Post von Dr. Ulrich Kliegis
[SHEV] Waltraud Wende im KN-Interview
21.7.2012
Moin rundrum,
mitten in der Saure-Gurken-Zeit ein KN-Interview mit Waltraud Wende, der
neuen Bildungsministerin der dänisch-holsteinischen Landesregierung.
Da es nicht online zu finden ist, hier ein Scan. Bemerkenswert ihre Worte
zur Weisungskompetenz des Ministerpräsidenten.
Ob Stegner das persönlich nimmt?
Der Spruch der vergangenen Woche zum Regen: Och, nicht so schlimm,
das meiste fällt ja vorbei.
Am Sonnabend geht es weiter, sagt der dänische Wetterdienst. Und Dänen
lügen nicht, wie wir wissen.
Gruß und einen schönen Ferienrest!
U.
Eine Ministerin mit Kampfgeist
Kreativ und unkonventionell: Waltraud Wende soll Schulen und Hochschulen auf Vordermann bringen
Kiel. Mit der Präsentation von Waltraud Wende als seiner künftigen Bildungs- und Wissenschaftsministerin war Torsten Albig im Wahlkampf ein Coup gelungen. Die parteilose Professorin zuletzt Präsidentin der Universität in Flensburg soll Schulen und Hochschulen auf Vordermann bringen. Sie ist kreativ, voller Tatendrang und unkonventionell.
Von Uta Wilke
In dem Gespräch im achten Stock des Ministeriums in Kiel eilt sie gedanklich durch die Bildungslandschaft, entwickelt Zukunftsideen, bringt Kindheitserfahrungen in ihr Konzept für Schule ein. Ihren Wechsel von der Uni in die Regierung scheint Wende zu genießen. Schließlich bedeute Politik, die Welt mitzugestalten. „Das ist natürlich eine befriedigende Herausforderung.“ Dass ihre Vorstellungen nicht immer deckungsgleich sind mit denen ihrer Kabinettskollegen, scheint sie als normal zu empfinden. Die 54-Jährige glaubt: „Meine Stärke liegt wohl darin, dass ich mich nicht immer rollenkonform und erwartungsgemäß verhalte.“
Dass sie sich gern mal querstellt, beweist sie sogleich. Was SPD, Grüne und SSW zu den Lehrerstellen im Koalitionsvertrag vereinbart haben, reicht ihr nicht aus. Danach soll „nur die Hälfte der rund 1400 Stellen, die bis 2017 durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werden könnten, zur Verbesserung der Bildungsangebote im System bleiben. Die andere Hälfte kommt der Haushaltssanierung zugute. „Ich möchte am liebsten die gesamte demografische Rendite haben“ sagt sie selbstbewusst. Die Partner hätten doch im Wahlkampf unisono erklärt, dass dem Thema Bildung absolute Priorität zukomme schon deshalb, „weil uns sonst die sozialen Transferkosten später auf die Füße fallen“.
Natürlich weiß Wende, dass Wünsche nicht so einfach in Erfüllung gehen. Doch kämpfen will sie wo immer es möglich ist. Sie verweist auf den Stellenabbaupfad der alten Regierung, der eigentlich fortgeschrieben werden solle. Da seien 33 Stellen, die noch von der Großen Koalition für die Stärkung der Lesekompetenz von Schülern geschaffen wurden, für 2014 zur Streichung vorgesehen. Sie gestikuliert, schüttelt den Kopf. „Im deutschen Bildungsbericht steht, 20 Prozent unserer Schulabgänger können lediglich auf dem Niveau eines Grundschülers lesen, schreiben und rechnen.“ Da dürfe man diese Stellen nicht auslaufen lassen. „Das wäre zynisch.“ Die Ministerin ist hoffnungsfroh, dass sich ihre für Finanzen zuständige Kollegin Monika Heinold bekehren lässt. Denn die sei im Gegensatz zu so vielen anderen Politikern- „nicht einsichtsresistent“.
Wende, die ihren Vornamen Waltraud nicht mag und sich deshalb „Wara“ nennen lässt, will anders sein. Schon jetzt zeigt sich, dass sie im Kabinett so etwas wie ein Paradiesvogel ist. Die Frau, die in Birkelbach (Nordrhein- Westfalen) geboren wurde und an der Universität Siegen Allgemeine Literaturwissenschaft, Germanistik, Geschichte, Pädagogik und Soziologie studierte, räumt mit Blick auf die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten ein: „Hierarchische Strukturen sind mir fremd und werden mir wohl auch fremd bleiben. „Ihr liege eher die Diskussion auf Augenhöhe. Und wo steht sie politisch? „Im Bildungsbereich bin ich eine Sozialdemokratin, im ökologischen Bereich eine Grüne.“
Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen wundert es nicht, dass die neue Ressortchefin eine glühende Anhängerin des gemeinsamen Lernens ist. In der vierten Klasse forderte ihr Lehrer sie auf, anderen Kindern beim Lesen und Schreiben zu helfen. Es war eine Zwergschule mit nur einem Raum. Deshalb ist sie so sicher, dass in der Gemeinschaftsschule nicht allein die schwächeren, sondern genauso die leistungsstärkeren Schüler profitieren und zwar nicht nur mit Sozialkompetenz. „Wenn Sie einem Mitschüler Ihr Thema noch einmal erklären müssen, bekommen Sie dadurch eine ganz andere Sicherheit.“ Übrigens: Auch in Wendes Schullaufbahn gab es Krisen. So blieb sie in der Realschule sitzen, holte dann mächtig auf und wechselte später auf das Gymnasium.
Die Ministerin ist eine Kämpfernatur, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält. Schon bald wird sie zeigen müssen, ob sie auch Konflikte lösen kann. Dabei geht es auch um die Reform der Lehrerausbildung. Der Koalitionsvertrag sieht die Einführung des Stufenlehrers vor, wobei in Flensburg der Schwerpunkt für die Sekundarstufe I und an der Christian-Albrechts- Universität für die Sekundarstufe II gebildet werden soll. Die Kieler sind alarmiert, fürchten, dass Studenten nach Flensburg abwandern. Denn Absolventen mit der Lehramtsbefähigung nur für die Sekundarstufe II könnten lediglich an Oberstufen eingesetzt werden. Wende hat noch kein fertiges Konzept. Das will sie im Dialog mit den Hochschulen entwickeln. Dennoch legt sich die Ex-Präsidentin der Uni Flensburg schon mal mit der CAU an. „In Kiel haben wir eine Universität, die fachwissenschaftlich top ist, die aber große Defizite hat im didaktisch-methodischen Bereich.“ Und: „Dass dort die Lehrerausbildung besser und vor allem praxisnäher werden muss, sage nicht nur ich.“ Das wünschten sich auch die Studierenden.
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