Wirtschaft ignoriert Rechtschreibung
>>Wirtschaft ignoriert Rechtschreibstreit
Von S. Fuchs und H.-P. Siebenhaar, Handelsblatt
Der Streit um die neue Rechtschreibung lässt die Wirtschaft kalt. Nach der langen Übergangszeit von neun Jahren haben Software-Anbieter und Verlage die neuen Regeln in ihre Produkte übernommen. Trotz des Alleingangs von Bayern und Nordrhein-Westfalen beabsichtigen sie nicht, diese Änderungen wieder rückgängig zu machen
DÜSSELDORF. Ab dem 1. August gelten in Deutschland unterschiedliche Rechtschreibregeln. Bayern und Nordrhein-Westfalen setzen die Reform am heutigen Montag nicht in Kraft. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und sein Düsseldorfer Amtskollege Jürgen Rüttgers (CDU) wollen abwarten, bis der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Empfehlungen für Korrekturen an der neuen Rechtschreibung verabschiedet hat. Alle anderen Bundesländer führen die neuen Regeln verbindlich ein. Auch staatliche Verwaltungen müssen sich dann nach den 1996 beschlossenen Änderungen richten.
„Die neuen Rechtschreibregeln haben wir schon 1999 in unsere Office-Software integriert“, heißt es beim Softwarekonzern Microsoft in München. Der Aufwand, die deutsche Version des Programms und ihre Rechtschreibkontrollfunktion nun noch einmal umzustricken, sei zwar nicht bezifferbar, aber „viel zu groß“.
Auch Lernsoftware-Hersteller wie Cornelsen und der Duden Verlag richten sich mit ihren Angeboten nach den neuen Regeln zur Wörtertrennung, der Abfolge von Konsonanten und der neuen Zeichensetzung: „Es ist klar, dass wir den amtlichen Vorgaben folgen“, sagt eine Cornelsen-Sprecherin.
Schon bei einer Handelsblatt-Umfrage im vergangenen Herbst hatten 71 Prozent der 1 500 größten deutschen Unternehmen eine Rücknahme der Rechtschreibreform abgelehnt. Mehr als zwei Drittel der Firmen richteten sich schon vor einem guten halben Jahr im betrieblichen Alltag nach den neuen Regeln.
Privat lehnt laut der jüngsten Allensbach-Umfrage aber noch immer die Mehrheit der Bundesbürger die neuen Regeln ab. 51 Prozent der Bevölkerung sehen auch jetzt, zum offiziellen Start der Reform, keinen Grund, sich auf die neuen Schreibregeln einzustellen, teilte das Institut in der vergangenen Woche mit.
Die Kunden seien verunsichert, berichten Schulbuchverlage und Softwarehersteller: „Das Ausscheren von Bayern und Nordrhein-Westfalen ist ungewöhnlich und nicht nachvollziehbar“, sagt Andreas Baer, Geschäftsführer des Verbandes der Schulbuchverlage Bildungsmedien, ärgerlich. „Es herrscht ein Klima der Aufregung, die Lehrer sind verunsichert.“
„Auch die Eltern in Nordrhein-Westfalen wissen nicht, was sie für Lernsoftware-Programme im Fach Deutsch kaufen sollen“, sagt Matthias Teschner, Marketingleiter beim Cornelsen Verlag. Zwischen zehn und 20 Prozent weniger als üblich setze das Unternehmen derzeit mit derartigen Produkten um. Bei den Schulen ist das Bestellverhalten seiner Beobachtung nach dagegen normal. „Die Lehrer unterrichten die neuen Regeln einfach.“
Die Uneinigkeit der Bundesländer kommt für die Schulbuchverlage dennoch zu einer ungünstigen Zeit. Angesichts sinkender Bildungsetats in Deutschland werden seit Jahren die Ausgaben für Lehrmittel gekürzt. „Wir haben einen Rückgang der öffentlichen Ausgaben um über 40 Prozent seit 1991“, sagt Schulbuch-Verbandschef Baer. Die Branche setzt in Deutschland nach Verbandsangaben rund 500 Mill. Euro um. Allerdings stagniert das Geschäft seit Jahren.
Die Hersteller von Unternehmenssoftware werden von der deutschen Rechtschreibreform dagegen nicht berührt: „Die Dokumentensprache von Software ist Englisch. Eine englische Rechtschreibreform wäre in der Tat eine Katastrophe, vor allem wenn sie so wie in Deutschland durchgeführt würde“, sagt Heinz-Paul Bonn, Vizepräsident des IT- und Telekomverbandes Bitkom.
HANDELSBLATT, Montag, 01. August 2005, 09:57 Uhr<<
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1079719
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„Die neuen Rechtschreibregeln haben wir schon 1999 in unsere Office-Software integriert“, heißt es beim Softwarekonzern Microsoft in München. Der Aufwand, die deutsche Version des Programms und ihre Rechtschreibkontrollfunktion nun noch einmal umzustricken, sei zwar nicht bezifferbar, aber „viel zu groß“.
Welch Heuchelei; 1998 die Chaosschreibung in Wörd usw. einzuführen, dieser Aufwand war nicht „viel zu groß“?
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Detlef Lindenthal
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