Auf Argumente eingehen ...
Es mag sein, daß es für die deutsche Sprache typisch ist, daß MANCHE Wörter, die
sehr oft zusammen verwendet werden, mit der Zeit als ein Wort angesehen und
geschrieben werden. Gälte das generell, so müßte man z. B. den Artikel mit dem
Wort, auf das er sich bezieht, zusammenschreiben, ähnliches gilt für
Personalpronomen und die konjugierte Verbform.
Man kann prinzipiell alles in Frage stellen, es fragt sich nur, ob das sinnvoll
ist. Auf dem Gebiete der Rechtschreibung ist dies nicht sinnvoll, da sie sonst
ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann. Dies merkt man zuerst nicht, aber nach
ein paar Jahrzehnten spätestens ist die Grenzlinie gezogen und die dann
nachwachsenden Generationen können nicht mehr das Bisherige verstehen. Die vom
PEN-Club bemängelte Veränderung und Modernisierung klassischer Werke zeigt, daß
diese Gefahr real gegeben und daß der Kompartimentierungsprozeß schon weit
fortgeschritten ist. Daß dabei auch ideologische Faktoren mit eingehen, ist in
diesem Zusammenhang und in diesem Forum ebenfalls schon gezeigt worden.
Ich verlasse mich eher auf mein eigenes Denken, mit den Ideologen vom Fach
sollte man dagegen sehr vorsichtig sein. Die Leute im Elfenbeinturm der
Fachwissenschaft haben oft den Bezug zur Wirklichkeit und zur Praxis verloren.
Auch Beobachter sind nicht objektiv, können es gar nicht sein. Sie nehmen oft
nur das wahr, was ihren Vorstellungen entspricht. Die Reformer sind das beste
Beispiel dafür.
Auch ''vernünftig'' und ''verständlich'' sind relativ, was Ihnen so erscheint,
muß noch lange nicht auch anderen so erscheinen. (So würde ich z. B. ernst
nehmen, je nach Kontext, einmal zusammen und einmal getrennt schreiben.) Dabei
sollten selbstverständlicherweise auch ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle
spielen.
In Zweifelsfällen hatte man früher im Duden nachgeschaut, anstatt langwierige
Betrachtungen über Beispielklassen zu machen. Ich wüßte auch nicht, was an
diesen Klassen so praktisch ist, denn dafür müßte man erst einmal wissen, zu
welcher Klasse das fragliche Wort gehört. Für Schüler und auch für Menschen,
die nicht tagtäglich mit solchen Fragen umgehen, ist das sicher nicht so
einfach.
Woher nehmen Sie die Sicherheit, daß sich ''die Sprache'' so regelmäßig
''verhält'' und ein durchgängiges Klassenschema aufweist, bzw., daß sich ein
solches auf die Sprache aufdrücken läßt? Auch das ist eine Art Vergewaltigung
der Sprache. Sprache ist eben nicht durch und durch logisch, es gibt Ausnahmen.
Ähnliches gilt für die Rechtschreibung. Ich bin nicht der Meinung, daß sich
die Rechtschreibung immer nach der Sprache zu richten hat. Wer dieser Meinung
ist, der sollte getrost für die Abschaffung von Rechtschreibung eintreten.
Was nutzt mir diese ''Überregel'', wenn ich nicht weiß, was ein Wort ist?
Genau um diese Frage geht es ja! Und daß es sich eben nicht unbedingt aus
der gesprochenen Sprache ergibt, ist ebenfalls klar, denn sonst bräuchten
wir diese Diskussion nicht.
Es gibt eine etwas ältere Theorie, wonach man Sprache als ein Lebewesen
auffaßt. Es mag sein, daß diese Theorie etwas romantisches an sich hat und
daß ihr deswegen viele anhängen. Dies ist aber nicht die einzige Theorie
über das Wesen der Sprache, außerdem bringt sie Probleme mit sich:
Der Zeitpunkt des Beginns eines Lebens ist genau definiert. Können Sie mir
sagen, wann genau die deutsche Sprache entstanden ist? Biologische Veränderungen
laufen nach einem mehr oder weniger festen Schema ab. Die Veränderungen einer
Sprache sind dagegen mehr zufällig und auch manipulierbar. Sie hängen z. B. auch
vom Ausgang von Kriegen ab. Lebewesen müssen nach einer bestimmten Lebenszeit
sterben. Wann muß ihrer Ansicht nach die deutsche Sprache an Altersschwäche
sterben?
Die Gleichsetzung von ''Veränderung'' und ''lebendig'' ist falsch: Auch das
Wetter verändert sich, es ist aber nicht lebendig!
Was ist daran ''flexibel'', wenn ich etwas anders schreiben kann, damit aber
keine weitere Änderung der Bedeutung etc. verbunden ist. Es ist nichts weiter
als eine nutzlose Variante, die aber z. B. die Schüler verunsichert.
xxx xxx
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