Ich habe ja bereits angekündigt, daß das Wörterbuch, soweit unsere schwachen Kräfte es erlauben, ausgebaut werden soll, und deshalb diskutieren wir hier nacheinander die einschlägigen Probleme. Bunte Bögen habe ich bisher auch nicht zurückgewiesen, kann mich allerdings auch nicht damit anfreunden, aber wer weiß, vielleicht bringen wir trotz der Kosten eines Tages Farbe hinein. Das ist im Augenblick nachrangig.
Wichtiger ist der grundsätzliche Meinungsunterschied, und hier bin ich auf der Seite von Herrn Markner.
Das Rechtschreibwörterbuch sollte zunächst ein reines Orthographikon sein und ist es ja auch geworden.
Die an sich richtigen Beoabchtungen von Herrn Peil erweisen sich als irrelevant, wenn es um das Existenzrecht eines bestimmten Wortes geht. Übrigens kann ich die Behauptung, daß selbstständig durchweg in der vereinfachten Weise (also wohl genau wie selbständig?) gesprochen werde, nicht teilen. Das ist natürlich schwer zu beweisen, aber viele Leute sprechen es wie geschrieben, also vielleicht nach der Schrift, gleichviel. Vielleicht beruht auf diesem Irrtum ein Teil des Streites, ob es sich nur um Schreibvarianten handelt.
Entscheidend ist jenseits oder besser diesseits allen Räsonierens, ob das Wort in Gebrauch ist.
Was die Übereinkunft betrifft: Die Verbannung von selbstständig war ein Akt der Willkür, keine Übereinkunft des Sprachvolkes. Selbst dies würde mich aber nicht zur Wiedergutmachung veranlassen, wenn es nicht in Gebrauch geblieben wäre.
Herr Peil ist ein ausgezeichneter Kenner des Dudens, vielleicht der beste überhaupt, aber er sieht eben wirklich immer auf den Duden, nicht auf die Sprachwirklichkeit. Bei mir ist es gerade umgekehrt.
Der entscheidende Punkt ist aber wirklich, daß Herr Peil die Frage Wie kann man es schreiben? ersetzt wissen will durch Wie schreibt man es richtig? Es ist leicht zu sehen, daß hier keine Einigung möglich ist. Es geht um das, was ich meine liberale Einstellung nenne und für die einzig gerechtfertigte gegenüber einem Repertoire von Verhaltensgewohnheiten wie der Sprache halte. Peil und Riebe haben das (unterstellte) Gewißheitsbedürfnis von Schülern im Sinn, ich den Gestaltungswillen von Erwachsenen. Wobei ich eben glaube, daß Schüler, weil sie zu Erwachsenen erzogen werden sollen, durchaus auch schon den Erwachsenenstandpunkt begreifen und annehmen können.
Leider muß ich überdies eine Parallele zum Vorgehen der Reformer feststellen: Schaeder und Augst haben ja zugegeben, daß die ig/isch/lich-Regel reine Willkür ist, aber sie sagen: lieber eine willkürliche, aber sichere Entscheidung als gar keine. Sie haben also keine Ambiguitätstoleranz (vgl. Riebes Beliebigkeitshorror). Angeblich wird der Schüler sonst von Ungewißheit gequält, wenn er nicht gesagt bekommt, ob er nun fertig stellen oder fertigstellen schreiben soll. Bewiesen ist das übrigens nicht einmal für die Schüler; die Lehrer glauben hier einfach zu wissen, was denen guttut.
Ist es wirklich ganz unvorstellbar, daß deutsche Muttersprachler die Gewohnheit, die sie ja in der Tat haben, nämlich kurze Ergebniszusätze mit dem Verb mehr oder weniger regelmäßig zusammenzuschreiben, auch in ausformulierter Gestalt begreifen und als Beschreibung ihres tatsächlichen Verhaltens hinnehmen? MUSS wirklich die Frage aufkommen Wie denn nun??
Das ist der Kern des Problems, und es ist wohl schon deutlich geworden, daß ich hier auch in Zukunft keinen Zollbreit zurückweichen werde. Ich glaube schlechterdings nicht an das unausrottbare Sicherheitsbedürfnis, sondern im Gegenteil an die mögliche Emanzipation der bisherigen Duden-Befehlsempfänger. Wer das Volkswörterbuch mit seinem So und nicht anders will, der soll es selber schreiben (es ist sehr leicht! vier Wochen Arbeitszeit genügen), ich werde es auf keinen Fall schreiben.
Nachtrag: Damit wir immer hübsch nahe an der Sache bleiben, will ich gerade mal eine Scheibe in den PC schieben und folgendes mitteilen: Der Duden wollte ja immer, daß man guttun und nicht anders schreibt.
Die SZ 1998 hat: 19 Belege für gut tun, 24 für guttun, 39 mal gut getan, 30mal gutgetan, 22mal gut tut, 17mal guttut. Usw.
Anderswo dürfte es ähnlich aussehen. Also, liebe Freunde der Gewißheit: Wie schreibt man richtig? Frisch ans Werk! (Wie ich entscheiden würde und entschieden habe, liegt ja auf der Hand.) Und übersehen Sie bitte nicht die vielen Belege wie hätte ihr sehr gut getan!
|