Schleswig-Holsteinischer Elternverein e.V.
und
Elterninitiative G9jetzt!
An die
Vorsitzende des Bildungsausschusses
des Schleswig-Holsteinischen Landtags,
Frau MdL Anke Erdmann
- über den Geschäftsführer des Bildungsausschusses Herrn Ole Schmidt –
- Landeshaus
Düsternbrooker Weg 70
24105 Kiel
Plön, den 30.11.12
Betreff: Stellungnahme des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V (SHEV) und der Elterninitiative G9-jetzt! zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes, (Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/die Grünen und der Abgeordneten des SSW), Drucksache 18/200
Sehr geehrte Frau Erdmann,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns dafür, dass wir zum o.g. Entwurf des Schulgesetzes Stellung nehmen dürfen.
Diesen Entwurf lehnen wir in seiner Gesamtheit ab, da er die Gestaltungsfreiheit der Schulen und den Elternwillen massiv beschneidet.
Die Unterschriften von über 27.000 Menschen in Schleswig-Holstein (SH) und die Ergebnisse unendlich vieler Umfragen – auch namhafter Institute – belegen, dass G9 an den Gymnasien in hohem Maße favorisiert wird. Ein Schulgesetz, das eben genau diese Möglichkeit ausschließt, ist für uns deshalb nicht hinnehmbar. Die Belastungen und negativen Auswirkungen von G8 sind durch zahlreiche Berichte und Studien mittlerweile belegt. Und die SPD selbst liefert die Erklärung dazu:
„G8 ist Murks und gehört abgeschafft!
Erste Statistiken zeigen deutlich mehr Sitzenbleiber bei G8. Die … Bildungspolitik hat einzig und allein dazu geführt, den Kindern nötigen Freiraum am Nachmittag zu streichen, Nachhilfe-Stunden auf Rekordhöhe zu bringen. Vereine klagten zunehmend über fehlenden Nachwuchs. Vor allem in der entwicklungspsychologischen Phase der Pubertät brauchen Jugendliche Zeit, die ihnen durch Schulstress genommen werde.
Eine bundesweite Studie aus dem September 2012 weist das 8-jährige Gymnasium als unbeliebteste Schulform in Deutschland aus. Nach der repräsentativen Befragung wollen 79% der Eltern ein 9-jähriges Gymnasium, in Hessen lehnen sogar 89% das Turbo-Abi ab.“
osthessen-news.de
Die SPD in Hessen hat erkannt, dass G8 den Kindern und der Gesellschaft nicht gut tut. Und als Konsequenz hieraus fordert sie gemeinsam mit der GEW, der Landesschülervertretung, des Landeselternbeirates und des Philologenverbandes eine Rückkehr zu G9 – an allen Gymnasien in Hessen!
Die SPD bzw. die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein dagegen wehrt sich gegen diese Erkenntnis und versucht, G8 per Schulgesetz festzunageln. Und nimmt dabei die genannten Nachteile in Kauf: Kinder und Gesellschaft müssen leiden.
Aber nicht nur in Hessen, auch in anderen Bundesländern reißt die Diskussion über die Nachteile von G8 nicht ab – Aktuelles aus jüngster Zeit ist im Anhang dazu aufgeführt.
Wer G8 befürwortet – befürwortet auch die o.g. Nachteile. Und bis heute gibt es kein einziges pädagogisches Argument, das für G8 spricht !
Selbst die ganz aktuelle Veröffentlichung der Hamburger Kess-12-Studie belegt, dass die meisten Schüler durch G8 einen Verlust an vermitteltem Wissen hinnehmen müssen. Denkbar wäre es, den Schülerinnen und Schülern, die es können und wollen, die Verkürzung der Oberstufe um ein Jahr zu ermöglichen. Hierzu verweisen wir auf die Stellungnahme, die wir dem Bildungsausschuss im Dezember 2010 zur damaligen Schulgesetzänderung vorgelegt haben. Hierin haben wir unsere Vorschläge detailliert erläutert und auch mündlich und schriftlich vorgetragen.
Das Wahlrecht (nicht Wahlpflicht!) im jetzigen Schulgesetz erhalten!
Die zur Zeit bestehende Wahlfreiheit läßt zu, dass Gymnasien auch bei G8 bleiben können – ebenso, dass die Gemeinschaftsschulen nicht nach abschlussbezogenen Klassenverbänden unterrichten. Es ist daher völlig überflüssig, die Wahlfreiheit abzuschaffen – wir lehnen daher den Gesetzentwurf in Gänze ab.
Wir treten nach wie vor dafür ein, allen Gymnasien den Weg zu G9 freizumachen, und zwar ohne Einspruchsmöglichkeiten der Schulträger. Bundesweit ist im vergangenen Jahr die Diskussion um ein einheitliches Bildungssystem mit gleichen Abschlüssen für alle entbrannt.
Zwar sind auch da Zweifel angebracht, ob der Weg zum Ziel ohne Verirrungen begangen werden wird, aber die Schulplanung muss sich an solchen übergeordneten Zielen orientieren, die sicherstellen müssen, dass unseren Kindern das höchstmögliche Maß an Bildung und Wissen vermittelt wird, und zwar für jeden Abschluss, vom Haupt- über den Realschulabschluss bis zur Allgemeinen Hochschulreife. Das geht nicht, wenn Bildungswege von Kommunalparlamenten bestimmt werden. Die entsprechenden Regelungen sollten aus dem Schulgesetz getilgt werden.
G9 für alle Gymnasien als Grundangebot!
Die von unserer Initiative und weiterer kleiner Initiativen gesammelten Unterschriften sind ein Dokument dafür, dass mehr als 27.000 Schleswig-Holsteiner/innen mit ihrem Namen und ihrer Unterschrift sich unserer Forderung angeschlossen haben, G9 als Grundangebot aller Gymnasien wieder einzurichten. Diese Forderung besteht unverändert fort.
Klassen nach begabungsbezogenen Jahrgängen ermöglichen!
Im Übrigen schließen wir uns der Forderung der Lehrkräfte und Eltern und
Schülerinnen und Schüler an, die an den Sekundar-I-Schulen des Landes weiterhin und noch mehr als bisher abschluss- bzw. begabungsbezogene Klassen, Kurse und Bildungsgänge ab der 5. Klasse ermöglicht wissen wollen.
Es ist ein Irrglaube, dass eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun hat. Im Gegenteil – sie ist die Grundlage fragwürdiger Staatssysteme, die diese Stufe des Lebensweges junger Menschen missbrauchen, um sie in ihrem Sinne zu erziehen und zu formen. Und in dieser Hinsicht gibt auch die erst vor kurzem gemachte Aussage von SPD-Bürgermeister Buschkowsky sehr zu denken: In den Kitas wird der Staatsbürger von Morgen geschmiedet.
freiewelt.net
Unsere Kinder haben samt und sonders einen Anspruch auf eine hochentwickelte, hochdifferenzierte Bildung und Betreuung, entsprechend ihrem ganz individuellen Begabungs- und Neigungsbild.
Dazu müssen Schulen und Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, diesen Kindern in angemessener Weise das beste Angebot machen zu können. Derzeit sehen wir das nicht als gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf wird zu einer weiteren Verschlechterung der Leistungsfähigkeit unserer Schulen, zu einer Einschränkung der Lehrqualität und zu einer Beschneidung von Zukunftschancen unserer Kinder führen. Der Entwurf geht in eine völlig falsche Richtung. Er stellt verquaste, von keiner wissenschaftlichen Untersuchung unterfütterte Ideologien weit über die Aufgabe der Schule, Bildung und Wissen zu vermitteln. In diesem Auftrag der Gesellschaft ist kein Platz für kurzlebige Parteiideologien. Es ist doch absehbar, dass die beabsichtigten Änderungen nach dem nächsten Mehrheitswechsel vollständig rückabgewickelt werden wäre es da nicht klüger, den Gesetzentwurf zurückzuziehen?
Wir wehren uns dagegen, dass der Staat sich anmaßt, die Erziehung unserer Kinder übernehmen zu wollen. Dieses ist ein grundgesetzlich verankertes Recht – und die Pflicht – der Eltern.
Die jetzige Lehrerausbildung erhalten!
Zu diesem Themenkreis, namentlich auch zur mit dem vorliegenden Schulgesetzentwurf angestrebten jetzigen und weiteren Veränderungen des Schulgesetzes, gehören auch die aktuellen Bestrebungen der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, bewährte Instanzen der Lehrerausbildung zu zerstören.
Wir treten für eine differenzierte Höchstqualifikation aller Lehrkräfte entsprechend den Anforderungen ihres Tätigkeitsbereichs und ihres jeweiligen Faches ein. Dieses wird ganz sicher nicht mit einer auf niedrigster Ebene angesiedelten Nivellierung des Lehrerbildungsstandards erreicht.
Die Lehrkräfte müssen auch so ausgebildet werden, dass sie jeder Altersstufe gerecht werden können. Es ist doch nachgerade absurd, von Studienanfängern, gerade selbst der Schule entronnen, zu verlangen, dass sie sich auf einen Ausbildungsweg für die eine oder andere Altersklasse von Schülerinnen und Schülern festlegen sollen -abgesehen von der Gedankenlosigkeit, die hinter dem Plan steckt, Lehrkräften, die durchaus sowohl Fünftklässler als auch Abiturienten angemessen unterrichten zu können, auf eine Altersklasse von Zielpersönlichkeiten einzugrenzen.
Und genauso ist der jüngste Vorschlag der Bildungsministerin, Lehrer nur noch für die Einheitsschule ohne Differenzierung des Tätigkeitsfeldes auszubilden, strikt abzulehnen. Zu allererst muß Einigkeit und zwar möglichst einstimmig, nicht nur mit einer Stimme Mehrheit über das Schulangebot wiederhergestellt werden, dann ist darüber nachzudenken, ob und was an der Lehrerausbildung zu ändern ist.
Wir schließen uns der Meinung der IVL-Vorsitzenden Grete Rhenius an, die heute (30.11.2012) gesagt hat: Wer nur das Alter der Kinder als strukturelle Grundlage für die Lehrerausbildung zugrunde legt, der zeigt damit, dass sein bildungspolitisches Verständnis auf Tabellen und daraus abgeleiteten Quoten fußt, dieses aber nicht auf eine begabungsgerechte und damit kindgerechte Pädagogik abzielt!
Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass das nicht nur für die Lehrerausbildung, sondern für das gesamte Schulangebot gilt. Verbesserungsmöglichkeiten sehen wir da in großer Zahl aber das findet sich dann vermutlich in unserer Stellungnahme zur nächsten Schulgesetzänderung. Es schmerzt, in einer Stellungnahme auf solche Entwürfe eingehen zu müssen, aber es muß wohl sein.
Der Gesetzentwurf ist in der vorgelegten Fassung umfassend nicht nur überflüssig, sondern schädlich für alle Schulen – wir lehnen ihn daher in Gänze ab.
Astrid Schulz-Evers
(Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V. und Sprecherin der Elterninitiative G9jetzt!)
Anhang
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