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BITTE LESEN!! Hochschulreife? Sprachnotstand an der Uni – Studenten können keine Rechtschreibung mehr [aus faz.net]
Sprachnotstand an der Uni
Studenten können keine Rechtschreibung mehr
27.03.2014 • „Vorrausetzung“, „wiederrum“, „Kommulitionen“ eine genervte Politik-Dozentin berichtet über den abenteuerlichen Umgang mit der deutschen Sprache in Seminararbeiten. Ein Gastbeitrag.
Von Hannah Bethke
In den Semesterferien gehört es an deutschen Hochschulen zu den Aufgaben der Dozenten, Hausarbeiten von Studenten zu korrigieren, die zu einem Thema des von ihnen besuchten Seminars angefertigt wurden.
Was sich dem Leser dieser Arbeiten mittlerweile zunehmend darbietet, ist nun allerdings eklatant. Man kann von Glück reden, wenn eine Hausarbeit vorliegt, die Mängel in der wissenschaftlichen Analyse aufweist denn das setzt voraus, dass das Einstiegsniveau immerhin so hoch ist, dass man überhaupt von einer wissenschaftlichen Arbeit sprechen kann. In erschreckend vielen Fällen lässt sich dies nicht einmal ansatzweise behaupten. Dabei geht es nicht um wissenschaftstheoretische Feinheiten, nicht um „Expertenwissen“ und Scheingefechte im belächelten Elfenbeinturm der Wissenschaft, sondern um eine leider völlig abhanden gekommene Selbstverständlichkeit, die eigentlich bereits mit dem Erreichen der Mittelstufe gegeben sein sollte: die Beherrschung der deutschen Grammatik.
Nun ist es nicht nur so, dass der Konjunktiv I grundsätzlich falsch oder gar nicht angewendet wird („Konjunktiv ist das Gegenteil von Imperativ“, lautete eine der abenteuerlichen Antworten auf meine Nachfrage im Seminar, ob denn jemand erklären könne, worum es sich beim Konjunktiv wohl handeln könnte), die Regeln der Kommasetzung weder verstanden noch umgesetzt werden und die Groß- und Kleinschreibung ein großes Rätsel des Universums zu sein scheint. Es werden vielmehr auch Fehler gemacht, mit denen man nicht einmal einen Hauptschulabschluss kriegen dürfte und da hilft auch nicht der Hinweis auf die flächendeckende Verwirrung, die die unsägliche Rechtschreibreform hervorgerufen hat: Ein „Beispiel hier führ“ schreibt einer, „ein Probartes Mittel“ eine andere, „vermeidlich“ (die Autorin meint: vermeintlich), „Vorrausetzung“, „wiederrum“, „Kommulitionen“ (gemeint ist: Kommilitonen) der Kreativität der Rechtschreibfehler sind keine Grenzen gesetzt. [...]
Das Lesen solcher Arbeiten ist nicht nur nicht erfreulich. Es ist eine Zumutung. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Studenten, deren Muttersprache Deutsch ist. Oftmals ist es sogar so, dass ausländische Erasmus-Studenten die deutsche Grammatik besser beherrschen als ihre deutschen Kommilitonen. [...]
An deutschen Schulen und Universitäten hat eine systematische Niveaunivellierung stattgefunden, die das Ergebnis einer wachsenden Scheu ist, den Lernenden gegenüber Grenzen zu ziehen, schlechte Leistungen als solche zu benennen, Unterschiede zu sehen und zu akzeptieren, anstatt allen ob sie dafür geeignet sind oder nicht alles eröffnen zu wollen.
In der erschütternden Unkenntnis der deutschen Orthographie drückt sich nicht nur aus, dass offensichtlich kaum noch Bücher gelesen werden. Sie spiegelt auch ein Problem wider, das mit der Abschaffung des Frontalunterrichts die, man glaubt es nicht, im Jahr 2014 immer noch als innovativ angepriesen wird eingetreten ist: Der Verzicht auf Anleitung führt dazu, dass eine Fehlerkontrolle ausbleibt und die Schüler in ihrem oftmals falschen Selbstbild von ihren Leistungen nicht nur bestärkt, sondern paradoxerweise gleichzeitig auch alleine gelassen werden. Allzu oft wird an den Universitäten dieses Problem nicht etwa behoben, sondern durch die (verantwortungslose!) inflationäre Vergabe guter Noten fortgesetzt.
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Die angeführten Beispiele zeigen jedoch überdeutlich, dass das deutsche Bildungssystem an gravierenden Stellen versagt. Gymnasien, die nicht einmal in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass ihre Absolventen nach Erlangen der allgemeinen Hochschulreife die deutsche Rechtschreibung beherrschen, stellen sich selbst ein Armutszeugnis aus.
Über kurz oder lang wird dieses System, das bei konsequenter Fortführung zu einer nachhaltigen Verdummung der Gesellschaft führen würde, keinen Bestand haben. Es ist zu hoffen, dass der jetzige Bestand eher von kurzer als von langer Dauer sein wird.
Hannah Bethke lehrt Politikwissenschaft an der Universität Greifswald.
faz.net 27.03.2014
Artikel gekürzt, Hervorhebungen durch A.S.
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