Meine Gedanken zur neuen Rechtschreibung
Guten Abend!
Zuletzt habe ich im Alter von 15 Jahren in dieses Forum geschrieben und mich darüber gewundert, dass Sie sich so vehement gegen die Rechtschreibreform wehren. Jetzt – 6 Jahre später und sie kämpfen immer noch verbittert – möchte ich mal meine Gedanken zur neuen Rechtschreibung zum Besten geben – als ehemaliger Schüler, der beide Schreibungen in der Schule kennen gelernt hat und von alt auf neu umlernen musste. Ich hoffe, man darf sich in diesem Forum auch positiv zur Rechtschreibreform äußern.
Die neue ss/ß-Regel.
Jeder, der sich ernsthaft mit der neuen Rechtschreibung auseinander gesetzt hat, bringt der neuen Regel Anerkennung entgegen. Das ist verständlich, denn sie beendet die verwirrende Zwitterfunktion des Eszetts. Das Eszett ist jetzt „nur“ noch ein eigener Buchstabe, keine Variante von ss mehr. Die Behauptung, man müsse die alte ss/ß-Regel kennen, um die neue anwenden zu können, ist völliger Blödsinn. Die neue Regel ist nachvollziehbar, wenn man einmal verstanden hat, wie das mit den Doppelkonsonanten funktioniert. Können, kann, konnte, könnte – müssen, muss, musste, müsste.
Ich glaube, kein ernst zu nehmender Linguist wird behaupten, dass irgendetwas sprachwissenschaftlich Begründetes für die alte Regel spricht. Höchstens ästhetische Vorzüge mag sie für den einen oder anderen haben – aber das ist alles Gewöhnungssache.
Aufhebung vieler Unterscheidungsschreibungen
Eine der besten Änderungen sind meiner Meinung nach die Aufhebungen der Unterscheidungsschreibungen zwischen wörtlich und im übertragenden Sinn gemeinter Varianten (sitzenbleiben, stehenbleiben). Das hat sowieso nicht funktioniert (baden gehen, fallenlassen), und deshalb ist es nur konsequent diese Differenzierungen fallen zu lassen. Ich lese seit Jahren Bücher, Zeitschriften und die Tageszeitung in neuer Orthographie, und mir ist es noch nie untergekommen, dass aus dem Kontext nicht klar wurde, was genau gemeint war.
Vermehrte Großschreibung
Da ich nicht vom Fach bin, kann ich schlecht beurteilen, was man als Substantiv auffassen muss und was nicht. Jedenfalls heißt es schon in alter Rechtschreibung „ein großes Ganzes“, während es in der Wendung „im großen und ganzen“ plötzlich kleingeschrieben werden soll. Wie gesagt, ich bin kein Linguist, aber richtig schreiben sollen auch Nichtlinguisten können, und die neue Groß- und Kleinschreibung ist intuitiv nachvollziehbar.
Getrennt- und Zusammenschreibung
Dafür braucht man nach alter wie neuer Rechtschreibung einen Duden zur Hand. Grundsätzlich halte ich aber den Ansatz, keine unzähligen Einzelfestlegungen zu machen, sondern stattdessen Regeln für die Zusammen- und Getrenntschreibung einzuführen, für richtig.
Viele Änderungen sind auf den ersten Blick sinnvoll (wie viel, gut bezahlt), manche gewöhnungsbedürftig (fertig stellen, selbst gemacht).
Es wurde auf diesem Gebiet zuletzt vieles liberalisiert, was ich sehr begrüße. Ob nun jemand „weit reichend“ oder „weitreichend“ schreibt, ist doch völlig egal. Es ist beides gleich gut verständlich.
Fremdworteindeutschung
Braucht man nicht groß drüber zu diskutieren. Ob der Duden nun Majonäse, Büro, Kautsch, Scheff oder sonst was vorschlägt, oder ob jemand anderes Portmonee, Ketschup und Fantasie vorschlägt – manches wird angenommen und setzt sich durch (Büro, Majonäse, Fantasie) und manches wird eben nach einiger Zeit wieder aus dem Duden gestrichen. Das ist ein guter Weg.
Etymologie, „Volksetymologie“
Die Änderungen auf diesem Gebiet halte ich teilweise für schlecht (schnäuzen, gräulich), teilweise für gut (überschwänglich, Tollpatsch). Dass der Tollpatsch nicht toll ist, ist auch so klar. Das Tollhaus hat auch nichts Tolles an sich.
Vielleicht sollten Sie einfach etwas lockerer mit diesem Thema umgehen. So schlecht ist die neue Rechtschreibung gar nicht.
Ich hoffe, dass hier auch ein Nichtlinguist und noch dazu Reformbefürworter seinen bescheidenen Senf dazugeben darf.
In diesem Sinne, viele Grüße
Kurt
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