Pizza
Niemand kann sich vorstellen, mit welchen Glücksgefühlen ich am 24. März regelrecht abhob Richtung Sizilien nachdem ich noch schnell im Kleintierzoo vorbeigeschaut hatte. Vor kurzem erst hatte Herr Wrase überraschend Partei für mich ergriffen, und nun konnte ich auch noch lesen, daß Herr Markner schrieb: »Die allgemeine Nachfragesituation ist im übrigen von Herrn Lachenmann verschiedentlich durchaus zutreffend beschrieben worden«. Worauf Herr Ickler zu meiner größten und freudigsten Verblüffung eine seiner begehrten Belobigungen aussprach: »Herr Markner (sic! es sei ihm gegönnt!!) hat einen Kernpunkt getroffen«. Und weiter: »Mir hat sich die Frage immer (so) gestellt... Das praktische Problem wäre also, beide Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, also dem einen zu sagen So wird's gemacht und nicht anders! und dem anderen Argumente zu liefern, die ihn zu einer sachkundigen Entscheidung (postum/posthum) befähigen.«
Endlich schien auch Herr Ickler über das sich positiv äußern zu wollen, wofür ich wochenlang vergeblich versucht hatte, Verständnis zu finden. Mein Artikulationsvermögen ist wohl doch geringer als es sein sollte, es mag an meinem Sprachfehler, dem rictus liegen, das ist jetzt aber auch völlig egal, denn was dann noch zu diesem Thema folgt, scheint auch ganz interessant und zukunftsweisend zu sein, das habe ich noch gar nicht alles gelesen.
Als Dank habe ich Herrn Ickler und allen andern Freunden aus Sizilien eine Landesspezialität mitgebracht, nämlich eine Pizza. Wie wir Linguisten wissen, wird dieses Wort hergeleitet vom sikilischen pièçza, dieses wiederum vom altfranzösischen pièce, man denke an pièce de théâtre, pièce de prose etc., war Sizilien doch im 13. Jahrhundert eine zeitlang beherrscht vom Hause Anjou, bis es anno 1282 zu dem Ereignis kam, das irrtümlicherweise als »Die Sizilianische Vesper« bezeichnet wird, und korrekt wie folgende pièçza kündet »Das Sizilianische Vesper« heißen müßte. Es handelt sich bei diesem Exemplar um eine besondere Form der pièçza, die die Mutter frühmorgens buk und den Brüdern (frære, frare) mit auf den Weg gab, wenn diese aufs Feld zur Arbeit gingen, nämlich um eine pizza mutti di frare.
Das sizilianische vesper
Ein keiser tat, in der sunnen hitzen,
im bot mit seinen hunnen sitzen.
Es schwollen, denn's war warm, die dürste,
es schrumpelten im darm die würste.
Bald waren sie vor huenger darmlos,
so wurde auch ihr duenger harmlos.
Da meinte ein bairischer reiter: «mei -
jetzd moch ma hoid a meiterei.»
Doch sah man den maat mit dem pinsel eilen,
der konnte eine insel peilen.
Die ganze mannschaft lallend schaut,
und dann ertönt es schallend laut:
«SICILIA!» Zwischen pein und witzen
verlangt der tross nach wein und pizzen.
«VESPEREMUM IN SICILIA!» Ganz heiser schwört es
der maat. Im rumpf der schweißer hört es.
Am steuerrad ein treuer steht
und fleißig an dem steuer dreht.
Der insel zu wird schlecht gerudert -
vor lauter durst wird recht geschludert.
Schon leckt das schiff am rande leicht,
und doch ist bald das land erreicht.
Die bote am gestade liegen,
landsknechte aus der lade stiegen.
Der stolze keiser zeigt wieder nerfen,
er will das land jetzt niederwerfen.
Das bot der mannen liegt im sande,
der kecke feldherr siegt im lande.
Sein mut auch das volk in den bergen zwang,
im walde wurde den zwergen bang.
Doch aus dem ruder bald rinnt die sache,
und MONGIBELLO* sinnt die rache.
In frischer luft, auf diesen firnen,
reift die idee mit fiesen dirnen.
In des keisers palast eine niedere magd
zeigt ihm sich in ihrem miedere nackt.
Der sturmwind an die küste prallt
wen lassen solche brüste kalt!
«O bitte, entfern doch das ziergitter,
du siehst doch, wie ich schon vor gier zitter!»
Das mädchen keck sein röckchen lupft,
den keiser es am löckchen rupft.
«O komm in mein kosiges bettlein, emma!»
Doch droben am etna droht ein lemma.
Noch ehe sich die leiber wärmen,
hört man von draußen weiber lärmen:
«O keiser, so zähmt doch euer füber,
der etna schwappt vor feuer über!»
Die schöne hyazinthe flieht,
der keiser seine flinte zieht.
Noch brennt auf seinem schopf ihr küssen,
jetzt möcht er in den kopf ihr schüssen.
Zum meere die franzosen hoppeln,
die herzen in den hosen zoppeln.
Sie hopsen in ihr ruderbot,
vor scham sind alle puterrot.
SICILIENS Abendsonne winkt,
SICILIENS Volk vor Wonne singt:
«Wie stolz stand einst der keiser im bot,
jetzt winselt der geile beißer im kot.»
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Wenn groß die not ist, ein netter rat,
der MONGIBELLO als retter naht.
(*Mongibello = Ätna)
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Walter Lachenmann
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