Astrid Schulz an Eltern im SHEV
„Vermutlich“ auch in SH: In den Grundschulen wird die umstrittene Methode „Lesen durch Schreiben“ angewendet!
Antwort auf eine Anfrage aus dem Landtag SH:
2. Werden bei der Schreibentwicklung auch Stategien nach den Ideen des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen angewendet?
Wenn ja, in welchen Grundschulen?
Antwort:
Die Grundideen des Ansatzes „Lesen durch Schreiben“ nach Reichen sind in den Schulen bekannt und vermutlich im Kontext von Methodenvielfalt und –freiheit auch verbreitet. Denn die Anlauttabelle von Reichen ermöglicht dem Grundsatz der Aneignung eines zweiten Sprachsystems folgend, das Schreiben von Anfang an: Selbstständig und in individuellem Tempo schreiben Schülerinnen und Schüler Texte auf der Basis des eigenen, gesicherten Wortschatzes. Auch wenn der Schwerpunkt dabei auf der Verschriftung der Sprache liegt, werden „ganz nebenbei“ über Hypothesenbildung zum richtigen Schreiben Rechtschreibsensibilität und später auch – strategien entwickelt, die u.a. als Grundlage für die Systematisierung der Rechtschreibkenntnisse genutzt werden können. Mittlerweile haben mehrere Schulbuchwerke zum Schriftspracherwerb die Idee der Anlauttabelle aufgegriffen und Ansätze von Kürgen Reichen mit dem Angebot unterschiedlicher Materialien akzentuiert.
Daten zur Verbreitung dieses methodischen Ansatzes in schleswig-holsteinischen Grundschulen werden nicht erhoben.
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0900/drucksache-18-0968.pdf
Lesenswert ist in diesem Zusammenhang das Interview mit Günter Jansen (Grundschulservice) vom 2.7.2013:
freiewelt.net 2.7.2013
Jansen: Weil die Frage die um sich greifende Reformpädagogik anspricht, möchte ich gerne darauf eingehen. Wenig bekannt ist, dass eine große Anzahl der bekanntesten Reformpädagogen keineswegs eine solide pädagogische Ausbildung vorweisen konnte. Zu ihnen übrigens gehörte auch der ehemalige Leiter der reformpädagogischen Odenwaldschule Ummo Gerold Becker, der nicht einmal seine Ausbildung zum evangelischen Pfarrer zu Ende geführt hatte.
Der Erfinder der auch unter dem Namen ‘Spracherfahrungsansatz’ bekannten neuen Lehre ‘Lesen durch Schreiben’, gleichzeitig mit Hilfe von ‘Netzwerken’ auch Motor für die Verbreitung des Konzepts ‘Lesen durch Schreiben’, ist ein in Deutschland seit Jahrzehnten gefeierter Reformpädagoge, Kultpädagoge sogar, 1980 wurde er Professor für Anfangsunterricht mit dem Schwerpunkt Erstlesen/Erstschreiben.
Dieser Reformpädagoge und Professor mit dem Schwerpunkt Erstlesen/Erstschreiben, ein studierter Jurist und Soziologe, hatte weder ein Studium für das Lehramt an Grundschulen noch für ein anderes Lehramt absolviert, er hätte also nicht einmal an einer Grundschule unterrichten dürfen. Auf eine solide Unterrichtspraxis konnte er nicht verweisen, nachweisen konnte er auch kein Fachstudium in einer der an der Erforschung des Schriftspracherwerbs beteiligten Einzelwissenschaften wie der Fachdidaktik Deutsch, der Sprachwissenschaft oder der Psychologie. Dass er bei Antritt seiner Professur in Bremen von Lese- und Schreibdidaktik „kaum Ahnung“ hatte, bekannte er später selber und ist bis heute in einem Aufsatz des Grundschulverbandes nachzulesen. Inzwischen werden solche Verhältnisse von Eltern als bedrohlich für ihre Kinder und für unser Land wahrgenommen.
Dass von einer deutschen Universität aus, die damals verschrieen war als “rote Kaderschmiede”, deren Kritiker sich über das Schwergewicht dort an „Laberfächern wie Pädagogik und Politik“ beklagten, deutschlandweit eine Pädagogik verbreitet wurde, die anstatt auf empirischen Untersuchungen zum größten Teil auf absurden Annahmen und seichten Theorien aus aller Welt basierte, ist erschreckend. So war es denn in den 80er Jahren nicht verwunderlich, dass die Stadt Bremen nichts mehr mit ihrer Uni zu tun haben wollte und sich weigerte, deren Lehramtsabsolventen zu übernehmen.
Freiewelt.net: Beim Konzept „Lesen durch Schreiben“. “sollen Kinder nicht mehr lernen, wie man ein Wort richtig schreibt, sondern sich in der ersten und zweiten Klasse eine eigene „Recht“-Schreibung erfinden. Im Vergleich zum klassischen Unterricht sind die Ergebnisse katastrophal. Bis jetzt zeigen die Eltern dagegen recht wenig Widerstand?
Jansen: Lernen sollen die Kinder schon, wie man richtig schreibt.
Nur, mit dem Konzept „Lesen durch Schreiben“ lernen es viele Kinder eben nicht, denn im Deutschen lässt sich die richtige Schreibung, Kulturtechnik eben, nicht nach reformpädagogischer Rezeptgebung einfach so „entdecken“.
Nach der letzten Untersuchung zur nationalen Ergänzungsstudie IGLU-E 2006 mit Fokus auf den Orthographieunterricht stand fest, dass nach Klasse 4 einem Viertel aller Schülerinnen und Schüler der Weg zur Schriftlichkeit verwehrt bleibt. Andere Untersuchungen belegen darüber hinaus, dass Kinder, die bei solchen Studien im Mittelfeld gelandet waren, mit solidem Unterricht zu besseren Leistungen hätten geführt werden können. Wie hinreichend belegt ist, finden wir mangelnde Rechtschreib- und Lesekompetenz zumeist bei Schülerinnen/Schülern aus sozialschwachen und bildungsfernen Elternhäusern sowie bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund. Widerstand aus den zuerst genannten Elternhäusern ist kaum zu erwarten, auch wegen gewisser Ängste vor dem Umgang mit der Institution Schule. Eltern mit Migrationshintergrund vertrauen ohne Argwohn oft genug auf den guten Ruf der deutschen Schule.
Ausgeklammert bleibt regelmäßig bei solchen Untersuchungen der Aspekt, dass eine Vielzahl von Kindern nur dadurch die vorgesehenen Kompetenzen erreicht, weil deren Eltern, die über die finanziellen, zeitlichen und entsprechenden kompetenzbasierten Ressourcen verfügen, ihre Kinder in den professionellen Nachhilfeunterricht schicken oder als Privatlehrer am Nachmittag den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen selbst in die Hand nehmen.
Für die vielen interessierten Eltern mit Migrationshintergrund muss oft aus sprachlichen Gründen die private Nachhilfe zu Hause entfallen, aus bildungsfernen Elternhäusern sind aus naheliegenden Gründen Bemühungen um die Förderung ihrer Kinder eher unüblich.
Über die Jahre hinweg berichteten mir etliche Eltern davon, dass sie, um ihren Kindern einen effektiven Nachhilfeunterricht ermöglichen zu können, Nebenbeschäftigungen angenommen haben oder auch Verzicht geleistet hätten, in zwei Fällen z. B. auf eine Urlaubsreise. In zahlreichen Schreiben an mich ist allerdings ziemlich deutlich geworden, dass viele Eltern sich nicht regen, weil sie Angst davor haben, sich mit den Lehrern ihrer Kinder „anzulegen“.
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