Fast immer
Lieber Herr Lindenthal,
grundsätzlich können Sie (auch) konstruieren Klassen bilden -> Klassen bildend. Deswegen konnten und können Sie, egal was im Duden stand oder steht, auch schreiben, wenn Sie denn möchten: eine Klassen bildende Kategorisierung oder ähnliches. Das ist nicht falsch, aber schwerfällig und nicht so leicht zu lesen wie eine klassenbildende Kategorisierung. Zunächst einmal möchte man vom Artikel (eine) möglichst elegant und ohne größere Hürden zum Bezugswort (Kategorisierung) gelangen, also ist die Zusammenschreibung aus stilistischer Sicht bzw. im Sinne der Lesefreundlichkeit zu bevorzugen. (Zusammenschreibung trifft hier den Sachverhalt nicht genau, weil die Zusammenschreibung mit einer veränderten Grammatik einhergeht; es handelt sich dann um ein inkorporiertes, syntaktisch nicht mehr aktives Objekt, also schon grammatisch um eine Zusammensetzung.) Stilistisch bzw. lesetechnisch inakzeptabel ist die Getrenntschreibung bzw. die getrennte Konstruktion, wenn der Artikel die lautet, denn dann bezieht der Leser den Artikel zunächst falsch auf Klassen: die Klassen ... ("... bildende Kategorisierung, ach so!). Grammatisch nicht falsch, aber ein stilistischer Fehler. Schon grammatisch ganz und gar unüblich und damit grammatisch falsch ist die Konstruktion Dies ist Klassen bildend; man sagt ja auch nicht Ich bin Schuhe putzend und dergleichen. Weiterhin muß man den Fall abgrenzen, daß eine solche Zusammensetzung klassifizierend gebraucht wird, oft fachsprachlich: blutbildende Zellen sie bilden zwar Blut, aber man möchte diesen Vorgang nicht jedesmal neu in Erinnerung rufen, sondern diese Art von Zellen mit einem einzigen, treffenden, klassifizierenden Adjektiv kennzeichen: blutbildend. In diesen Fällen war die Zusammenschreibung ebenfalls selbstverständlich, also die Norm. Ansonsten gibt es eine Möglichkeit der getrennten Konstruktion, die relativ selten genutzt wurde. Sie bringt ein wenig mehr den Charakter des Verbs, also den Vorgang im weiteren Sinn, mit sich: eine fleischfressende Pflanze (Eigenschaft), ein Fleisch fressender Hund (Vorgang). Im letzteren Fall konnte man jedoch auch schreiben: ein fleischfressender Hund; der Vorgang ist auch hier möglich, er wird nur nicht durch die Schreibung hervorgehoben.
Wie sehr die Zusammenschreibung insgesamt überwiegt, erkennt man noch heute mit Hilfe von Google, denn Google weist immer noch das Übergewicht der Zusammenschreibung aus, obwohl ja angeblich Getrenntschreibung vorgeschrieben ist:
silbenbildend 17
Silben bildend 1
silbenbildende 10
Silben bildende 0
klassenbildend 39
Klassen bildend 3
klassenbildende 48
Klassen bildende 2
(beide letzteren treffen nicht das Muster, zum Beispiel:
Die Kursgebühr der Sommerakademie wird in den Klassen Bildende Kunst 350 € betragen)
Also kurz: Getrennt ist theoretisch manchmal möglich, aber dann meist ungünstig und deshalb sehr unüblich; meistens verbietet sich diese Konstruktion aus grammatischer (prädikative Stellung), lesepsychologischer (z.B. unklarer Bezug des Artikels) oder semantischer Sicht (Klassifizierung).
Professor Ickler hat ein nun ein weiteres interessantes Kriterium genannt: Die Zerlegung kann sachlich Falsches erzeugen, wenn das so entstehende Objekt im Plural vorliegt, obwohl nur ein Singular den Sachverhalt trifft: Silben bildend ist falsch, falls nur eine Silbe gemeint ist; zutreffend ist die Kategorisierung silbenbildend, denn es geht dabei nicht darum, daß mehrere Silben gebildet werden, sondern darum, daß überhaupt Silben (= eine oder mehrere Silben) gebildet werden oder gebildet werden können.
Ein weiteres Beispiel, an das ich mich erinnere, ist eimerschwenkend: Das können einer oder mehrere Eimer sein; wahrscheinlich handelt es sich meistens nur um einen Eimer, der geschwenkt wird. Die Zerlegung Eimer schwenkend, die eine Mehrzahl ausdrückt, ist dann falsch.
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