Antwort auf die letzten Einträge von Norbert Schäbler und ''gestur''
Zum Beitrag von Norbert Schäbler vom 03.05.2004, 21:47
An den Universitäten hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten immer mehr
die Erkenntnis durchgesetzt, daß es zu einer ''Vernetzung'' von Wissensgebieten
kommen muß, wenn man den zukünfigen Herausforderungen gewachsen sein will.
Diese Erkenntnis war im Jahre 1967 möglicherweise noch nicht vorhanden.
Ist es überhaupt möglich, alles andere zu ignorieren und sich ausschließlich
einem Sachverhalt zuzuwenden? Ich glaube nicht! Und daher muß es eine Kontrolle
durch andere Wissenschaftler oder durch die Gesellschaft geben. Letztlich
bestimmt die Gesellschaft bzw. die Politik, was erforscht wird.
Natürlich dient eine Hochsprache als allgemeines Verständigungsmittel für die
ganze Sprachgemeinschaft. Daher muß es am strengsten geregelt sein und nur
geringe Normabweichungen dulden. Das ist doch auch so klar, für diese Erkenntnis
braucht man kein Lehrbuch! Allerdings gefällt mir der Begriff ''gleichrichten''
in diesem Zusammenhang nicht, er klingt ähnlich wie ''gleichschalten''.
Natürlich spielt die Akzeptanz einer Sprachnorm eine äußerst wichtige Rolle,
aber in einer Mediengesellschaft ist Akzeptanz bis zu einem gewissen Grad durch
die massenpsychologische Bearbeitung der Bevölkerung erzwingbar.
Wenn Sie wollen, können Sie meine Beiträge in einen anderen Strang verschieben.
Zum Beitrag von ''gestur'' vom 03.05.2004, 22:13
Natürlich kann niemand den Gebrauch des Genitivs erzwingen, aber er ist deshalb
nicht falsch, auch wenn ihn die Mehrheit durch Präposition plus Dativ ersetzt.
Es gibt dann eben zwei Möglichkeiten, diesen Sachverhalt auszudrücken, von denen
man sich die situationsbedingt bessere aussuchen kann. Oder die, die einem
lieber ist. Gehobene Sprache wird natürlich den Genitiv aufweisen.
Gerade bei der Schreibung von Fremdwörtern sollte man genau sein und nicht
einfach bestehende Normen unterlaufen, sonst verstehen die Leser eventuell nicht
mehr, was gemeint ist. Sich nicht an Normen halten kann auch Gefahren mit sich
bringen!
Was meinen Sie mit ''Wortbildung''? Es dürfte nur eine begrenzte Anzahl von
Verfahrensweisen geben, nach denen Wörter gebildet werden können, d. h., eine
dauernde Weiterentwicklung dieser Verfahrensweisen ist nicht möglich. Die Anwendung
dieser Verfahrensweisen findet natürlich dauernd statt, um neue Wörter für neue
Sachverhalte zu schöpfen.
Es ist allerdings nicht notwendig, für jedes Fremdwort ein neues deutsches Wort
zu bilden, dies bläht das Lexikon unnötig auf und macht es für Ausländer
scherer, die deutsche Sprache zu lernen. Außerdem: Wenn ein Fremdwort nur lange
genug in der deutschen Sprache benutzt wird, so mag es zwar formal immer noch
ein Fremdwort sein, ich würde es dann aber trotzdem als ein deutsches Wort
ansehen, eben weil es vertraut geworden ist.
Werter gestur, woher nehmen Sie die Sicherheit, daß die Mehrheitsentscheidungen
der Anwender bestimmen, ob sich neue Wortbildungen stabilisieren und schließlich
lexikalisiert werden? Da haben wohl die Redakteure der Verlage auch einen
gewissen Einfluß. Sollte es wirklich immer eine Mehrheitsentscheidung sein?
Was ist, wenn die Mehrheit der Anwender auf die gesamte Bevölkerung bezogen nur
eine Minderheit darstellt? Was ist, wenn die Mehrheit der Anwender fachfremd
ist?
Hat sich wirklich in den vergangenen Jahrzehnten so viel geändert? Mehrstufig
geschachtelte Nebensätze dürften -- ihrer Komplexität wegen -- wohl eher eine
schriftsprachliche Erscheinung sein. Diese war vor über 100 Jahren, so genau
weiß ich das nicht, bei bestimmten Leuten einmal modern, man könnte sagen, sie
war damals in Mode. Unpraktikable Moden halten sich natürlich nicht lange.
Vielleicht weiß jemand anderes mehr zu diesem Thema. Auch heute noch sind
verschachtelte Sätze möglich, syntaktisch korrekt und werden -- wenn sich die
Schachtelungstiefe in Grenzen hält -- verstanden. Letzere Einschränkung dürfte
auch früher gegolten haben.
Das Verb des Hauptsatzes steht im Deutschen an zweiter Satzgliedstelle:
Subjekt-Verb-Objekt (SVO). Sie meinen bestimmt die Verbklammer, wo das Hilfsverb
immer noch an zweiter Stelle steht: Ich bin nach Frankfurt gegangen. Würde man
''gegangen'' vorziehen, so würde man den Satz zwar immer noch verstehen, die
Wortstellung wäre aber falsch. Er würde für einen deutschen Muttersprachler sehr
seltsam klingen. Es mag sein, daß es bestimmte Fälle gibt, in denen das nicht
oder weniger seltsam klingt und die deshalb ''akzeptiert'' werden können, aber
dies bezieht sich nicht auf den gesamten Sprachgebrauch. Natürlich steht das
Verb in Nebensätzen immer noch am Ende. Auch Herr Twain hat ein Recht auf eine
eigene Meinung, mit der man sich natürlich auch blamieren kann.
Als englischen Muttersprachler kann man ihm seine Aussage -- wegen der
Wortstellung im Englischen -- allerdings verzeihen.
Man sollte zur Kenntnis nehmen, daß in vielen Sprachen das Verb im normalen
Aussagesatz an letzter Stelle steht, so z. B. im Türkischen. (Und da steht es
fast immer an letzter Stelle). In anderen Sprachen steht das Verb an erster
Stelle, so z. B. im Gälischen.
Zum Beitrag von Norbert Schäbler vom 03.05.2004, 23:29
Andere Völker stehen selbstverständlich zu ihren Traditionen, ihren Sitten
und Gebräuchen, Regeln und Normen, und diese sind manchmal auch ziemlich
schmerzhaft. Es hat wohl historische Gründe, warum wir als Deutsche heute vieles
aus Amerika übernehmen. Wir sollten aber eines bedenken: Nicht unsere Sprache
hat Schuld auf sich geladen, sondern das deutsche Volk. Wir können diese
Schuld nicht dadurch loswerden, indem wir unsere Sprache verleugnen. Wenn es
eine Lehre aus unserer jüngeren Vergangenheit geben sollte, dann doch die, daß
man Obrigkeiten mißtrauen sollte.
Ja, wir brauchen ein Gegengewicht zur Totalbeeinflussung durch die
elektronischen Medien. Das könnte die Schule sein, oder Bücher!
Kann es eine Sprache ohne Genitiv oder ohne etwas Vergleichbares geben?
Sollte das Unterrichtsfach Deutsch nicht dazu dienen, sich in gutem Hochdeutsch
genau, geschickt und angemessen auszudrücken, auch mit Fremdwörtern, wo diese
sinnvoll sind? Sollte man nicht lernen, sich der vielfältigen Möglichkeiten des
Deutschen zu bedienen? Statt dessen benutzet unser Staat heute die Schulpflicht,
um die eigene Sprache zu zerstören!
xxx xxx
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