Auch als PDF zu laden (40K) Ickler Duden-2004-Kommentar
Das unmögliche Wörterbuch
Der neue Duden 27. August 2004 Unmittelbar vor dem Ende der Rechtschreibreform einen neuen Duden herauszubringen ist zweifellos mutig. Der Bertelsmann-Verlag verzichtet vorläufig darauf, seine Deutsche Rechtschreibung neu zu bearbeiten. Er reagiert damit auf den Beschluß der Kultusminister vom Juni dieses Jahres, erstmals die amtliche Neuregelung in wesentlichen Teilen zu verändern, und will in anderen Publikationen sogar zur bewährten Rechtschreibung zurückkehren.
Der neue Duden muß längst in Arbeit gewesen sein, als bekannt wurde, daß die Änderungen sich nicht im Rahmen des vierten Berichtes der Rechtschreibkommission halten sollten. Dieser Bericht war nach breiten Protesten der Öffentlichkeit überraschenderweise nicht verabschiedet worden. Die Verfasser suchten daraufhin ihr Heil in einer überstürzten Rettungsaktion, die sich hauptsächlich als unendliche Vermehrung der Varianten auswirkt, in einigen Bereichen jedoch zu einer grundsätzlichen und folgenreichen Umkehr geführt hat.
I. Die neuen Regeln
Äußerlich scheint zunächst alles beim alten zu bleiben (Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 23., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2004. 1152 S., geb., 20,- [Euro]) . Dem Wörterverzeichnis sind in bewährter Weise die von der Dudenredaktion formulierten Richtlinien vorangestellt, diesmal als Kennziffern K 1 bis K 169 durchnumeriert. Die Zahl entspricht also beinahe den 171 orthographischen Richtlinien des alten Duden (die übrigen galten anderen Problemen); der Versuch, durch geänderte Numerierung eine Verminderung der Regeln vorzutäuschen, wird nicht noch einmal unternommen.
Am Ende des Bandes ist laut Ankündigung der unveränderte und vollständige ,Teil I: Regeln der amtlichen Neuregelung abgedruckt. Das entspricht aber nicht der Wahrheit. Man findet dort vielmehr gerade den in zentralen Bereichen stark veränderen Regeltext. Da die amtliche Neufassung der Regeln falls die vor ihrer Auflösung stehende Kommission sie überhaupt schon fertiggestellt hat noch nicht veröffentlicht ist, läßt sich nicht beurteilen, ob der Text, der übrigens in abweisend winziger Schrift gesetzt ist, den Absichten der Kultusminister entspricht. Das gilt auch für die vielen geänderten Wörterbucheinträge. In der Einleitung zum Gesamtwerk ist nur von Präzisierungen und Ergänzungen die Rede, ganz im Sinne der kultusministeriellen Sprachregelung. In Wirklichkeit machen die Änderungen alle zwischen 1996 und 2004 veröffentlichten Wörterbücher wertlos.
II. Die neuen Stichwörter
Die Dudenredakteure dürften wissen, daß mit diesem Wörterbuch die letzte Runde der Rechtschreibreform eingeläutet ist. Sie spielen die orthographischen Probleme nach Möglichkeit herunter und werben statt dessen mit den obligaten 5000 neuen Wörtern. Die hohe Zahl der 125 000 Stichwörter geht natürlich vor allem auf das Konto von orthographisch unergiebigen Zusammensetzungen. Im Duden-Universalwörterbuch, das nun wohl auch bald neu erscheint, haben über 5000 weibliche Personenbezeichnungen (Erbsenzählerin, Kolonnenspringerin, Schrotthändlerin) andere, wichtigere Wörter verdrängt. So weit geht der Rechtschreibduden noch nicht, doch findet man auch im vorliegenden Band entlegene Einträge wie Ziegelbrennerin, deren Schreibweise, wenn sie denn je in Frage stünde, sich von selbst ergibt.
III. Die Regelergänzungen
Auf das Vorwort folgt eine Liste der wichtigsten Regelergänzungen. Darin fehlt jedoch eine Änderung, die wahrscheinlich sogar die meisten redaktionellen Eingriffe verursacht hat: Die sogenannte Variantenführung ist aufgegeben, das heißt, alle Schreibweisen eines Wortes sind nun gleichberechtigt. Es war ja auch nicht einzusehen, warum Geographie gegenüber Geografie den Vorzug verdienen sollte, während es sich bei Pornografie und Pornographie gerade umgekehrt verhielt. Dafür sind nun die Neuschreibungen stets an erster Stelle angeführt, was gewiß den Eindruck erwecken soll, sie seien die moderneren und besseren. So steht Epoche machend vor dem erst jetzt wiederzugelassenen epochemachend. Bei blutreinigend und blutstillend ist allerdings ein Fehler unterlaufen: die herkömmliche Schreibung ist Hauptstichwort, und die Getrenntschreibung in beiden Fällen objektiv fragwürdig folgt als neue, rotgedruckte Variante.
IV. Getrennt- und Zusammenschreibung
Damit wenden wir uns der ersten wirklich auffallenden Änderung zu, der Getrennt- und Zusammenschreibung, die man zu Recht das Kuckucksei der Reform genannt hat. Paragraph 34, der die trennbaren Verben behandelt, ist weitgehend neu gefaßt. Unter dem Eindruck der sprachwissenschaftlichen Kritik wird erstmals der Begriff des Verbzusatzes eingeführt und das Kriterium der Betonung sowohl in die Regel als auch in die Erläuterungen aufgenommen. Die Liste der hundert Verbzusätze ist nicht nur um weitere Partikeln vermehrt, sondern außerdem geöffnet, so daß sie nunmehr mit einem ominösen usw. schließt. Da es um obligatorische Zusammenschreibung geht, kann man nur richtig schreiben, wenn man weiß, auf welche Wörter sich diese Vorschrift erstreckt. Noch im Frühjahr 2004 hatten die Reformer gegenüber ihren Auftraggebern darauf bestanden, die Liste müsse geschlossen bleiben, um nicht der Beliebigkeit Tür und Tor zu öffnen. Die nachträgliche, hastig eingearbeitete Änderung verrät sich an linkischen Formulierungen. Auf überstürzten Abschluß der Arbeiten deutet auch ein redaktioneller Fehler bei § 47 hin, wo die Erläuterung einfach den Wortlaut des Paragraphen wiederholt. So amtlich, wie er sich gibt, kann der Text nicht sein.
Auf den Kopf gestellt wird ferner die Neuregelung von Zusammensetzungen mit einem Partizip gemäß § 36. Dieser umfangreiche Paragraph ist nun erst recht unverständlich, aber der Duden bringt das Entscheidende dankenswerterweise in die klarere Fassung der Richtlinie K 58: Während es bisher hieß, partizipiale Fügungen würden ebenso behandelt wie die zugrunde liegenden Verben, kann man sie nun auch wieder zusammenschreiben, und zwar nicht nur die steigerbaren, die unterderhand schon längst wiederhergestellt sind (aufsehenerregend), sondern auch die umfangreiche Restgruppe (blutsaugend). Nicht unbedingt vorhersehbar war, daß dies auch für Zusammensetzungen mit dem Partizip Perfekt gelten soll (verlorengegangen). Beides zusammen ergibt Hunderte von wiederhergestellten Wörtern (siehe Kasten).
Heil bringend, auch heilbringend
Es ist also ungeachtet des vielen Rotdrucks auf den ersten Blick alles wieder so wie vor der Reform, denn selbstverständlich schrieb man seit je, daß zum Beispiel die blutsaugenden Tiere frisches Blut saugend ihr Leben fristen. Allerdings waren die Bedingungen, unter denen getrennt beziehungsweise zusammengeschrieben wurde, früher klarer, denn jetzt wird zu Unrecht völlige Austauschbarkeit suggeriert. Einer der Gründe, warum die Varianten keineswegs gleichwertig sind, wird vom Duden regelmäßig unterdrückt: bei prädikativem Gebrauch (. . . ist Epoche machend) wäre die Getrenntschreibung ungrammatisch. Dasselbe gilt für jene vielen Zusammensetzungen, die um der gesamthaften Steigerung willen wiedereingeführt sind: Heil bringend, auch heilbringend.
Unentbehrliche Wörter wie schwerbehindert sollten zuerst beseitigt, dann unter Hinweis auf ihre Fachsprachlichkeit wiederhergestellt werden; nun genügt die Ableitung von K 58. Auch das Allerweltswort sogenannt gibt es wieder, die Auseinanderreißung ist nicht mehr verbindlich. Aber auch hier darf nicht wie früher zwischen sogenannten Reformen und von manchen Leuten nur so genannten unterschieden werden ein eklatanter Verlust an Deutlichkeit. Für anspruchsvollere Autoren und Leser ist die nochmals neu geregelte Sprache so unbrauchbar wie die vor acht Jahren konstruierte.
In welches logische Dilemma die hastig geänderte Neuregelung führt, zeigt das folgende Beispiel: Verbindungen wie leichtverletzt waren 1996 gemäß § 36 zugunsten der Getrenntschreibung beseitigt worden. Nun werden sie wieder zugelassen, wenn das Partizip adjektivisch gebraucht wird (was immer das heißen mag; eine Erklärung sucht man vergebens). Liegt als zweiter Bestandteil aber tatsächlich ein echtes Adjektiv vor, so ist nur Getrenntschreibung zulässig: leicht verdaulich, schwer löslich. Das ist an sich schon paradox; hinzu kommt aber noch, daß gerade das verbotene leichtverdaulich oft gesamthaft gesteigert wird (noch leichtverdaulicher) und damit seine adjektivische Qualität beweist.
V. Kennziffer 58
Trotz der ungeheuren Zahl wiederbelebter Wörter bleibt noch viel zu tun, denn die Revision ist bei weitem nicht konsequent durchgeführt. K 58 erweist sich als schwarzes Loch, in dem zahllose Schreibverbote auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Es gibt keinen Grund, großgeschrieben (in jeder Bedeutung) auszusparen, nachdem fettgedruckt, großgedruckt und das Kleingedruckte bereits wiederhergestellt sind. Zum eisernen Bestand der Reform gehört die Vorschrift, Zusammensetzungen mit Wörtern auf -einander und -wärts nicht mehr zuzulassen; und diese Regel wird ausdrücklich beibehalten, in der Anwendung aber von K 58 überspielt: aufeinanderfolgend, übereinanderliegend, auswärtsgerichtet, aufwärtsfahrend und viele andere sind wieder da. Das ist für jeden Kenner der Reform eine der größten Überraschungen.
Um so weniger ist einzusehen, warum dieselbe systematische Ausnahme nicht auch für die besonders willkürliche Bestimmung gelten soll, keine Zusammensetzungen mit Adjektiven auf -ig, -lich und -isch zu bilden: fertiggestellt etwa. Eine weitere Ausnahme von der Ausnahme ergibt sich bei Verbindungen der Positionsverben mit bleiben und lassen: sitzengeblieben, stehengelassen und so weiter sind nicht angeführt, obwohl sie gemäß K 58 korrekt sind.
VI. Paragraph 34
Die Folgen für die Schule liegen auf der Hand: Deutschlehrer, die im Wörterverzeichnis nach fertiggestellt, saubergehalten oder sitzengeblieben suchen, finden zwar nichts, aber sie werden sich hüten, solche Schreibweisen als falsch anzustreichen, denn für einen intelligenten Schüler oder dessen rechtskundige Eltern sind sie aus K 58 ableitbar. All dies mag in der nächsten Auflage nachgeholt werden, und erst dann ist der Zustand, wie er vor der Reform zur allgemeinen Zufriedenheit herrschte, vollständig wiederhergestellt. A propos: wiederherstellen darf laut neuester Dudeneinsicht nur zusammen-, wiederherrichten dagegen nur getrennt geschrieben werden, und bei wiederaufbereiten ist beides möglich. Es gibt Dutzende von unvorhersehbaren Entscheidungen dieser Art allein bei wieder-, wohl- und hoch-.
In Fällen wie offengesagt wird Zusammenschreibung sogar entgegen dem bisher Üblichen neu eingeführt. Menschenverachtend wird ausdrücklich wieder zugelassen, das auf einem grammatischen Irrtum beruhende Menschen verachtend aber immer noch nicht aufgegeben. Hier besteht weiterer Änderungsbedarf. An mehreren Stellen wird ausdrücklich das bisher verpönte Bedeutungskriterium wieder eingeführt. Vollgefressen darf man zusammenschreiben, wenn es dickleibig bedeutet, sonst nicht.
Damit haben die Reformer ihren allerdings recht seltsamen Grundsatz aufgegeben, die Schreibweise nicht mit semantischen Informationen belasten zu wollen als ob es beim Sprechen und Schreiben um etwas anderes ginge als Bedeutungsvermittlung. Wer hätte übrigens gedacht, daß schmerzstillend anders geschrieben wird als blutstillend, nämlich nur zusammen? Dieselbe Unterscheidung findet man bei kostendeckend gegenüber Kosten senkend, kräftezehrend und Kräfte raubend. Vielleicht hat die Redaktion keine Zeit mehr gehabt, diese Unstimmigkeiten auszuräumen in einem Leitwörterbuch der deutschen Orthographie stiften sie Verwirrung.
Abschließend kann man zu diesem Bereich sagen: Durch die Neufassung von § 34 werden Hunderte von richtigen Getrenntschreibungen falsch, durch den neuen Paragraphen 36 werden ebensoviele falsche Zusammenschreibungen wieder richtig. Die Folgen sind dieselben, ein Desaster für den Deutschunterricht und, nebenbei bemerkt, auch für die Schulbuchverleger, die immer noch verblendet genug sind, die Revision für harmloser zu halten als die entschlossene Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung, wie sie im ganzen zwanzigsten Jahrhundert üblich war und immer noch allgemein bekannt ist.
VII. Groß- und Kleinschreibung
Ein weiterer Stein des Anstoßes war die reformierte Groß- und Kleinschreibung. Im Deutschen werden feste Begriffe in zunehmendem Maße groß geschrieben, weit über das laut Duden zulässige Maß hinaus: Erste Hilfe, Schneller Brüter usw. Dieser modernen Entwicklung stemmte sich die Reform entgegen, indem sie generelle Kleinschreibung verordnete: erste Hilfe, schwarzes Brett, hohes Haus. Sogar die reformwilligen Nachrichtenagenturen verweigerten hier die Gefolgschaft.
Die Reformer wollen nun für den Gebrauch in manchen Fachsprachen die abgeschaffte Großschreibung fester Begriffe wieder zulassen. Bereits in der Einleitung wird darauf hingewiesen, daß zum Beispiel der Goldene Schnitt wieder erlaubt sei. Schlägt man jedoch im Wörterverzeichnis nach, so scheint die Botschaft dort noch nicht angekommen zu sein, denn es wird, gerade unter Hinweis auf den fachsprachlichen Gebrauch (Math.) ausschließlich Kleinschreibung erlaubt. Dasselbe gilt für das gelbe/Gelbe Trikot, die aktuelle/Aktuelle Stunde, die erste/Erste Hilfe, der letzte/Letzte Wille, die neuen/Neuen Medien und viele Ausdrücke, die nicht schon im Duden-Regelwerk angeführt sind. Die Umarbeitung des Wörterbuchs wurde hier anscheinend vorzeitig abgebrochen.
Übrigens ist der Begriff der Fachlichkeit so weit gefaßt, daß eigentlich alles darunterfällt. Eine besonders knapp geratene Anfrage mag kleine Anfrage, ein mißfarbener Star grauer Star genannt werden, aber darum geht es hier natürlich nicht; die fraglichen Ausdrücke sind per se fachsprachlich und daher groß zu schreiben. Der systematische Unterschied zwischen Erster Hilfe und irgendeiner besonders früh geleisteten ersten Hilfe läßt sich mit der Reformschreibung weiterhin nicht zum Ausdruck bringen.
Mit der bereits seit Jahren angekündigten Ausweitung der Großschreibung (bei Weitem, von Neuem, das Meiste) wirft die nochmals reformierte Reform die Sprachentwicklung bis tief ins neunzehnte Jahrhundert zurück. Die Neuregelung wirkt nach wie vor willkürlich und überflüssig (zu Nutze, zu Schulden kommen lassen, andererseits zurate, vonseiten und so weiter); teilweise bleibt sie grammatisch falsch (Pleite gehen, Recht haben, Leid tun). Die Revision wurde nicht als Gelegenheit genutzt, wenigstens die gröbsten Irrtümer zu beseitigen. Mit der Frage, aufgrund welches Paragraphen jenseits von gut und böse neuerdings klein geschrieben werden muß, könnte man eine gesellige Runde einen ganzen Abend lang beschäftigen.
VIII. Die Silbentrennung
Die Silbentrennung hat sich infolge der Reform vom wahrhaft marginalen Bereich zum Hauptstreitobjekt entwickelt. Die Konkurrenten auf dem Wörterbuchmarkt wetteiferten jahrelang darin, wer die meisten neuen Trennstellen verzeichnet: a-brupt, as-tigmatisch, Fide-ikommiss, Hämog-lobin, Pog-rom. Nach dem Sinn der Silbentrennung wurde gar nicht mehr gefragt. Auf diesem Weg in die Barbarei geht der neue Duden weiter als je zuvor.
Es ist schon früh gezeigt worden, daß die scheinbare Vereinfachung in Wirklichkeit zu neuen Problemen führt. Wer Tonsil-lektomie, Hyste-rektomie, Mas-tektomie; A-narchie, Hie-rarchie, Oli-garchie; Res-pekt, Epis-kop und so weiter trennt, wie es der Duden vorsieht, gibt sich erstens als Stümper zu erkennen und läßt sich zweitens die Einsicht in den wahren Aufbau der Fremdwörter entgehen. Auf lange Sicht wäre es ökonomischer, sich die Bestandteile -ektomie, -archie, -spekt, -skop und so weiter anzueignen, um sie in entsprechenden Wortreihen wiederzuerkennen und anzuwenden. Mit Lektomie, Rektomie, Tektomie, Narchie und Rarchie kann man nichts anfangen. Indem das Wörterbuch solchen Unsinn gleichberechtigt neben die morphologisch korrekten Trennungen stellt, tut es dem ratsuchenden Benutzer keinen Gefallen, sondern verweigert ihm die Auskunft, um derentwillen er überhaupt nachschlägt.
IX. Etymogeleien
Die Dudenredaktion hat jedoch weiterhin nicht den Mut, den Absurditäten der Neuregelung entgegenzutreten. An den Etymogeleien, die ausschließlich auf das Konto des Reformers Gerhard Augst gehen, wird nichts geändert. Wer künftig sprachrichtig einbleuen, schneuzen oder Zierat schreibt, macht einen Fehler. Man muß schreiben mit behänden Schritten, mag es noch so widersinnig sein. Die Dreibuchstabenregel wird durch empfohlene Bindestriche ihrer Lächerlichkeit überführt: Eisschnell-Läufer usw. Die deutschtümelnde Zusammenschreibung englischer Fremdwörter bringt so unerfreuliche Gebilde hervor wie Slidingtackling, Suddendeath. Eigennamen werden von der Reform nicht angetastet, daher bleibt die Litfaßsäule unverändert.
Manche Kultusminister werden wohl erst durch den vorliegenden Band erkennen, worauf sie sich eingelassen haben. Es ist zu hoffen, daß die Sprachgemeinschaft, die aus sicherem Instinkt das ganze Reformprojekt stets abgelehnt hat, sich nicht mehr ernsthaft mit den jüngsten Einfällen einer Kommission beschäftigen muß, deren Inkompetenz der neue Duden so überdeutlich bloßlegt.
Wiederhergestellte Wörter
Vieles von dem, was in der letzten Auflage des Duden noch als falsch galt, ist jetzt wieder erlaubt. Allein im Bereich der Zusammenschreibung sind zahlreiche bewährte Schreibweisen wiederhergestellt:achtunggebietend, alleinerziehend, alleinseligmachend, allgemeinbildend, aufsehenerregend, datenverarbeitend, doppeltwirkend, eisenverarbeitend, erfolgversprechend, feuerspeiend, fleischfressend, getrenntlebend, gleichlautend, handeltreibend, hilfesuchend, nichtssagend, treusorgend, vielversprechend, zähfließend; bekanntgeworden, braungebrannt, breitgefächert, feingemahlen, festgefügt, heißbegehrt, neubearbeitet, quergestreift, selbstgedreht, übelberaten, zartbesaitet und so weiter.
Der Autor lehrt Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen.
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