden blieb weitgehend bei den lateinischen Ausdrücken „Subjekt“, „Akkusativobjekt“.
Was ist ein Substantiv? Nennwort, Namenwort, Dingwort, Hauptwort, alle diese deutschen Ausdrücke sind Kindern und Erwachsenen verständlicher als „Substantiv“, ein „Darunterstehendes“? ein „Dahinterstehendes“? ein „Standhaltendes“?
Im Aldi lebt gar der Subs-tanz.
Nun ja, die künstlichen lateinischen Bezeichnungen lernt man auf der ganzen Welt.
Die Studienräte, die Unis usw. geben sie seit Jahrhunderten weiter an ihre Schüler und Studenten. Diese, sind sie erst mal Professoren und Lehrer geworden, oder Kultusbeamte ,
geben sie dann auch wieder weiter oder verordnen sie. Ob das jemals ein Ende nimmt, das Nachplappern von künstlich erfundenen, in der Muttersprache eigentlich unverstehbaren lateinischen Ausdrücken?
Noch ein schönes Beispiel aus dem Grammatikduden 1973 (S. 535): „In einer Reihe von festen Wendungen (es absehen auf jemanden, es mit jemandem aufnehmen) rechnen wir auch das „es“ zum Prädikat, weil es ebenfalls nicht austauschbar und nicht verschiebbar ist.“
- Sehr gewöhnungsbedürftig.
Austauschproben, Verschiebeproben oder Umstellproben, das sind wohl grundlegende Techniken in einer deutschen Grammatik. Am Gymnasium in Latein, da hab ich sie nicht gelernt, auch nicht in Deutsch.
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Rolf Genzmann
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