Deutsche Sprachpolizei
Hilfe, mein Name ist nicht korrekt!
Von bösen Straßenschildern und bösen Familiennamen
Von Reinhard Mohr
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Das Schild der Mohrenstraße in Berlin-Mitte: Hier ist unter anderem das Bundesjustizministerium ansässig. (picture-alliance/ dpa)
Unser Autor Reinhard Mohr macht sich Gedanken über seinen politisch unkorrekten Nachnamen. Wenn schon die Berliner Mohrenstraße unter Rassismus-Verdacht steht, wie verhält es sich dann bei einem wie ihm, der auch so heißt?
Gestatten, mein Name ist Mohr. Reinhard Mohr. Mohr mit o-h, wohlgemerkt. Nie habe ich Stammbaumforschung oder Etymologie betrieben, aber soviel weiß ich: Mohr kommt von Maure, ein ursprünglich griechisches Wort, das dunkel- und schwarzhäutige Menschen bezeichnet. Ich aber bin weiß.
Unzählige Male bin ich in meinem Leben mit dem abgewetzten Zitat aus Schillers Fiesco konfrontiert worden: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Haha. Ein Zitat übrigens, das falsch ist. Richtig muss es heißen: Der Mohr hat seine Arbeit getan …" ...
Doch jetzt ist Schluss mit lustig. Seit Neuestem steht mein Familienname unter akutem Rassismus-Verdacht. Der Mohr soll gehen, und zwar für immer. Den Anfang soll die Mohrenstraße in Berlin-Mitte samt der gleichnamigen U-Bahn-Station machen. Weg damit! Das fordert jedenfalls der Berliner Tagesspiegel und hat gleich eine sehr originelle Alternative parat: die Nelson-Mandela-Straße.
Das ist konsequent antirassistisch gedacht, nachhaltig, transparent, interkulturell sensibel, antifaschistisch und antimilitaristisch. Schließlich rührt der Straßenname aus jener Zeit vor rund 300 Jahren, als sogenannte Hofmohren beim preußischen König und im Heer für Musik und Unterhaltung sorgten...
Auf Erden aber praktizieren die Namens- und Sprachreiniger noch eine ganz andere Strategie als die Denunziation vermeintlich rassistischer Bezeichnungen: Das neue Nebeldeutsch, ein vermeintlich fortschrittliches Kauderwelsch, das im Wortsinn keine Diskriminierung, also keine Unterscheidung mehr duldet. Der semantische Kern ist zum Schwamm geworden, der alles aufsaugt und neutralisiert.
Willkommenskultur, Inklusion, Gendergerechtigkeit, strukturelle Nachhaltigkeit, postkonventionelle Partizipationsformen, interkulturelle Sensibilität, Transparenz: Schaumgummi-Vokabeln wie diese sollen die freie Anschauung der vielfältigen und konfliktreichen Wirklichkeit apriori standardisieren und vereinheitlichen.
Die perfekte Sprachregelung: Alles soll vorgegeben, angeglichen, gleich gemacht werden. Ein tendenziell totalitäres Vodoo. Semantik als Religion der Guten und Gerechten, die rein begriffliche Beschwörung einer schönen neuen Welt, in der nur Böswillige und hoffnungslos Rückständige den gesellschaftlichen Frieden stören.
Schlimmstenfalls heißt der Uneinsichtige auch noch Mohr, Reinhard Mohr. Dann kann er wirklich gehen.
Reinhard Mohr ... geboren 1955, ist freier Journalist...
Deutschlandradio Kultur.de 26.2.2014
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