Fundsachen
Irgendwo zwischen München und Hamburg: Ein Büromöbellieferant wirbt für CONCEPTE.
In Bremen gibt es ein CONGRESSCENTRUM
Bei Hannover: »Vitex Schleifmittel weltbekannt«. Wie kommt es, daß ich davon noch nie gehört habe?
Kugelschreibergekritzel auf dem verlotterten Rucksack meines dahingelümmelten Gegenübers (ganz in schwarzes Leder gekleidet, Lederarmbänder mit spitzen Nieten, schlechtgelauntes, junges Gesicht mit eigentlich ganz lieben braunen Kulleraugen, aus dem Kopfhörer hämmernde Geräusche wie aus der Schwerindustrie, blickt verständnislos in eine Art Illustrierte aus schwarzem Papier, auf der weiße Schrift und Bilder von mittelalterlichen Burgen und Drachen zu erkennen sind): »Fuck you all und nennt mich GOTT«. Ich tue weder das eine noch das andere, sondern ziehe um in den Speisewagen.
Und lese in Sten Nadolnys Buch »Das Erzählen und die guten Ideen« folgendes: »Stellen wir uns einen Autor vor, der die Rechtschreibreform haßt. Haß meint stets die Typen zu kennen, die aus Wichtigtuerei, Stumpfsinn oder saudummen guten Absichten irgend etwas angerichtet haben. Ganz nahe liegt dem Autor nun die Idee, eine Art Bestiarium unter dem Titel ›Die Rechtschreibreformer‹ zu errichten und diese darin wie Wachsfiguren in Madame Tussauds Kabinett zu London (Abteilung ›Mörder‹ natürlich) aussehen zu lassen. Wut verleiht Ideen und Sprache, sobald man nicht mehr gelähmt ist von der Widerwärtigkeit des auslösenden Vorgangs. Es kann sogar vergnüglich und gesund sein, sich seine Wut durch schön erstunkene, brillant ätzende Charakteristiken vom Leib zu schreiben.« (Hat Nadolny bei uns hier schon mal hereingeschaut? Keine Ahnung!)
Schräg gegenüber sitzt auch einer, der ein Buch vor sich hat. Er schaut immer zu mir herüber, vielleicht weil auch ich mit einem Buch dasitze, als ob er ein Gespräch von Buchleser zu Buchleser suche, unter Intellektuellen, sozusagen auf Augenhöhe. Ich erkenne aber, daß sein Buch von fränkischen Kochrezepten handelt, und lese erhobenen Hauptes weiter bei Nadolny: »Goethe sagt, zum Schreiben gehörten zweierlei, ›Talent und Ereignis‹. Das letztere hat nichts mit Eigenheit, Eignung oder Aneignung zu tun, sondern mit dem Auge, dem Eräugen von etwas, es ist ›Eräugnis‹ (das war den Rechtschreibreformern glücklicherweise nicht bekannt).«
Daheim: In der Münchner Residenzstraße verkündet ein elegantes Geschäft: WE CLOSE THIS STORE. FINAL SALE. Im Schaufenster: ROCK / EURO 300,-. Es ist aber kein Felsbrocken, sondern ein Kleidungsstück.
In der Süddeutschen Zeitung: Bush und Rumsfeld sind »raubeinig«. Ich habe das erst als Analogie zu »handelseinig« verstanden. Warum bloß? Es fehlt das h drum!
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Das war's.
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Walter Lachenmann
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