modern
Ich widerspreche ungern, hier tue ich es trotzdem. Die Begriffe reformiert und neu sind belegt, der Begriff modern nicht. Ersteres haben die Reformer geschickt eingefädelt und Zeitungsverlage und viele andere sind darauf hereingefallen. Ein großes Dilemma ist dadurch entstanden, daß eben neu gegen alt steht. Es muß also ein neuer Begriff her, der es Menschen leicht macht, das, was die Reformatoren als alt und verstaubt brandmarken, wieder zu akzeptieren. Warum um alles in der Welt, schreibt heute jede Zeitung Potenzial, Tipp usw.? Die Antwort: Sie glaubt, sich damit ein modernes Gesicht geben zu können. Mit der Zeit gehen, neu daherkommen Marketinggeplapper, aber so ist das heute eben. Noch ein Grund für meinen Widerspruch: Wenn ich mich heutzutage mit gebildeten Menschen unterhalte und mal frage, wie denn die die moderne Rechtschreibung aussieht, bekomme ich eine einhellige Antwort: Nicht reformiert.
Ich habe lange drüber nachgedacht: Qualitätsschreibung zu lang und für viele zu geschraubt. Moderne Rechtschreibung, warum nicht. Dieser Begriff ist von den Reformern nicht belegt. Zumindest ist mir dieses Wort in keinem Text der Reformer aufgefallen. (Die Begründung wäre ja auch zu blöd: Man schreibe jetzt Shopp, weil Doppel-p gerade modern ist. Na ja, kommen kann's ja noch. ;-) )
Weiterhin: Mag doch mancher an reformiert denken, wenn er modern auf dem Klappentext liest. (Ich bezweifle, daß das wirklich so ist.) Vielleicht greift ja nur deswegen einer zu dem Buch, weil daneben ein Duden steht, der Jetzt noch aktueller! auf dem Klappentext schreit. Der Buchrücken könnte von der modernen und bewährten deutschen Rechtschreibung künden, womit diese zwei Begriffe gleichsam geklammert wären, der Irrtum also sofort beseitigt ist.
Mag einer das Buch kaufen, obwohl ihm Sprache Wurscht ist, dann Dank für die edle Spende. Wird jemand das Buch kaufen, obwohl er pro Reform eingestellt ist? Wohl kaum, siehe letzte Allensbach-Umfrage. Das ist rein statistisch unwahrscheinlich, und wenn ist's auch wurscht. Der Rest wird froh sein, endlich wieder ein verläßliches Wörterbuch in Händen zu halten. Wird jemand das Buch NICHT kaufen, weil modern vorne drauf steht, er aber gegen die Reform eingestellt ist? Die Angst dürfte unbegründet sein, weil jemand, der soweit denkt, sich zumindest den Buchrücken anschaut und dann im Bilde ist.
Als alter Marketing-Hase denke ich mir: Klappern gehört zum Handwerk.
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Karsten Bolz
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