Luthers Schreibweisen
Peter Eisenberg hat 2006 eine kurze Untersuchung (in traditioneller Kulturschreibung) der Schreibweisen Luthers veröffentlicht.
http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2006/996/pdf/eisenberg.pdf
Peter Eisenberg
Jeder versteht jeden.
Wie Luther die Pfingstgeschichte schreibt
Interessant sind darin auch seine Bemerkungen zur s-Schreibung. (Die Formatierung mußte für diese Wiedergabe vereinfacht werden, Dreiecksklammern durch " ersetzt):
(8) s-Schreibung
a. [z] im Anfangsrand
sie, sich, sind, sei, sol, sahe, Söne, brausen, diese, gesagt
b. [ſ] im Anfangsrand vor [p] und [t]
sprache, spot, stimme, stund aber schnelle, geschehen
c. [s] im Endrand
das, aus, als, ist, eines, Haus, Geist, weissagen
d. [s] als Gelenk
lasset, wisset, Jüdengenoss
e. [s] zwischen gespanntem betontem und unbetontem Vokal
grossen, süsses, ausgiessen, sassen
Die Schreibungen 8a–d entsprechen unseren heutigen, sieht man einmal davon ab, daß Luther (an anderer Stelle) wuste, gewis schreibt, wo bis zur Neuregelung ein "ß" verwendet wurde.
Auch die Konjunktion das schreibt Luther ja mit s.
Das System kollabiert bei 8d, e. Das fehlende "ß"führt hier eindeutig zu Leseerschwernis.
Wir haben an dieser Stelle sozusagen Schweizer Verhältnisse und es sieht alles danach aus, als würden die wenigen Schweizer Scharfmacher [!] unter den Neureglern den ganzen riesigen deutschen Sprachraum zu Luther zurückführen.
Der häufigste durch die Neuregelung verursachte Rechtschreibfehler ist vom Typ 8e, d.h. viele Kinder schreiben jetzt Strasse, reissen, draussen. Und nicht wenige Deutschlehrer meinen, die Tage des "ß" seien gezählt.
N.B.: Wenn Luther und vielleicht auch Dürer das „ß“ nicht verwendeten, so war es doch bereits seit 200 Jahren verbreitet und gebräuchlich. In meiner Musik-Bibel, Praetorius’ Syntagma … 1619, ist es als Schluß- und Silbenschlußzeichen verwendet. Sogar die „das“ und „daß“ sind richtig gesetzt, letztere allerdings nicht immer durchgängig, was von verschiedenen Setzern herrühren könnte. Michael Praetorius war der Sohn des Pfarrers Michael Schulteis, der in Wittenberg Schüler Luthers und Melanchthons war, steht also mit der lutherischen Schreibtradition in enger Verbindung. Da das „ß“ allgemein als Verbindung von Lang- und Schluß-s verstanden wurde, kommt es als Silbengelenk im Wortstamm nicht vor. Durch die Verwendung des langen „ſ“ wird der Nachteil etwas entschärft, wird jedoch beim Wort „Maſſen“ mißverständlich, besonders in der Übertragung in heutige Rund-ss: „Vff was massen die Vnisoni und Octaven zu gebrauchen …“.
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