Zitat: Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Unhörbar ungleich nicht hörbar ? Vielleicht (gibt es Beispiele für diese terminologische Differenz ?), aber es kommt ja weniger auf die Rahmenbedingungen an (das Rauschen in der Leitung o. ä.) als auf die Fähigkeiten der Versuchsperson.
Ich will es mal anders auffädeln, da es ja um die Frage der Konsonantenverdoppelung ging:
Gegenüber der sehr sorgfältigen und überartikulierten Bühnenaussprache erfordert die gebundene Rede im normalen Gespräch, daß Artikulationsbewegungen verkürzt und vereinfacht werden, was natürlich auch die Konsonantendauer betrifft. Bei einem /t/ z. B. wird die Verschlußphase verkürzt und kann in sehr schneller Rede sogar ganz entfallen. Was man dann isoliert, z. B. über den PC, hört, gleicht beinahe einem /s/. Oder die Entstimmung kann entfallen, wobei die Stimmbänder nur teilweise geöffnet werden und der resultierende Sprachlaut sich einem /d/ annähert.
Das Wichtige dabei ist allerdings, daß die Kontraste gewahrt bleiben. D. h. /t/ wird stimmhaft, ohne daß es mit /d/ identisch wird. Dasselbe geschieht bei zwei aufeinanderstoßenden gleichen Konsonanten: Sie werden verkürzt, ohne dabei dieselbe Länge zu erreichen wie das einfache Gegenstück.
Bei diesen Unterscheidungen ist der Sprechapparat unglaublich präzise, und das ist der Grund, warum solche Unterschiede durch das Ohr nicht immer heraushörbar sind. Wenn ich z. B. die Sätze
Er versteht Torsten nicht
und
Ich versteh Torsten nicht
in flotter und relativ stark verschliffener Umgangssprache ausspreche, stelle ich fest, daß die Verschlußdauer von /t/ im oberen Satz immer ein klein wenig länger ist als im unteren. Wichtig hierbei ist natürlich, daß die Sprechgeschwindigkeit mehr oder weniger identisch ist. Die Unterschiede befinden sich im Bereich von schätzungsweise 10 ms, vielleicht auch weniger, wobei die gesamte Verschlußdauer etwa im Bereich 50 70 ms liegt. Der Unterschied bleibt also gewahrt.
Eine weitere, an sich spektakulärere Beobachtung dieser Art ist die phonetische Unterscheidung von stimmlosen Konsonanten in Silbenendstellung. Das betrifft z. B. Paare wie bund und bunt, deren Aussprache scheinbar nicht unterschieden wird, weil das /d/, wie man zu hören meint, zum /t/ wird. In den 80er Jahren erschienen erstmalig mehrere Aufsätze, die zeigten, daß das nicht zutrifft, u. a.:
PORT, R., MITLEB, F. & O’DELL, M. 1981. Neutralization of Obstruent Voicing in German is Incomplete. Journal of the Acoustical Society of America, 71 (Suppl. 1).
und
PORT, R.F. & O’DELL, M.L. 1985. Neutralization of Syllable-Final Voicing in German. Journal of Phonetics, 13(4): 455–471, Oct.
Neutralization bezieht sich dabei auf den Verlust eines Kontrasts zwischen zwei Lauten. Das Überraschende an diesen Resultaten ist, daß der Sprechapparat, wie es scheint, zu einer deutlich besseren lautlichen Abbildung der Sprache fähig ist, als man generell glaubt.
– geändert durch Elke Philburn am 03.02.2002, 02.34 –
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