Danke, daß es Dich giebt!
Mein lieber Wrase,
Freund der ersten Stunde des heroischen Widerstands gegen obrichkeitliche Sprachtalibane, Partner eines unvergessenen, nicht enden wollenden Thelephongespräches, Tröster meiner Verzweiflung, als ich geistig nackend im Thal der Krotten am Boden liegend der orthographischen Verzweiflung nahe war, ich wußte: Irgendwann würden Sie kommen, sei es auch in letzter Minute, gerade noch rechtzeitig, ehe die meuchlerische Schlinge orthographischer Gewaltstreich inquisitorischer Ketzer-Ketzer-Schänder um meinen Hals diesen zuschnüren und meine kostbare Stimme vox humana und vox populi in einem (auf Wunsch können zahlreiche Dankschreiben vorgelegt werden) zum Röcheln und dann für immer zum Ersticken bringen würde!
Sie sprechen mir aus der Seele: Auf so eine Idee kann man nur kommen, wenn man irgendwelche theoretischen Aspekte höher gewichtet als den praktischen Zweck der Rechtschreibung
Die Idee der Sprach- und Schreibautonomie ist doch, so scheint mir jedenfalls, schon eher auch so etwas wie eine Theorie, von deren Lebendigkeit im deutschen Sprachvolk man bisher wenig gemerkt hat. Man weiß auch wenig darüber, inwieweit sich das Volk für diese ungewohnte Segnung begeistern würde, wüßte es von dessen Möglichkeit. Wahr ist zwar, daß sich Ihre Bemerkung auf eine andere Idee bezieht, als die, über die ich mit meinem Problemkind immer wieder ins Gespräch kommen will, das leider etwas bockig ist.
Da kann nämlich ich »nicht finden, daß mein Diskussionspartner sich hinreichend darauf einläßt.«
Die vermutlich gepaßt hättende Antwort ist vielleicht an anderer Stelle zu finden: »Verstehe ich nicht, interessiert mich nicht.«
Stattdessen erhielt ich folgenden Bescheid: »Mich ständig mit Räsonieren über den Stil unserer Diskussion zu befassen genügt mir nicht und kostet auch unnötig viel Zeit.«
Hierauf könnte ich, mich wiederholend, versetzen: »Geht mir genauso.« Und, etwas säuerlich und leicht verschnupft: »Ist das alles, was Sie aus meinen umfangreichen und engagierten Einlassungen herausgelesen haben?«
Aber das erinnert mich an Versuche, mit Frau Dr. Menges in ein ersprießliches Gespräch zu kommen. Die Sprache ist die Voraussetzung jeglichen Mißverständisses. Oder, wie die Franzosen sagen: Mais c'est un vrai dialogue de sourds!
Ist schließlich auch egal, mein Bier steht in einer anderen Kneipe, mein Rosso steht in meiner butzenscheibigen Zirbelholzwohnküche. Dennoch:
Die Frage Wie ist es denn nun richtig? findet keine Gnade, weil sie der Natur der Sprache zuwiderläuft und Ausfluß einer Gesinnung ist, die ich aufs schärfste bekämpfe. (Zu Gesinnung s.o.: Idee)
Die Sekretärinnen und andere, die mit Rechtschreibung keinerlei Gesinnungsfragen verbinden, werden die Frage weiterhin immer wieder stellen und beantwortet wissen wollen. Außer dem neuen Deppenduden werden sie kein Wörterbuch finden, das ihnen bei ihren Unsicherheiten so hilft, wie sie es von einem Wörterbuch erwarten dürfen sollten. Und wenn ein solches Wörterbuch nicht gemacht wird, braucht man sich über den Siegeszug des staatlich verordneten Dummdeutschs nicht zu beklagen. Tut mir Leid und zwar so wie hier geschrieben.
Wer von dieser Frage nicht lassen kann oder will, gehört dann eben nicht zu meinen Patienten, sondern soll sich einen Kassenarzt suchen.
Aber, aber! Da reicht eine Kopfnusss nun wirklich nicht, cher Docteur! Wie war das mit der Zweiklassen-Rechtschreibung?
Einen Arzt brauche ich als Naturbursche ja ohnehin niemals. Aber auf einen, der mir irgendeine, egal welche, »Gesinnung« verabreicht anstelle eines Wundverbandes, würde ich immer verzichten wollen. Auch auf sein Serum. Wissen Sie eigentlich, was der Unterschied ist zwischen einem Arzt und einem Mönch? Die Antwort steht im Gästebuch.
Die gesetzliche Rechtschreibversicherung ist zwar etwas teurer, aber viel bequemer. Das verstehe nun wiederum ich nicht, es interessiert mich aber auch nicht.
Muh!
.[Geändert durch Walter Lachenmann am 09.03.2001, 19:11]
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Walter Lachenmann
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