Kaugummiparagraph
Zitat: Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien.
Mal ganz banal gefragt: Ist diese Schreibweise nach dem reformierten Regelwerk möglicherweise sogar zulässig? Ich denke dabei an Paragraph 39: Mehrteilige Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen
schreibt man zusammen, wenn die Wortart, die Wortform oder
die Bedeutung der einzelnen Bestandteile nicht mehr deutlich erkennbar sind. ...
Lieber Herr Wagner, mit diesem Paragraphen habe ich mich auch schon beschäftigt. Ich habe ihn nie ernst nehmen können. Ich bezweifle, daß jemals ein Schreiber eine Schreibweise davon abhängig machen wird, daß er diesen Paragraphen abarbeitet und dann zu einem Ergebnis kommt, zum Beispiel mit der Gedankenkette: Schreibt man vornherein in von vornherein zusammen? Was sind das für Wortarten? (Muß ich dabei vornherein zerlegen, oder muß ich nur von + vornherein jeweils bestimmen?) Wenn ich vornherein zerlegt habe und nun Paragraph 39 anwende, ist dann die Wortart der Bestandteile nicht mehr deutlich erkennbar? Was heißt erkennbar, für wen erkennbar? Was heißt deutlich erkennbar, wo fängt deutlich an? Und wieso nicht mehr erkennbar in sprachhistorischem Sinn oder nicht mehr, weil hier eine besondere Konstruktion vorliegt? Genügt es, daß einer von beiden Bestandteilen nicht mehr klar erkennbar ist (es heißt ja der Bestandteile und nicht eines Bestandteils oder beider Bestandteile)? Also, die Wortarten könnte ich vielleicht noch als deutlich erkennbar annehmen, aber was bedeutet nun, daß die Wortform nicht mehr deutlich erkennbar sein soll? Was ist überhaupt eine Wortform? Und was heißt hier: Bedeutung nicht mehr deutlich erkennbar?? ...
Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Paragraph jemals zum Schreiben einer fraglichen Verbindung herangezogen wird. Einmal abgesehen davon, daß überhaupt fast niemand auf die originale Formulierung von Regeln zurückgreift, wenn er abwägt, ob er zusammenschreiben soll. Die "-ig/-isch/-lich-Regel zum Beispiel ginge ja aus praktischer Sicht noch. Sie ist vergleichsweise anwendbar, wenn auch sachlich nicht haltbar. Bei dem von Ihnen zitierten Paragraphen jedoch gibt es gleich zwei Kriterien, die für das Zutreffen der Regel geprüft werden müssen: mehrteilig und Wortart, wobei mehrteilig wegen der Zerlegungssucht der Reformer keineswegs ein klarer Begriff ist und bei Wortart nicht weniger als vier verschiedene Möglichkeiten berücksichtigt werden müssen, wobei die Abgrenzung bzw. Bestimmung dieser Wortarten keineswegs einfach ist. Und dann geht es erst los: Wortart Wortform Bedeutung, also nicht weniger als drei Kriterien, die jeweils für beide Bestandteile abgearbeitet werden sollen! Und zwar mit der Frage, ob nicht mehr deutlich erkennbar! Hieran schließen sich die oben angedeuteten Zweifel: Für wen nicht mehr erkennbar? Was heißt erkennbar? Was heißt deutlich? Was soll nicht mehr hier bedeuten, im Gegensatz zu nicht? Was bedeutet das jeweils für die drei Kriterien? Was ist eine Wortform?
Für so etwas ist Gummiparagraph gar kein Ausdruck. Die ganze Absurdität und Weltfremdheit der Reform zeigt sich hier.
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