Zu Kürschners Beitrag (Nachrichtenseite)
(Ich setze die Diskussion zum heutigen Eintrag von Herrn Kürschner auf der Nachrichtenseite hier fort, wo sie hingehört.)
Ich entscheide nicht über richtig und falsch, das habe ich schon so oft gesagt, daß ich es bald nicht mehr wiederholen mag. Ich mache Vorschläge für sinnvolles Schreiben, auf der Grundlage von Beobachtungen des gewachsenen, tatsächlichen Schreibgebrauchs. Ich immunisiere mich so wenig, daß ich gerade im Gegenteil jedermann einlade, meine Vorschläge zu verbessern, und in der Neubearbeitung wird man sehen, wieviel die Freunde zu meinem Wörterbuch beigetragen haben.
Druckfehler wie nach dem mendeln sich weg, wenn man hinreichend viele Texte untersucht oder hinreichend gebildet ist. Ist es möglich, mir ernsthaft nahezulegen, ich müßte jeden Druckfehler als Variante verzeichnen? Reverenz und Referenz werden oft verwechselt, aber der Unterschied ist schon deshalb nötig, damit ein hübsches Wortspiel wie kürzlich in der FAZ in einem Beitrag über Donald Davidson möglich bleibt. Die FAZ achtet sehr darauf, aber Versehen (besonders von Schreibkräften) sind natürlich sehr häufig. Wo ist das Problem? Und wo bleibt der Blick nach England usw.? Neben meinem Wörterbuch hat auch eines von Kürschner Platz, und es dürfte der Sache nach nicht sehr viel anders aussehen, vielleicht besser es wäre ein Gewinn für uns alle.
Übrigens möchte ich nicht mißverstanden werden. Ich kneife keineswegs vor der Frage nach der Methode. Ich habe sie vielmehr beantwortet.
Aber das Argumentieren an konkreten Beispielen gefällt mir sehr gut, und ich ermuntere Herrn Kürschner ausdrücklich, damit fortzufahren.
Wohin Methoden führen, sehen wir an Herrn Kürschners Deutschheitsprinzip (oder wie es heißt): Wo es Varianten mit e und ä gibt, zieht er die Umlautschreibung vor, weil sie deutscher ist. Also aufwändig, auch wenn, wie bereits gezeigt wurde, die Schreibung mit e eigentlich natürlicher ist, weil sie die primäre Laut-Buchstaben-Beziehung erfüllt. Aber das soll mir hier so gleichgültig sein wie die falsche Etymologie und die Unüblichkeit. Was ich hervorheben möchte: Kürschner erlaubt sich die Anwendung seines Prinzips nur in dem engen Rahmen, den eine Handvoll obskure Reformer abgesteckt haben. Also nicht käntern, Spängler, Häu usw. Warum diese sklavische Selbstbeschränkung? Wer sind diese Herren, die fast alle von Sprachwissenschaft weniger verstehen als Herr Kürschner? (Das ist meine wirkliche Meinung!)
Hier ist noch ein besonders provokantes Beispiel, das ich Herrn Kürschner zuliebe auswähle, weil er mir damit besonders leicht meine Unzuverlässigkeit nachweisen könnte: Ich gebe ja bei so daß auch die zusammengeschriebene Variante an, obwohl mir nicht entgangen ist, daß sie in den von mir bevorzugten Texten kaum vorkommt. Um so stärker ist aber seit unvordenklicher Zeit die Neigung, es zusammenzuschreiben, und hintertrieben wird sie nur dadurch, daß die richtige Schreibung dieses ungemein häufigen Wortes uns in der Schule eingebläut (deutscheste Schreibung!) worden ist und wegen des häufigen Vorkommens stets gegenwärtig geblieben ist. Ich bin also überzeugt, daß der Duden und die Schulmeister hier etwas mit ungeheurem Aufwand konserviert haben, und bin so frei, dies nicht mitzumachen. Die Alternative wäre gewesen, ein völlig überflüssiges Stückchen Sprachmeisterei (E. Engel) für weitere endlose Exerzitien in der Schule weiterzugeben, obwohl die Univerbierung längst angelegt und durch die Betonung auch gesichert ist. Gut, man kann darüber reden, aber so ist das eben, und keine Methode kann es ändern.
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Th. Ickler
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