Verbindlichkeit der Anwendung der RSR
Als vereidigter Übersetzer für Deutsch in Spanien stehe ich manchmal vor der Frage, wie ich mich gegen die Anwendung der RSR wehren kann. In der Regel verlangt kein Kunde ausdrücklich die neuen Falschschreibungsregeln, aber es kann schon vorkommen, daß andere Übersetzer von einer Agentur gelegentlich einen Text von mir weiterverwenden müssen. Einmal wurde ich dann angepustet, ich würde gar nicht die neue Rechtschreibung verwenden, wo es doch jetzt in Deutschland ein Gesetz gebe, das dazu zwinge ...
[Frage: Bin ich jetzt kriminell? Oder gar dumm und ungebildet?]
Darauf entgegnete ich, daß in Deutschland erlassene Vorschriften einmal nicht im Ausland gelten, zum anderen lehne ich die sinnentstellende Neuregelung völlig ab, denn man verstehe viele Ausdrücke entweder gar nicht mehr oder eher falsch, denn oft muss ich die neue Worttrennung oder -zusammenschreibung mehrmals lesen, um den Sinn zu erkennen.
Nun gibt es wohl gar kein Gesetz (mehr), so daß niemand zur Anwendung der RSR gezwungen ist. Aber: Die Presse (vor allem die linke) ist geradezu begeistert, die Verlage scheinen auch alles auf die amtlich verordnete Falschreibung umzustellen, selbst die¨Neue Zürcher Zeitung beugt sich der Falschschreibung.
Die RSR, die scheinbar und vor allem vom DUDEN-Verlag getragen wird (dessen RS-Wörterbuch auf das niedrigste Niveau seiner geschichte abgesunken ist), verliert umso mehr an Rechtmässigkeit, da es sich ein kommerzieller Betrieb anmaßt, dem Volke etwas aufzuzingen, das von Anfang an infrage gestellt worden ist. Im deutschsprachigen Raum fehlt eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie die spanische Königliche Sprach-Akademie, die die einzige ist, die rechtlich bindende Regeln für den Umgang mit der spanischen Sprache aufstellt, in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Sprachakademien in den spanischsprachigen Ländern Südamerikas. Diese Akademien werden von herausragenden Sprachwissenschaftlern, Schriftstellern, Dichtern, Journalisten usw. geführt, die sich um den Gebrauch der spanischen Sprache verdient gemacht haben. Es kann nicht angehen, daß Länder wie die Schweiz, Österreich und Liechtenstein sich auch noch dieser Diktatur des Dudenverlags unterwerfen, der dazu die Eigenheiten dieser Länder ganz unbeachtet läßt.
Und wie verhält man sich, wenn man mit der deutschen Sprache in nicht deutschsprachigen Ländern arbeitet?
Jedenfalls weigere ich mich, sinnentstellende Schreibweisen zu verwenden. Auch versuche ich, keine Anglizismen zu verwenden, wenn ich deutsche Ausdrücke zur Verfügung habe.
Den RS-Duden habe ich inzwischen durch den Ickler ersetzt und in eine dunkle Ecke verbannt. Ein naïverweise gekauftes Korrekturprogramm des Duden gab ich sofort (und problemlos)an den Lieferanten zurück (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), und zwar mit dem Hinweis auf die inhaltliche und technische Unzulänglichkeit.
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Pedro Schwenzer
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