Mangelhafte Trennung von Staat und Religion
„So wahr mir Gott helfe“
Deutschland hat seine erste muslimische Ministerin: Ungeachtet ihrer umstrittenen Äußerungen über ein Kruzfixverbot ist die CDU-Politikerin Aygül Özkan als neue niedersächsische Sozialministerin vereidigt worden. …
In einer Erklärung des Sozialministeriums hieß es, Özkan berufe sich bei ihrer Vereidigung auf den „einen und einzigen Gott“, der allen drei Weltreligionen gemeinsam sei. Die 38-Jährige betonte auch, dass sie sich den Werten der Christlich Demokratischen Union Deutschland verpflichtet fühle. …
focus.de 27.4.2010
Daß Frau Özkan sich gegen religiöse Symbole in den Schulen ausgesprochen hat, entspricht dem Grundgesetz und der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Sie ist studierte Juristin, und es ist eine Frechheit, wenn ihr der CSU-Politiker und CSK-Vorsitzende Thomas Goppel aus seinem katholischen Blickwinkel vorhält, das Grundgesetz nicht richtig zu kennen,
Allerdings gehören auch religiöse Eidesformeln nicht in eine religiös neutrale Staatsverwaltung. Jemandem, der nur mit Anrufung Gottes die Pflichten und Gesetze ehrlich beachten will, ist auch sonst zu mißtrauen. Jesus jedenfalls hat das Schwören, gerade „bei Gott“, schlicht verboten. Der Eid ist jetzt übrigens, wie die ganze niedersächsische Verfassung, umreformiert in „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen, …“
Die Behauptung, daß der nicht näher definierte, für die Eidesformel der Verfassung zugelassene „Gott“ in den drei genannten Religionen derselbe sei, ist irreal und wird meist bestritten. Wenn er derjenige aus 1.Samuel 15,2 ist, dann ist er sogar verfassungswidrig.
P.S.: Die niedersächsische Verfassung ist überhaupt ein Kuriosum. Nachdem sie 1993 verabschiedet war, wurde auf Drängen einer frommen Volksinitiative 1994 eine Präambel mit Gottesbezug davorgesetzt – und kürzlich noch in ss-Schreibung umgefälscht:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das Volk von Niedersachsen durch seinen Landtag diese Verfassung gegeben.“
Ein glatter Schwindel, denn die Parlamentarier hatten zuvor „Gott“ bedenkenlos außer acht gelassen. Auch andere Bundesländer haben eine solche Präambel nicht, z.B. Schleswig-Holstein.
Da damals gerade Informationsmaterial der Regierung in sechsstelligem Wert vernichtet werden mußte, weil die feministischen Doppelnennungen nicht lückenlos durchgeführt waren, hatte ich gefordert, wenigstens die Präambel korrekt mit „Verantwortung vor Gott und/oder Göttin“ zu formulieren. Leider wurden meine Vorschläge dazu nicht einmal als Leserbrief abgedruckt..
Nachtrag: Wie erwartet – eine absurde Diskussion um die Beschaffenheit eines nicht nachweisbaren Wesens:
spiegel.de 28.4.2010
N.B.: Dazu fällt mir noch ein – Bertrand Russell wurde nach einem Vortrag von einer Dame gefragt: „Ist es nun der katholische oder der protestantische Gott, an den Sie nicht glauben?“
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