Angesichts der heutigen Ereignisse in New York mag man über unser vergleichsweise unwichtiges Thema eigentlich gar nicht mehr reden. Andererseits wird uns der Widerstand gegen die Rechtschreibreform sicherlich auch weiterhin beschäftigen. Und damit auch die Frage, ob es gleichgültig oder wichtig ist, wer sich mit wem gegen die Rechtschreibreform formiert.
Es tut mir wirklich leid, hier wieder mit einem Problem zu kommen, das sich auf der Seite der DEUTSCHEN SPRACHWELT manifestiert hat und eigentlich dort diskutiert werden müßte. Aber es sind hier wie dort teilweise dieselben Akteure, es geht um ein gemeinsames Anliegen und so nehme ich die Seite rechtschreibreform.com sozusagen als Fluchtort in Anspruch. Es ist dort nämlich wieder ein Beitrag von mir gelöscht worden, ohne Begründung. Ich gebe ihn nachstehend zur Kenntnis und bitte um Mitteilung, falls jemand der Ansicht ist, dieser Beitrag hätte einen berechtigten Anlaß zu dieser Löschung gegeben, sei es durch persönliche Verunglimpfung von Personen oder unerträgliche Unterstellungen oder was auch immer. Meine E-Mail-Adresse: oreos@t-online.de. Ich werde mir jede vernünftig vorgebrachte Kritik gewissenhaft durch den Kopf gehen lassen.
Es tut mir auch leid, wenn der Eindruck entsteht, ich wolle mich mit sachfremden Stänkereien hier in den Vordergrund des Interesses spielen. Das ist nicht so. Mir ist es vielmehr ein wichtiges Anliegen, daß nach außen hin die Vorgänge auf diesen Seiten werden sicherlich von den unterschiedlichsten Interessenträgern sorgfältig beobachtet deutlich wird, wo die Übereinstimmungen der Inhalte und Ziele bei den verschiedenen Kritikern vorhanden ist und wo nicht. Niemandem möchte ich etwas unterstellen, was bei ehrlicher Betrachtung ungerecht oder falsch bewertet wäre. Ich habe vielmehr, wie wiederholt dargelegt, die ehrliche Sorge, das Anliegen der Reformkritik könne diskreditiert werden, wenn nicht ganz deutlich klargestellt ist, daß es uns um Reformkritik geht und um nichts anderes.
Hier also der bei der DSW-Seite gelöschte Beitrag:
Herr Riebe fragt Frau Philburn: «Verstehe ich Sie mit Ihren Schlagworten Neuschreibpanik und Aversion gegen jegliche in ´Neuschreib´ verfassten Texte richtig? Meinen Sie, der in vielen Volksinitiativen und Gerichtsverfahren sichtbar gewordene Protest gegen die Rechtschreibreform beruhe nicht auf rationalen Argumenten, sondern sei mehr irrational-emotional auf Tradition und Nationalbewußtsein gegründet? Dann hätten Sie sich ...« usw. siehe oben.
Frau Philburns Beitrag, auf den Herr Riebe so antwortet, besteht aus genau 11 relativ kurzen Zeilen. Herr Riebe läßt Frau Philburn, die hier niemanden persönlich angegriffen hat, erst einmal in dem ihm eigenen Zartgefühl wissen, daß er ihre Gedanken als »Schlagworte« einstuft, nichtssagende Begriffe also, mit denen man, wen und weshalb auch immer, schlägt, in Ermangelung von konkreten Gedanken zu Sache. Damit hat er seinerseits mit dem Schlagwort »Schlagwort« sich schon einmal die erste eigene Überlegung erspart, nämlich die, was Frau Philburn mit ihren »Schlagwörtern« denn vielleicht gemeint haben könnte. Falls er die 11 kurzen, leichtverständlichen Zeilen tatsächlich nicht verstanden haben sollte, hätte er ja fragen können, wie sie denn wohl gemeint gewesen wären. Stattdessen fragt er »Meinen Sie...« und dann kommt ein ganzer Schwall von Sachen, die Frau Philburn schon deswegen nicht gemeint haben kann, weil sie nichts von alledem gesagt hat.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Frau Philburn der eigentümliche Charme dieser Seiten und ihrer Verantwortlichen ebenso erschließt wie mir, oder ob sie vernünftiger ist als ich, und die Runde schnell wieder verläßt.
Im übrigen halte ich es für unklug, die Gedanken, die Roland Koch in die gesellschaftliche und politische Diskussion eingebracht hat, hier im Zusammenhang mit Sprache zu diskutieren. Es steht zu befürchten, daß es wieder zu Meinungsäußerungen kommt, die als »Unterstellungen« und »Stänkereien« aufgefaßt und abgestraft werden, es sei denn, man habe gelernt, daß es vernünftiger ist, sich mit den Argumenten zu beschäftigen als deren Autoren auszuschimpfen.
Auch Frau Salber-Buchmüller bescheinigt Frau Elke Philburn mangelhaftes Nachdenken: (äußerst unreflektierte Behauptung ..., daß durch Anglizismen die deutsche Sprache nicht
undeutsch werde.)
Nun kann man ja lange nachdenken und reflektieren, und zu einer anderen Einschätzung kommen. Für so abwegig halte ich Frau Philburns These nicht, denn wäre es anders, so müßte man ja die Kraft der Eigenständigkeit der deutschen Sprache schon sehr gering einschätzen. Sie hat aber Jahrhunderte vieler fremder Einflüsse überlebt, Gutes in sich aufgenommen, Unbrauchbares wieder abgestoßen, und ist bis auf unsere heutigen Tage in Millionen guter Bücher in ihrer gewachsenen Schönheit zu betrachten und zu genießen. So muß man Frau Philburn eigentlich zugestehen, daß sie der deutschen Sprache mehr zutraut, vielleicht sogar mehr Nationalbewußtsein hat, als die skeptischen Anglizismenfeinde, die deshalb aber nicht weniger Grund für ihre Ablehnung der Schwemme an dümmlichstem Imponier- und Anmacherenglisch haben, mit der uns unsere deutschen Zeitgeist-Anbeter täglich konfrontieren, und die so im wahren Englisch zum großen Teil garnicht vorkommen.
»Da Elke Philburn offensichtlich alles
schlecht verdaut, wo ein Adjektiv oder
Adverb deutsch erscheint, möchte ich sie
auf Frankreich verweisen.«
Aber, aber! Wir wollen hier doch nicht mit üblen Unterstellungen herummachen und freundlich sein zueinander. Über Frau Philburns Verdauung zu räsonnieren, ist hier nicht der Platz, und haben wir Deutschen es denn nötig, immerzu uns vom Ausland zeigen zu lassen, wie man es richtig macht mit dem rechten Nationalbewußtsein? Nein, wir haben selbst eines. Also brauchen wir auch keine Gesetzgeber, die uns bevormunden, wie wir dieses richtig pflegen. Das kann ein guter Deutscher ganz alleine. Und ob die französische Bevölkerung mit dieser Bevormundung so glücklich ist, bleibt doch sehr zu bezweifeln, wenn man deren Neigung zur Widerspenstigkeit kennt.
Und was soll dieses?
»Die Franzosen sollten eher die Zielscheibe
Ihres Hohns sein lieben sie doch ihre Sprache über alles, es ist ihr Fetisch.«
Frau Philburn hat doch niemanden verhöhnt, und wie kann man jemanden dazu aufrufen, ausgerechnet die Franzosen zu verhöhnen, wo die doch umgekehrt offensichtlich alles richtig machen.
»Bei uns sollte mal ein Politiker rufen: Vive l´Allemagne, vive la Réplublique!«
Das wäre allerdings höchst bedenklich und sozusagen ein Ausverkauf des deutschen Nationalbewußtseins, und vermutlich Folge einer Überschwemmung durch Gallizismen bis zur Unkenntlichkeit! Nein, das wollen wir auch nicht.
Andererseits: Wenn Politiker meinen anordnen zu müssen, man solle »Respekt vor der deutschen Fahne« haben, und Schulkinder müßten das Deutschlandlied auswendig können, dann wirft das ein trauriges Bild auf die Stimmungslage der Deutschen. Wer läßt sich schon gerne verordnen, vor was er Respekt hat und was er gerne auswendig lernt?
Entweder man liebt etwas oder man liebt es nicht. Entweder ein Lied gefällt einem oder es gefällt einem nicht. Entweder man hat Respekt vor etwas oder man hat ihn nicht. Es ginge also eher darum, alle diese Dinge, die vielleicht nicht ausreichend geliebt und respektiert werden, so zu gestalten, daß sie jeder aus eigenem Antrieb liebt oder respektiert. Sonst wird das nichts Rechtes oder eben doch, und das wollen wir doch nicht, oder doch?
__________________
Walter Lachenmann
|