Abstieg des Duden
Kostenlose Rechtschreibprüfung
Rechnet sich der Online-Duden?
Von Ole Reißmann
Die Bibel der Deutschlehrer wird im Internet verschenkt: Der Rechtschreib-Duden lässt sich nun auch online durchsuchen. Das kostenlose Angebot ist praktischer als das dicke Nachschlagewerk ein Geschäft will der Verlag trotzdem machen.
Hamburg Wie hätten Sie Ihren Duden denn gerne? Als iPhone-App für 19,99 Euro? Als CD-Rom für den Computer für 19,95 Euro? Als gebundene Ausgabe für 21,95 Euro?
Oder lieber kostenlos im Internet?
Genau, denn das bekannteste Nachschlagewerk für die deutsche Rechtschreibung gibt es nun auch im Internet, ohne Registrierzwang und Bezahlschranke. Selbst schuld, wer jetzt noch Geld für das eher unhandliche Buch ausgibt. Mit dem Online-Duden sucht und findet man deutlich schneller den gewünschten Eintrag.
Der Verlag begründet den Schritt hin zur Kostenloskultur im Internet mit der Markenpolitik des Unternehmens. Es sei wichtig, auch online die Nummer eins in Sachen deutsche Sprache zu sein, sagt Marion Winkenbach, verlegerische Geschäftsführerin des Dudenverlags. Genau das war mit dem bis dahin kostenpflichtigen Angebot offenbar nicht gelungen. Die Nutzer fanden sich stattdessen bei der zahlreichen und vor allem kostenlosen Konkurrenz ein, bei Pons, Canoo oder dem Wiktionary.
Nun soll der in Buchform so allgegenwärtige Duden endlich auch im Internet reüssieren. Einzelne Wörter lassen sich nachschlagen, aber auch ganze Textabsätze auf Fehler überprüfen. Rechtschreibfehler werden rot markiert, Grammatikfehler grün, ganz wie bei Textverarbeitungsprogrammen.
Das kostet den Dudenverlag Geld, ein wenig für den Betrieb der Server, mehr schon für die Redaktion, die das Angebot ständig aktualisieren und ausbauen soll. Rechnen soll sich das natürlich trotzdem.
Letztlich hofft der Verlag auf einen Werbeeffekt: Mit unserem Portal kreieren wir neben den Wörterbuchinhalten eine Duden-Markenwelt, in der wir auf unsere gesamten Duden-Markenprodukte aufmerksam machen können, sagt Winkenbach. Die von der kostenlosen Rechtschreibsuche angelockten Besucher der Duden-Seite sollen Gefallen an den zahlreichen weiteren Büchern, Lernhilfen und Anwendungen des Verlags finden und diese kaufen.
Kostenlos ist im Internet nicht umsonst
Einbußen beim Verkauf des 1200 Seiten dicken Rechtschreibratgebers erwartet der Verlag nach eigenen Angaben nicht. Ein Buch ist überall verfügbar, braucht keine technischen Voraussetzungen, es ist beständig, und man kann es verschenken, sagt Winkenbach. Schließlich sei der Duden eine beliebte Aufmerksamkeit, die Eltern, Großeltern oder Verwandte ihrem Nachwuchs zum Schulanfang oder während der Schullaufbahn auf den Schreibtisch stellen, wo es dann mehr oder weniger viel Staub ansetzt. Spätestens beim Abitur liegt es dann auf dem Tisch des Prüflings.
Die Duden-Nutzer haben mitunter höchst unterschiedliche Interessen: Die einen wollen online etwas nachschlagen, die anderen suchen ein passendes Geschenk. Auch dürften sich die Nutzer der Buch- und der Internet-Ausgabe anfangs nicht so stark überlappen. Wer aber ohnehin ständig im Netz ist, wird eher auf ein kostenloses Online-Angebot zurückgreifen.
Noch ist der aktuelle Rechtschreib-Duden etwa beim Online-Versandhändler Amazon das am häufigsten gekaufte Produkt der Marke. Weit oben in der Rangliste stehen aber auch Das große Vorschulbuch oder das Vornamenlexikon, die Nebenprodukte. Genau diese könnten, sollten irgendwann doch weniger Menschen zum kostenpflichtigen Duden Nummer eins greifen, das Hauptprodukt querfinanzieren. Zahlreiche Unternehmen machen im Internet vor, wie man Nutzern eine Dienstleistung kostenlos anbieten kann, und erst durch das Geschäft drumherum das Geld verdient, das dieses Produkt finanziert.
Der Duden wagt nun also keinesfalls die Revolution oder erfindet ein neues Geschäftsmodell. Viel mehr wird eine Erkenntnis angewendet, die sich bereits vielfach bewährt hat: Auch kostenlos kann ein gutes Geschäft sein.
Mitarbeit: Christian Stöcker
spiegel.de 4.5.2011
Das Brockhaus-Lexikon war Vorreiter. Das reformierte schwerlastige Bildungsmöbel wollte keiner mehr haben.
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