Lieber Herr Swaton,
wenn wir die Tatsachen, die durch die Reform in die Welt gesetzt worden sind, berücksichtigen, als ob sie gleichrangig neben der gewachsenen Orthographie stünden, dann können wir gleich einpacken! Dann haben die Reformer mit ihrer "Überrumpelungsaktion (Munske) gesiegt. Das war ja die Absicht bei der vorfristigen Einführung und dem folgenden Gewaltstreich: vollendete Tatsachen schaffen, an denen niemand mehr vorbeikommt. Nein, so nicht! Wenn die Diskussion je einen Sinn gehabt haben soll, wenn der ganze Kampf, mit Volksbegehren usw., nicht sinnlos gewesen sein soll, dann müssen wir die Wirkungen der Reform wie ungeschehen behandeln. Ich verkenne nicht, daß die Reform eine schwer reparierbare Verwirrung hinterlassen hat, bis in die FAZ hinein, aber ich bin nicht bereit, die gewaltsam eingeführten Schreibweisen anzuerkennen, wenn sie nicht schon vorher verbreitet waren (wie umso u.ä.).
Wenn jemand wochenlang böswillig durch meinen Vorgarten trampelt, bin ich ja auch nicht bereit, daraus einen öffentlichen Weg zu machen.
Bei ck bin ich auch anderer Meinung. Wenn man die leicht faßliche Regel (§ 3 der Neuregelung) verstanden hat, daß ck anstelle von kk steht, d. h. den Status einer Ligatur (und nicht eines Digraphen wie ch) für die Silbengelenkschreibung hat, dann macht auch die Trennung überhaupt keine Schwierigkeiten. Übrigens steht die Silbentrennung immer etwas außerhalb der Orthographie, weil sie mehr ein technisches Problem ist und daher auch besondere Trennprogramme erledigt wird übrigens seit langem ohne besondere Probleme mit dem ck, außer natürlich bei Ranicki und ähnlichen Fremdwörtern. Fazit: kein Änderungsbedarf!
Nachtrag: Was die humanistischen Trennungen betrifft, so habe ich meine Meinung dazu schon oft geäußert. Aber ich will das gern nochmals tun. Zunächst eine Erinnerung: Bei Konrad Duden war es guter Brauch, eine stilistische Warnung zu geben. Er hat nämlich oft gesagt, vor Wörtern, die man nicht schreiben kann, solle man sich auch sonst hüten. Also wer zum Beispiel brillant nicht schreiben kann, soll doch glanzend schreiben! (Mein Beispiel, er hat Nuance usw.)
Dann haben wir da den oft angeführten Fall der Sekretärin. Sie schreibt in der Regel Fremdtexte. Wenn ein Sprachwissenschaftler seiner Sekretärin zum Beispiel einen Text diktiert, in dem das schwere Wort Diphthong vorkommt, dann darf er erwarten, daß sie das so schreibt, wie er will, und nicht so, wie es ihrem Verständnis entspricht. Mir hat der Arzt vorige Woche ein Medikament der Firma Ratiopharm verordnet, die Sprechstundenhilfe schrieb aber auf Radiopharm das ist Lectio facilior, wie die Gelehrten sagen. Immerhin hat sie nicht statt Doxycyclin Dulcolax geschrieben ...
Also: Solange die humanistische Schreibweise noch nicht ganz zugunsten der phonographischen abgeschafft ist, wird es immer zu einer Orthographie erster und zweiter Klasse kommen, wenn man die scheinbar menschenfreundlichen Trennungsregeln von Herrn Swaton annimmt. Man müßte die Trennung Di-phthong verbieten, damit keiner mehr durch Kenntnis des Griechischen glänzen kann. Diese Strategie läßt sich bei Augst tatsächlich nachweisen. Man muß ja jetzt Zierrat, einbläuen, Quäntchen usw. schreiben, das Richtige ist gar nicht mehr zulässig. Aber der Fachmann arbeitet ja ganz bewußt mit Ausdrücken, die ihm völlig durchsichtig sind. Ich weiß doch schließlich, was ich tue, wenn ich von Di-phthongen spreche.
Also dies bitte ich mitzubedenken. Und nochmals: Gab es denn Änderungsbedarf? Trennen Schüler überhaupt noch? Müssen sie es können, auch bei Wörtern, die sie von sich aus nicht benutzen?
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