beschl.doc
Arbeitsgruppe der deutschsprachigen
Nachrichtenagenturen
Beschluß zur Umsetzung der Rechtschreibreform
(Mit ergänzendem Hinweis zur Einführung ab 31. Juli 1999)
Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen haben am 16. Dezember 1998 in Frankfurt einvernehmlich nach intensiver Beratung beschlossen, die Reform der deutschen Rechtschreibung weitestgehend und in einem Schritt umzusetzen. Wichtigstes Ziel war, die Rechtschreibung im Sinne der (gemeinsamen) Kunden nicht nur einheitlich, sondern auch eindeutig festzulegen. Die Notwendigkeit der Eindeutigkeit ergibt sich vor allem daraus, daß die eingesetzten elektronischen Systeme bei der Nutzung von Schreibvarianten in ihren Suchfunktionen behindert würden. Zudem müssen Schreibweisen ”mit einem Blick” optisch identifiziert und zugeordnet werden können.
Ausschlaggebend für den Umsetzungsbeschluß war die Überlegung, daß die neuen Schreibweisen in naher Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein werden und daß die (Zeitungs-) Leser künftig in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mit den neuen Regeln konfrontiert werden. Ein weiterer Punkt war, daß es nicht Aufgabe der Agenturen sein kann, die Reform zu steuern oder zu verhindern. Bei ihren Beratungen haben sich die Agenturen an der Systematik des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie, der die Reform erarbeitet hat, orientiert.
An der Erarbeitung des Beschlusses waren die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (AFP, AP, dpa, ddpADN, epd, KNA, Reuters, sid, vwd, APA (Österreich) und SDA (Schweiz)) gleichberechtigt beteiligt.
Die Agenturen sind sich bewußt, daß sie mit ihrem Beschluß lediglich einen ersten Schritt für eine einheitliche und eindeutige Schreibung in ihren Häusern tun können. Die genannten Festlegungen für Schreibweisen können nur exemplarischen Charakter haben. Die Vorlage einer vollständigen Liste sämtlicher neuer Schreibweisen liegt außerhalb der Möglichkeiten der Agenturen.
Die Agenturen werden künftig die Rechtschreibung aufmerksam beobachten und gegebenenfalls auf neue Entwicklungen reagieren.
Die Umstellung auf die neue Rechtschreibung wird seitens der Agenturen am 1. August 1999 erfolgen. Bis dahin werden sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Häusern auf die neuen Schreibweisen einstellen müssen. Aber auch die eingesetzten elektronischen Systeme müssen ”lernen”, ihre Rechtschreibprüfprogramme und die elektronischen Wörterbücher von Datenbanksystemen müssen angepaßt werden.
Hinweis:
Auf einem Seminar der Ifra in Darmstadt hat die Arbeitsgruppe der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen am 10.6.1999 ihren Beschluß zur Umsetzung der Reform bestätigt. Die Beispielliste der neuen Schreibweisen, die zuletzt Mitte Februar 1999 verbreitet wurde, ist überprüft und ergänzt worden. Sie entspricht damit der endgültigen Fassung zur Einführung der Rechtschreibreform am 1. August 1999. Vereinbarungsgemäß wurde sie um eine Liste der feststehenden Begriffe und eine Ausnahmeliste zur Getrennt- und Zusammenschreibung erweitert.
Die Nachrichtenagenturen werden die neue Schreibweise vom 31. Juli 1999 an in ihren Diensten anwenden.
Die Agenturen haben den Beschluß bestätigt, Wörter mit den Silben ”phon”, ”phot” und ”graph” dann in der alten Form zu schreiben, wenn sie im Wissenschaftsbetrieb gebräuchlich sind. Wünsche, hier eine klare Regelung für die generelle Schreibweise ”fon”, ”fot” und ”graf” zu wählen, wurden zurückgestellt, weil viele Verlagshäuser bereits die Ausnahme-Regelungen angekündigt und veröffentlicht und weil Schulungen begonnen haben.
Die Agenturen beabsichtigen, mit dem 1. August eine Beobachtungphase zu beginnen, deren Dauer noch nicht festgelegt ist. In dieser Phase soll die Anwendung der neuen Rechtschreibregelungen beobachtet werden, bevor über eine neue Überarbeitung der Wortlisten entschieden wird. Über eine neue Überarbeitung soll ein noch zu bildendes Gremium befinden, dem neben den Agenturen Vertreter der Medien und der Wissenschaft angehören sollen.
Die Umsetzung der Reform im Einzelnen:
(Mit !!! sind die Positionen gekennzeichnet, bei denen die Agenturen von den offiziellen Regelungen abweichen.)
A. Laut- Buchstabenzuordnung
Die Regelung verfolgt das Ziel, die gleiche Schreibung eines Wortstammes möglichst in allen Wörtern der Wortfamilie sicherzustellen.
1. Einzelfälle mit Umlautschreibung (Stammprinzip)
Beispiele: behände (zu Hand), belämmert (zu Lamm), Gämse (zu Gams), Quäntchen (zu Quantum), schnäuzen (zu Schnauze), Stängel (zu Stange), überschwänglich (zu Überschwang), verbläuen (zu blau),
aber: aufwendig (zu aufwenden), Schenke (zu ausschenken), Schneewechte
2. Einzelfälle mit Verdoppelung des Konsonantenbuchstabens nach kurzem Vokal
Beispiele: Karamell (zu Karamelle), nummerieren (zu Nummer), platzieren (zu Platz), Stuckateur (zu Stuck), Tollpatsch (zu toll)
3. ss für ß nach kurzem Vokal
Zur Sicherstellung der gleichen Schreibung der Wortstämme wird der Wechsel von ss zu ß nach kurzem Vokal aufgehoben.
Bei lang gesprochenem Vokal bleibt das ß erhalten. Es kennzeichnet die Länge des vorausgehenden Vokals oder einem Doppellaut vor einem stimmlosen s-Laut (draußen, beißen).
Beispiele: Hass, er hasst, Kuss, sie küssten sich, Schloss, erlässt, er muss, dass
4. Erhalt der Stammschreibung in Zusammensetzungen
Treffen bei zusammengesetzten Wörtern (Komposita) drei Konsonanten aufeinander, bleiben alle Buchstaben erhalten. Die Nachrichtenagenturen empfehlen, entsprechend den neuen Regeln immer dann einen Bindestrich zu setzen, wenn es der Lesbarkeit eines Wortes dient (lt. Regelwerk ausdrücklich zugelassen).
Beispiele: Balletttänzer (Ballett-Tänzer), Flusssand (Fluss-Sand), Flanelllappen (Flanell-Lappen), Fußballländerspiel (Fußball-Länderspiel), Eisschnelllauf (Eisschnell-Lauf), Genusssucht (Genuss-Sucht), usw.
– Schifffahrt sollte nicht durch den Bindestrich (Schiff-Fahrt) gekoppelt werden, weil sonst Wörter wie Schiff-Fahrtslinie u.a. entstehen!
Treffen bei Zusammensetzungen drei Vokale aufeinander, wird immer ein Bindestrich gesetzt:
Beispiele: Tee-Ei, Tee-Ernte, See-Elefant
Erhalten bleibt bei der Endung –heit das h:
Beispiele: Rohheit (zu roh), Zähheit (zu zäh)
Gleichfalls erhalten bleibt das r bei Zierrat und das st bei selbstständig (von selbst+ständig)
1. Systematisierung von Einzelfällen
Die Schreibung der Wörter rauh und Känguruh ändern sich zu rau (wie blau, grau, schlau) und Känguru (wie Gnu, Kakadu).
Bei Substantiven mit den Endungen –anz und –enz bleibt das z bei abgeleiteten Wörtern erhalten.
Beispiele: essenziell (zu Essenz), Differenzial, differenziell (zu Differenz), Potenzial, potenziell (zu Potenz), substanziell (zu Substanz)
2. Fremdwörter
Die Nachrichtenagenturen werden Fremdwörter aus lebenden Sprachen nicht !!! eindeutschen.
Beispiele: Ketchup, Spaghetti, Necessaire, Portemonnaie, Facette, Boutique, Chicoree,
Fremdwörter aus toten Sprachen werden dann eingedeutscht, wenn Varianten möglich.
Die Buchstaben ph werden zu f, th zu t, rh zu r.
Beispiele: Telefon, Megafon, Fotograf, Grafik, Biografie, quadrofon, Delfin, Panter, Tunfisch, Myrre.
aber: Theater, Thematik, Thermometer, Theorie, Philosophie,
(Wörter dieser Art standen in der Rechtschreibreform nicht zur Diskussion)
Ausnahme: Im Wissenschaftsbetrieb gebrauchte Fachwörter werden in der alten Form geschrieben. Dieses gilt auch für die Berichterstattung außerhalb des Bereichs der Wissenschaftsberichterstattung.
Beispiele: Phon, Photovoltaik, Photometrie, Photosynthese, Demographie, Geographie, Mammographie, Therapie,
B Getrennt- und Zusammenschreibung
1. Verbindungen von Substantiv und Verb werden generell getrennt geschrieben.
Beispiele: Rad fahren, Halt machen,
2. Verbindungen von Verb und Verb werden generell getrennt geschrieben. Die
Unterscheidung zwischen konkreter und übertragener Bedeutung entfällt, sie ergibt
sich aus dem Kontext.
Beispiele: sitzen bleiben, fallen lassen, gefangen nehmen
3. Verbindungen von Substantiv/substantivierten Verbindungen u.a. und Partizip werden
generell getrennt geschrieben.
Beispiele: Gewinn bringend, Blumen pflückend, nahe stehend, Laub tragend, allein Erziehende, Deutsch sprechend
4. Verbindungen von aneinander/auseinander/beieinander usw., aufwärts/abwärts usw.
und Verb werden getrennt geschrieben.
Beispiele: aneinander fügen, zueinander finden, abwärts gehen
5. Getrennt geschrieben werden wie so viele, wie viele jetzt auch so viel, wie viel.
Dagegen werden jetzt alle Verbindungen mit irgend zusammengeschrieben.
Beispiele: irgendetwas, irgendjemand, (wie: irgendwer)
C. Schreibungen mit Bindestrich
1. Der Bindestrich kann immer dann verwendet werden, wenn zusammengesetzte Wörter
besser lesbar gemacht werden sollen. (siehe auch A.4 Erhalt der Stammschreibung bei
Zusammensetzungen).
Beispiele: Abfall-Recycling, Donau-Dampfschifffahrt, Tee-Ei, Lotto-Annahmestelle,
2. Bei Ziffer-Wort-Verbindungen werden die Agenturen einen Bindestrich setzen.
Beispiele: 17-jährig, 20-Tonner
Ausnahmen: Die Agenturen bleiben dabei die Ziffern eins bis zwölf als Wort zu !!!
schreiben. Bei solchen Verbindungen wird kein Bindestrich gesetzt.
Beispiele: Dreitonner, Zweipfünder, achtjährig, Sechszylinder
3. Mehrgliedrige englische und amerikanische Fremdwörter werden die Agenturen !!!
wie folgt schreiben:
(1) Zusammensetzungen aus Substantiven werden mit Bindestrich geschrieben; beide
Komponenten beginnen mit Versalien.
Beispiele: Cash-Flow, Centre-Court, Full-Time-Job, Job-Sharing, Jumbo-Jet,
Science-Fiction, Sex-Appeal, Tie-Break, Shopping-Centre
(2) In einem Wort (und versal) werden Begriffe wie im Englischen geschrieben, deren
zweite Komponente ein Adverb ist.
Beispiele: Blackout, Comeback, Countdown, Knockout, Layout, Playback etc.
Ausnahmen: Go-in, Know-how, Make-up, Turn-around
(3) Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv werden getrennt und beide versal
geschrieben.
Beispiele: Joint Venture, Common Sense, Corned Beef, Fair Play, Fast Food,
Happy End, Hot Dog, Small Talk, Soft Drink
D. Groß- und Kleinschreibung
1. Verbindungen von Substantiv und Präposition oder Verben werden generell groß
geschrieben.
Beispiele: in Bezug auf, im Grunde genommen, Rad fahren, Angst machen, Schuld geben, Pleite gehen,
2. Substantivierte Adjektive, unbestimmte Zahladjektive und Adjektive in festen
Wortverbindungen werden auch wenn sie im übertragenen Sinn gebraucht werden –
groß geschrieben.
Beispiele: das Letzte, der Nächste, alles Übrige, nicht das Geringste, im Großen und Ganzen, im Allgemeinen, das Beste, auf dem Trockenen sitzen, den Kürzeren ziehen
3. Bezeichnungen von Tageszeiten werden in Verbindung mit heute, gestern, morgen groß geschrieben.
Beispiele: heute Mittag, gestern Abend, am Sonntagabend
aber: sonntagabends
4. Farb- und Sprachbezeichnungen in Verbindungen mit Präpositionen werden groß
geschrieben.
Beispiele: auf Englisch, bei Grün
5. Paarformeln mit nicht deklinierten Adjektiven werden groß geschrieben.
Beispiele: Groß und Klein, Arm und Reich. Jung und Alt
6. Superlative mit der Präposition aufs werden groß geschrieben.
Beispiele: aufs Beste, aufs Herzlichste
7. Feststehende Begriffe (quasi Eigennamen) aus Adjektiv und Substantiv !!!
werden auch künftig von den Agenturen groß geschrieben.
Beispiele: das Schwarze Brett, der Weiße Tod, die Erste Hilfe, (wie: Heiliger Vater, Regierender Bürgermeister, Stiller Ozean, Roter Milan, Zweiter Weltkrieg)
8. Wortverbindungen von Personennamen und Substantiven werden von den !!!
Agenturen weiterhin groß geschrieben.
Beispiele: das Ohmsche Gesetz, die Goetheschen Gedichte
9. Die vertraulichen Anredepronomen werden von den Agenturen weiterhin groß !!!
geschrieben.
Beispiele: Du, Dein, Dir, Euer, Euch
E. Zeichensetzung
Die Agenturen bleiben bei der alten Form der Zeichensetzung, um die Lesbarkeit ihrer
Nachrichten, insbesondere für ihre Kunden aus dem Audio-Bereich, zu gewährleisten. (Diese Option ist im Regelwerk ausdrücklich zugelassen.)
F. Worttrennung am Zeilenende
Die Agenturen werden auch künftig keine Trennungen von Wörtern am Zeilenende !!! vornehmen. Hintergrund ist, daß Worttrennungen in Agenturtexten problematisch für die Weiterverarbeitung in Kundensystemen sind.
Hamburg, 21.6.1999
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Christian Dörner
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