(vom 2.12.2008, 16:33 Uhr:) http://www.tagesschau.de/inland/cduparteitag122.html
>>Überraschender Parteitagsbeschluss
CDU will Deutsch im Grundgesetz verankern
Die deutsche Sprache soll nach dem Willen der CDU Verfassungsrang erhalten. Die CDU entschied auf ihrem Stuttgarter Bundesparteitag, dass ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgesetz aufgenommen werden soll. Dieses soll lauten: Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch. Eine große Mehrheit der Delegierten plädierte gegen den Willen der Parteiführung für einen entsprechenden Zusatz im Grundgesetz.
Viele CDU-Politiker sehen nach eigenen Worten keine Gefahr, dass der Beschluss Bevölkerungsgruppen ausgegrenze, die eine andere Muttersprache haben. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Maria Böhmer, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: Deutsch ist das Band, das uns verbindet. Sprache sei die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das gelte auch für die Integration von Migrantinnen und Migranten.
Eine schiere Selbstverständlichkeit
Bundestagspräsident Norbert Lammert wies darauf hin, dass es in den meisten Verfassungen der EU-Staaten ein solches Bekenntnis gebe. Wenn Deutschland dem folge, sei das eine schiere Selbstverständlichkeit und habe nichts mit einem Nationalchauvinismus zu tun. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller meinte, die Partei müsse sich klar dazu bekennen, was den Staat ausmacht. Neben der Flagge gehöre dazu auch die deutsche Sprache.
Die CDU-Delegierten stellten sich mit ihrem Votum ausdrücklich gegen den Vorschlag von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Dieser hatte angeregt, den Antrag an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu überweisen. Der Antrag sei in der Sache völlig unstrittig. Es sei aber sinnvoller, ihn an die Fraktionen zu überweisen, um sämtliche Begehren zu einer Verfassungsänderung zu bündeln, sagte er.
Typische Showgeschichte
Die SPD zeigte sich verwundert. Fraktionschef Peter Struck sagte, bislang habe die Union immer betont, sie wolle das Grundgesetz nicht mehr ändern. Allerdings sei die SPD bei diesem Thema unter bestimmten Bedingungen gesprächsbereit. Im Gegenzug müsse die Union jedoch zu wichtigeren Dingen, wie der Aufnahme von Kinderrechten oder des Sports in die Verfassung, bereit sein.
Deutliche Kritik kam von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Das ist überflüssig. Die Amtssprache ist Deutsch. Ansonsten werden bei uns viele Sprachen gesprochen, sagte er der Welt. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, sagte der Zeitung: Sich im Grundgesetz zur deutschen Sprache zu bekennen, ist blanker Unsinn. Das ist eine typische Showgeschichte eines Parteitages.
Fragwürdige Bekenntnisrhetorik
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kommentierte in der Frankfurter Rundschau: Bei den wirklich wichtigen Fragen wie der Finanz- und Wirtschaftskrise eiern sie nur verdruckst herum und finden keine klare Linie. Auch schlüssige Antworten auf die Bildungsmisere in Deutschland bleibe die Partei schuldig: Mit fragwürdiger Bekenntnisrhetorik versucht die CDU nun, diese Leerstellen zu übertünchen.
Kritik kam auch von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Erneut bedienen einige Politiker in der CDU vorhandene Ängste und Klischees gegenüber Migrantinnen und Migranten, erklärte der Vorsitzende Kenan Kolat. Wir verstehen dieses Vorhaben als Assimilierungsdruck und mit demokratischen Gepflogenheiten nicht vereinbar.
[Einschub:] Deutsch in der Öffentlichkeit
Die deutsche Sprache ist schon heute im öffentlichen Bereich gesetzlich vorgeschrieben. So bestimmt das Gerichtsverfassungsgesetz in Paragraf 184: Die Gerichtssprache ist deutsch. Auch der Schriftverkehr in allen Ämtern muss in deutscher Sprache geführt werden. Im Verwaltungsverfahrensgesetz heißt es dazu: Die Amtssprache ist deutsch. Wer Anträge in einer fremden Sprache stellt, muss eine Übersetzung vorlegen.
Unabhängig von diesen Vorschriften dürfen Universitäten oder Schulen einen Teil ihres Lehrangebots in einer Fremdsprache unterrichten. So gehen deutsche Universitäten zunehmend dazu über, einen Teil ihrer Vorlesungen auf Englisch anzubieten. Auch an weiterführenden Schulen gibt es sogenannten bilingualen Unterricht.<<
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Detlef Lindenthal