SHEV-Nachrichten
Betreff: SPD-Rossmann: Gymnasium für alle
Schule nach polnischem Vorbild? Dort heißen auch alle Schulen Gymnasium und das bedeutet im Altgriechischen, anders, als von Herrn Rossmann erklärt, nicht Bildungsstätte, sondern Sport- und Wettkampfplatz, wo die Besten ermittelt werden.
Philosophus manisses
si tacuisses! Du wärst ein Philosoph geblieben, wenn Du geschwiegen hättest.
Selbstlesen macht klug.
S. Anhang.
Schöne Ostern! Und nicht vergessen: Es ist Wahlkampfzeit.
Gruß,
UK
P.S.: Dank an Kirsten Langenberg für den Hinweis auf dieses Interview!
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Schleswig-Holsteinischer Elternverein e.V.
Vorsitzender: Dr.med.Ulrich G.Kliegis
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20. April 2011, 06:00 Uhr
PINNEBERG
Ein Schulsystem für den Norden
Claudia Eicke-Diekmann und Manfred Augener
SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann stellt bei Wahlsieg bis 2015 Bildungskonsens in Aussicht
PINNEBERG/BERLIN. Laut Umfragen wünscht sich die Mehrheit der Eltern in Deutschland ein bundesweit einheitliches Schulsystem. Davon sind die 16 Bundesländer allerdings weit entfernt. Jedes Land hat seine eigenen Schulformen und Konzepte. Jetzt können Eltern im Kreis Pinneberg zumindest auf Vergleichbarkeit der Schulsysteme im Norden hoffen. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt erklärt Ernst Dieter Rossmann, SPD-Bundestagsabgeordneter des Kreises und bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, dass die Nordstaaten auf einem guten Weg zum Schulkonsens sind. Im Falle eines Wahlsieges des SPD-Spitzenkandiaten Torsten Albig stellt Rossmann ein gemeinsames Schulsystem für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern bis 2015 in Aussicht.
Hamburger Abendblatt:
Der Kreis Pinneberg ist mit drei Abgeordneten im Bundestag vertreten. Was haben eigentlich die Bürger im Kreis Pinneberg davon?
Ernst Dieter Rossmann:
Konkurrenz belebt das politische Geschäft. Wir haben hier deshalb einen besonders intensiven Wettbewerb um politische Positionen, um Veranstaltungen, um Ansprache von Vereinen und Verbänden. Positiv für die Bürger ist sicherlich auch, dass ein Kreis-Pinneberger immer einen besonderen Regierungskontakt hat, weil wir hier sowohl Regierungs- als auch Oppositionsabgeordnete seit vielen Jahren haben.
Machen die drei Abgeordneten auch mal gemeinsame Sache für den Kreis?
Wo man kann, ganz sicherlich. Aber im Zweifel sind doch die Zugangswege für sehr konkrete Problemlösungen eher die über den Regierungsapparat. Im Regierungsapparat kann man als Oppositionsabgeordneter schwer zusammen mitziehen. Also heißt es für mich jetzt vor allen Dingen gegenüber der Regierung Ideen haben, Schreiben, Fragen, Drängeln, Bissig Sein. Ein gemeinsames Thema für die Kreis Pinneberger Abgeordneten ist immer Helgoland, weil Pinneberg der einzige Wahlkreis ist in Deutschland mit einer Hochseeinsel. Wir haben als Abgeordnete natürlich auch sehr gute Kontakte nach Kiel und Hamburg, die wir im Interesse des Kreises nutzen. Dass dort alle drei Abgeordneten zusammen bei Regierungsstellen vorstellig werden, ist sehr selten der Fall. Dazu haben wir im Bundestag im Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition eben ganz verschiedene Aufgaben und Einflussmöglichkeiten.
Wie steht das Land Schleswig-Holstein und damit der Kreis Pinneberg in der bundesweiten Schullandschaft da?
Ich werbe schon lange für den Schulkonsens und für das Zwei-Wege-Modell. Danach sollen zwei Schulformen alle Abschlüsse beinhalten: Zum einen G8, also Gymnasium mit Abitur nach 8 Jahren, und zum anderen G9, die Gemeinschaftsschule mit dem Abitur nach neun Jahren, so wie das in Hamburg beispielhaft vorgemacht wird mit Gymnasium und Stadtteilschule. In Bremen ist das analog zu Hamburg vereinbart worden. In Schleswig-Holstein waren wir mit der SPD-Bildungsministerin in der Großen Koalition bereits dichter dran, als wir das jetzt mit Herrn Klug von der FDP in der Kleinen Koalition von CDU/FDP sind. Tatsächlich erleben wir in vielen Bundesländern derzeit Offenheit und Entwicklung hin zu diesem Zwei-Wege-Konsens. Das Bedürfnis ist da, schon wegen der Mobilität der Familien und jungen Menschen. Jedes Jahr ziehen rund 100 000 Kinder und Jugendliche in das Schulsystem eines anderen Bundeslandes um. Die Familien sind mit Recht nicht mehr bereit, diese von ihnen erwartete Mobilität mit Bildungsbrüchen bei ihren Kindern zu akzeptieren. Die Menschen drängen deshalb mit wachsender Macht darauf, dass sich die 16 Bundesländer endlich zusammenfinden und die über 80 Schulformen zusammenführen.
Die CDU hat das Thema aufgegriffen
Ja, ich habe mit Genugtuung festgestellt, dass diese Gedanken, die jetzt der CDU-Kreisverbandsausschuss aufgegriffen hat, von mir als verantwortlichem Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung schon lange vorher durchaus streitig auch in der eigenen Partei- in die Diskussion eingebracht worden sind. Es ist doch nur gut, wenn sich dieses Konzept jetzt breit durchsetzt.
Laut einer Umfrage, unter anderem im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, wünscht sich die Mehrheit der Deutschen einheitliche Bildungsstandards. Warum ist es so schwer, sich in der Schulpolitik auf gemeinsame Standards zu einigen?
Es ist seit dem Pisa-Schock 2001 eine Menge passiert, wenn es um gemeinsame Bildungsstandards im Qualifikations- und Anforderungsprofil geht, um die bessere frühkindliche Förderung, insbesondere um die Sprachförderung, und auch, wenn es um den zügigen Ausbau der Ganztagsschule geht. Einerseits. Andererseits sind da gewachsene Strukturen und Schwerpunktsetzungen in den einzelnen Bundesländern mit all ihren Eigenheiten und Profilierungswünschen. Die einzelnen Bildungsminister untereinander können auch nicht erklären, warum in Thüringen die Schulen mit Chemie früher anfangen als in Bayern oder die Oberstufenprofile in Niedersachsen anders aussehen als in Bremen. Im Bundesbildungsausschuss sagen die Bildungsminister der Länder: Wir müssen zueinander finden. Beharrungskräfte brauchen leider eine gewisse Zeit, bis sie überwunden sind.
Sie sehen also Chancen für ein gemeinsames Schulsystem der Nordstaaten?
Unser SPD-Ministerpräsidentenkandidat für die nächsten Landtagswahlen, Torsten Albig, hat auf dem Landesparteitag vergangene Woche als Ziel erklärt, dass er für Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg gerne einen solchen Schulkonsens haben möchte. Und wünschenswert ist sicherlich, dass wir auch Niedersachsen und Bremen dazu gewinnen. Warum sollte uns das für die klassischen fünf norddeutschen Länder nicht gelingen?
Haben Sie sich einen Zeitrahmen für einen Schulkonsens gesetzt? Möglichst sofort und dann mindestens über zehn Jahre vereinbart. Was ist realistisch?
So was braucht in der Politik eher mehr als zwei bis drei Jahre. Es dauert, bis das eingesickert ist, bis sich alle hinter dem Ziel Schulkonsens und Schulfrieden versammeln, bis die Parteibeschlüsse gefasst sind und bis man die Umstellung in Schul strukturen praktisch angegangen ist. Aber die Zielrichtung sollte bei drei Jahren liegen.
Vorausgesetzt, Torsten Albig wird Ministerpräsident
Ich bin sehr zuversichtlich, dass Torsten Albig unser nächster Ministerpräsident wird. Im Übrigen glaube ich, dass gute Gedanken auch den politischen Gegner erreichen können. Siehe Ganztagsschulen. Vor zehn Jahren hat es da mit der CDU noch härteste Diskussionen darüber gegeben. Mittlerweile fragen alle Warum haben wir sie nicht schon längst? Es gibt eben Ideen und Konzepte, die so gut sind, dass sie auch den politischen Gegner überzeugen und damit zum Allgemeingut werden. Dafür machen wir doch Politik, und das erwarten die Menschen von den Parteien.
Konkret: Für den Fall, dass Torsten Albig 2012 siegt bis wann wollen Sie den Schulkonsens schaffen?
Das Ziel muss sein, bis 2015 den Einstieg in ein gemeinsames Schulsystem für Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg zu erreichen. Das muss zu schaffen sein, weil die drei Bundesländer doch auch jetzt schon enge Beziehungen haben. Ich persönlich würde gerne Niedersachsen und Bremen noch dazunehmen. Das wäre optimal für den Norden. Die fünf norddeutschen Ministerpräsidenten versuchen schließlich schon seit langem, gemeinsame Interessen zu definieren Wir müssen es auch in der Bildungspolitik tun. Damit können die fünf norddeutschen Bundesländer in einem Kernbereich ihrer Zuständigkeit zeigen, dass sie konsensfähig sind.
Das könnte Signalwirkung haben.
Das hätte natürlich Signalwirkung. So wie es bereits eine Sogwirkung hat, dass sich aktuell sechs, vielleicht auch bald sieben Bundesländer entschlossen haben, gemeinsame Abituraufgaben zu entwickeln. Auch andere Bundesländer überlegen jetzt, ob sie da mitziehen. Wenn wir zum Beispiel einen Pool von Prüfungsaufgaben für ganz Deutschland haben, aus dem die Länder ihre Prüfungsausgaben ziehen, bringt das auch für andere Fragen Bewegung in die Sache. Ich glaube, die Sogwirkung einer solchen Konsensbildung im Sinne schulpolitischer Friedensschlüsse ist so stark, dass sich kaum ein Land dem entziehen kann.
Ist das zweigliedrige hamburgische Schulsystem mit Stadtteilschule und Gymnasium Ihr Vorbild?
Unbedingt. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Zwei-Wege-Modell, bei dem man nicht mehr oben und unten, besser und schlechter unterscheidet, sondern zwei Wege mit unterschiedlicher Zeitstruktur anbietet, das Modell der Zukunft ist. Wie ich das aus Hamburg mitbekomme, bieten unsere Nachbarn genau diese zwei Wege unter dem Namen Gymnasium und unter dem Namen Stadtteilschule an
Bisher gehen die Länder vielleicht teils ähnliche Wege, aber alle Schulen führen unterschiedliche Bezeichnungen. In Schleswig-Holstein ist die Gemeinschaftsschule das, was in Hamburg die Stadtteilschule ist, woanders heißt es Oberschule. Das ist verwirrend.
Da haben Sie leider recht. Das geht soweit, dass wir zum Beispiel im Ballungsraum Frankfurt mit fünf Bundesländern in einem 100-Kilometer-Radius schon Bildungsberater für Schulsysteme haben. Wenn Leute umziehen müssen, klären sie die Familien auf, was im Zielland welche Schule bedeutet, welche Schule es mit welcher Fächerkombination gibt und wie man sich mit dem geringsten Schaden für die Kinder umstellen kann. Genau das ist die Perversion des jetzigen Systems. Ob nun die Namensübereinstimmung am Anfang oder am Ende einer solchen Konsensbildung steht, ist nicht die wichtigste Frage. Sie wird in jedem Fall die Frucht eines solchen historischen Schulfriedens sein. Ein Experte hat schon einmal provokativ gesagt: Nennen wir die Schulen im Zwei-Wege-Modell doch Gymnasium 1 und Gymnasium 2. Gehen wir doch auf den altgriechischen Begriff zurück. Denn was ist ein Gymnasium danach anderes als eine Bildungsstätte für alle Kinder. Damit würde es dann auch keinen Streit umNamen mehr geben müssen, weil das Höchste an Begrifflichkeit für alle Schulen gleichermaßen gilt.
Herr Rossmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Hamburger Abendblatt 20. April 2011
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