Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Was soll ins Wörterbuch?
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Was soll ins Wörterbuch?
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Theodor Ickler
08.03.2001 10.16
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Lieber Herr Swaton,
während Sie auf Markner antworteten, habe ich meinem vorletzten Beitrag einen Nachtrag angehängt, der auch auf Ihren Vorschlag zur Trennung eingeht. Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ihr Vorschlag ist ernstzunehmen, aber abzulehnen. Meine Ausführungen über Trennungen erster und zweiter Klasse betreffen die Wirkungen, nicht etwa Ihre Argumente.
Ein Problemchen liegt allenfalls darin, daß wir schon ein paar „barbarische“ Trennungen haben („Epi-sode“). Aber wenn ich „Mikros-kop“, „Sy-nopse“ lese, dann fallen mir all die Gegenargumente ein, die ich in der besprechung des Praxiswörterbuchs und anderswo vorgebracht habe.

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Henrik Swaton
08.03.2001 10.02
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Sehr geehrter Herr Markner,
wenn Sie als Antwort auf meine Überlegungen als einziges anzubieten haben den Hinweis auf ein angeblich niedriges Argumentationsniveau, dann tut es mir leid – für Sie! Denn das Recht, über ein Sachverhalt nachzudenken und seine Gedanken zu äußern, verbietet sich auch nicht bei einem Thema wie der Rechtschreibreform.

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Theodor Ickler
08.03.2001 09.41
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Bei unserem alten Freund Horst Sitta habe ich ein paar hübsche Sätze gefunden, die ich mal hierhersetzen möchte:

„Der Lehrer, der in einem konkreten Fall die Grammatik konsultiert (z. B. mit der Frage, ob brauchen mit oder ohne zu zu konstruieren sei), verlangt eine eindeutige Aussage und ist, wenn die Grammatik als ganze bei ihm Kredit hat, auch bereit, diese Aussage als wissenschaftliche Entscheidung zu akzeptieren. Weder schätzt er offene Normen noch grammatiktheoretische Hinweise (hier etwa die mögliche Überlegung, daß brauchen auf dem Weg in das Paradigma der Modalverben sei und daß unter den gegebenen Bedingungen eine eindeutige Antwort auf die gestellte Frage wissenschaftlich nicht möglich sei), noch verlangt er nach wissenschaftstheoretischer Begründung für eine Aussage.“ (in: Linguistische und didaktische Grammatik, Fs. für Gerhard Helbig, Leipzip 1989)
Der Aufsatz enthält noch weitere gute Überlegungen und Formulierungen (Sitta ist ja nicht dumm, bloß eben ein Schlitzohr, wenn es um die Vermarktung der Rechtschreibreform geht).

Mir scheint, daß hier ein grundsätzlicher Unterschied in der Herangehensweise gut dargestellt ist. Kann es aber die Aufgabe der Wissenschaft sein, hier nachzugeben und die Abneigung des Lehrers gegen „offene Normen“ auch noch zu unterstützen? Tun solches nicht auch die Zöllner und Pharisäer?

Vielmehr sollte es doch wohl die vornehmste Aufgabe der Schule sein, ein allgemeines Bewußtsein von der Natur der Sprache zu verbreiten und damit eben von „offenen Normen“.

(Dies ist ein Glaubensbekenntnis, Bekehrungsversuche sind also zwecklosw!)

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Theodor Ickler
08.03.2001 09.31
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Lieber Herr Swaton,
wenn wir die Tatsachen, die durch die Reform in die Welt gesetzt worden sind, berücksichtigen, als ob sie gleichrangig neben der gewachsenen Orthographie stünden, dann können wir gleich einpacken! Dann haben die Reformer mit ihrer "Überrumpelungsaktion“ (Munske) gesiegt. Das war ja die Absicht bei der vorfristigen Einführung und dem folgenden Gewaltstreich: „vollendete Tatsachen“ schaffen, an denen niemand mehr vorbeikommt. Nein, so nicht! Wenn die Diskussion je einen Sinn gehabt haben soll, wenn der ganze Kampf, mit Volksbegehren usw., nicht sinnlos gewesen sein soll, dann müssen wir die Wirkungen der Reform wie ungeschehen behandeln. Ich verkenne nicht, daß die Reform eine schwer reparierbare Verwirrung hinterlassen hat, bis in die FAZ hinein, aber ich bin nicht bereit, die gewaltsam eingeführten Schreibweisen anzuerkennen, wenn sie nicht schon vorher verbreitet waren (wie „umso“ u.ä.).
Wenn jemand wochenlang böswillig durch meinen Vorgarten trampelt, bin ich ja auch nicht bereit, daraus einen öffentlichen Weg zu machen.

Bei ck bin ich auch anderer Meinung. Wenn man die leicht faßliche Regel (§ 3 der Neuregelung) verstanden hat, daß ck anstelle von kk steht, d. h. den Status einer Ligatur (und nicht eines Digraphen wie ch) für die Silbengelenkschreibung hat, dann macht auch die Trennung überhaupt keine Schwierigkeiten. Übrigens steht die Silbentrennung immer etwas außerhalb der Orthographie, weil sie mehr ein technisches Problem ist und daher auch besondere Trennprogramme erledigt wird – übrigens seit langem ohne besondere Probleme mit dem ck, außer natürlich bei „Ranicki“ und ähnlichen Fremdwörtern. Fazit: kein Änderungsbedarf!

Nachtrag: Was die humanistischen Trennungen betrifft, so habe ich meine Meinung dazu schon oft geäußert. Aber ich will das gern nochmals tun. Zunächst eine Erinnerung: Bei Konrad Duden war es guter Brauch, eine stilistische Warnung zu geben. Er hat nämlich oft gesagt, vor Wörtern, die man nicht schreiben kann, solle man sich auch sonst hüten. Also wer zum Beispiel „brillant“ nicht schreiben kann, soll doch „glanzend“ schreiben! (Mein Beispiel, er hat „Nuance“ usw.)
Dann haben wir da den oft angeführten Fall der Sekretärin. Sie schreibt in der Regel Fremdtexte. Wenn ein Sprachwissenschaftler seiner Sekretärin zum Beispiel einen Text diktiert, in dem das schwere Wort „Diphthong“ vorkommt, dann darf er erwarten, daß sie das so schreibt, wie er will, und nicht so, wie es ihrem Verständnis entspricht. Mir hat der Arzt vorige Woche ein Medikament der Firma „Ratiopharm“ verordnet, die Sprechstundenhilfe schrieb aber auf „Radiopharm“ – das ist Lectio facilior, wie die Gelehrten sagen. Immerhin hat sie nicht statt Doxycyclin Dulcolax geschrieben ...
Also: Solange die humanistische Schreibweise noch nicht ganz zugunsten der phonographischen abgeschafft ist, wird es immer zu einer Orthographie erster und zweiter Klasse kommen, wenn man die scheinbar menschenfreundlichen Trennungsregeln von Herrn Swaton annimmt. Man müßte die Trennung „Di-phthong“ verbieten, damit keiner mehr durch Kenntnis des Griechischen glänzen kann. Diese Strategie läßt sich bei Augst tatsächlich nachweisen. Man muß ja jetzt Zierrat, einbläuen, Quäntchen usw. schreiben, das Richtige ist gar nicht mehr zulässig. Aber der Fachmann arbeitet ja ganz bewußt mit Ausdrücken, die ihm völlig durchsichtig sind. Ich weiß doch schließlich, was ich tue, wenn ich von „Di-phthongen“ spreche.
Also dies bitte ich mitzubedenken. Und nochmals: Gab es denn Änderungsbedarf? Trennen Schüler überhaupt noch? Müssen sie es können, auch bei Wörtern, die sie von sich aus nicht benutzen?

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Reinhard Markner
08.03.2001 09.27
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Wollte man sich darauf einlassen, auch die Neuschrieb-Varianten zu verzeichnen, müßte man natürlich auch »Leid tun« aufnehmen. Wie kommen Sie, Herr Swaton, darauf, daß dem nicht so wäre ? Was haben Sie eigentlich für Kriterien anzubieten ? Bisher sprechen Sie nur davon, was Ihnen irgendwie gefällt und was nicht. Damit befinden Sie sich auf dem argumentatiefen Niveau von Frau Dr. Menges.
Sind Sie denn jetzt eigentlich auch dazu übergegangen, »Mu-
tter« zu trennen ?

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Reinhard Markner
08.03.2001 09.18
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Was zum Schmunzeln

An die Röm. Kayserl. auch zu Hungarn und Böhaimb Königl. Mayest. unserm allergnädigsten Kayser, König und Herrn Höchst-Nothdringendes Fuß-fälligstes Schreyen, Bitten und Klagen : Deren die innwendig benannten sechs Schlössern bey 71. fälschlich angegebenen und in grausamer Arrestirung unter Schlangen, Krotten und Ungezieffer nackend und bloß ohn Lebensmittel halb tot liegende arme elendigst geplagte Prediger und Schul-Diener der Schweitzerl. und Augspurg. Confession ; umb allergnädigste Erbarm-, völlige Loßlaß- und Ledigsprechung aller zumuthenden und unchristlichen Wercken . . ., o. O., 1675

Johannis Rudolphi Glauberi Opera chymica, Buecher und Schrifften, so viel deren von ihme bißhero an Tag gegeben
worden. Jetzo von neuem mit Fleiß uebersehen, auch mit etlichen neuen Tractaten vermehret, und umb mehrer Bequemlichkeit willen, in diese Form zusammen getragen, sampt ein darzu verfertigten vollkommenen Register, Band 1, 1658 : Miraculi mundi (Continuatio). Darinnen die gantze Natur entdecket, und der Welt nackend und bloß fuer Augen gelegt, auch klaerlich und ausfuehrlich bewiesen und dargethan wird, daß auß dem Salpeter aller Vegetabilien, Animalien und Mineralien hoechste Medicin zu bereiten mueglich [. . .]

Koninck Karels [d. i. Karl I. von England] Beklach aen sijn gemeente: over sijn nackend droevigh angheluck; voorghestelt in S. M. verklaringe, aengaende het tractaet en sijn mis-haghen van de handelinghe des Leghers . . ., o. O., 1649

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Henrik Swaton
08.03.2001 09.14
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ck-Trennung und anderes

Die wissenschaftlichen Gegenargumente sind mir alle wohlbekannt, jedoch überzeugen sie mich nicht, da durch die kk-Trennung ein zentraler Grundzug der deutschen Orthographie verletzt wird: die Bewahrung des Wortbildes (Stammprinzip/morphematisches Prinzip). Eine Verwirrung des geübten Lesers ist auch nicht anzunehmen, da beim Lesen die Augen bisweilen auch unbewusst im Text zurückspringen (Regression), um bestimmte Wörter nochmal zu betrachten und zu erfassen (Fixation). Man sollte außerdem einzelne Reformpunkte nicht nur deswegen verdammen, weil sie aus dem überwiegend misslungenen Gesamtwerk „Rechtschreibreform“ stammen. Ich möchte aber eigentlich auf folgende Grundsatzproblematik hinweisen: Wenn das Wörterbuch von Prof. Ickler die Sprach- bzw. Rechtschreibwirklichkeit widerspiegeln soll, dann muss man auch die reformierten Schreibweisen zumindest zur Kenntnis nehmen (sofern sie natürlich nicht völlig abwegig sind; z.B. Leid tun!). Daß die reformierten Schreibweisen inzwischen zur Schreibwirklichkeit gehören, ist wohl unbestritten. M.E. spricht nichts dagegen, vernünftige Schreibvarianten (z.B. nummerieren) mit aufzunehmen. Eine empfehlende oder abratende Markierung kann mit angebracht werden. Außerdem sollte die Worttrennung nach Sprechsilben (auch, aber nicht ausschließlich) berücksichtigt werden. Wenn nach Angaben von Prof. Ickler selbst Sprachwissenschaftler nicht mehr der toten Sprachen (Latein/Alt-Griechisch) mächtig sind, warum sollte dieses Wissen von normalen Sprachteilhabern verlangt werden?

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Reinhard Markner
08.03.2001 09.04
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In diesem Fall dürfte der Befund wohl eindeutig sein, egal welche Textkorpora man heranzieht, schließlich war »selbstständig« hundert Jahre lang »verboten«. Natürlich kann man seltenere Formen mit guten Gründen bevorzugen.

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Theodor Ickler
08.03.2001 03.42
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Herrn Markners Mustereintrag läuft darauf hinaus, die Empfehlungen als statistische Angaben zu formulieren. Darüber läßt sich reden, allerdings darf man die Schwierigkeiten nicht verkennen, die damit verbunden sind. Wie ich schon früher einmal angedeutet habe, geht es dabei hauptsächlich um die Auswahl der auszuzählenden Textkorpora. Mir war stets bewußt, daß Zeitungen zwar eine hervorragende Quelle, aber in gewissem Sinne nicht repräsentativ sind usw.

Wäre es denkbar, daß manchmal auch die seltenere Form die empfehlenswertere ist? In meinem Vorwort habe ich mir das offengehalten. Meine Freiheit bestand und besteht weiterhin darin, daß ich erstens eine „vernünftige“ (sprachlich richtige) Rechtschreibung biete und zweitens keine neuen Schreibweisen erfinde, sondern nur bekannte und geläufige (aber eben nicht alle je angetroffenen).

Die Frage „Wie ist es denn nun richtig?“ findet keine Gnade, weil sie der Natur der Sprache zuwiderläuft und Ausfluß einer Gesinnung ist, die ich aufs schärfste bekämpfe. Wer von dieser Frage nicht lassen kann oder will, gehört dann eben nicht zu meinen Patienten, sondern soll sich einen Kassenarzt suchen. Die gesetzliche Rechtschreibversicherung ist zwar etwas teurer, aber viel bequemer.

Um das Material ein bißchen anzureichern (was sagt die Welt übrigens zu „gut tun“?), habe ich mich soeben ins pornographische Fach begeben und unter „nackend“ nachgesehen, eine Nebenform zu „nackt“:
„Papa holt den Dicken raus. Mama zieht sich nackend
aus. Einmal rein, einmal raus, fertig ist der kleine Klaus!“ (Gefunden bei Google). Aber mal im Ernst: Soll „nackend“ ins Wörterbuch? Steht bei mir schon drin, ohne Kommentar, ist das richtig so? Der Duden vermerkt „landschaftlich“ – aber welche Landschaft?

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Walter Lachenmann
07.03.2001 22.53
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Vorschläge

Herrn Markners Vorschlag zu selbstständig, selbständig ist für mein Verständnis absolut in Ordnung. Ich weiß nicht mehr, wo der Vorschlag mit (+) und (-) herkam oder, für einen anderen Fall, der mit den farbigen Bögchen (Herr Fleischhauer oder Herr Peil?), das fand ich auch sehr einleuchtend.

Man könnte da vieles machen, ohne seine wissenschaftliche Reinheit zu opfern und sich insofern anfechtbar zu machen. Zumal wenn man das Produkt als ein »Volkswörterbuch« definiert, und es deutlich unterscheidet von dem wissenschaftlichen Inventarium und sonstigen wissenschaftlichen Darlegungen.

Ich meine das jetzt ohne jegliche Ironie: Die Idee, die hinter Herrn Icklers deskriptivem Ansatz und seinem Appell an Gestaltungswillen und Autonomie steht, gefällt mir außerordentlich gut. Aus purer Arroganz füge ich hinzu, daß ich mich allerdings weder der Duden- noch einer Ickler-Knute gerne unterwerfen möchte, in den Duden habe ich bisher viel seltener geschaut, als neuerdings in den Ickler, was mir bedenklich erscheint (übrigens habe ich heute zwei Käufer für den Ickler geworben, ich bitte um dankbares, meinetwegen kaum wahrnehmbares Kopfnicken des Autors).

Aber in der Wirklichkeit wollen die wenigsten Menschen, wenn sie schreiben, von einer solchen Idee etwas wissen, was noch lange nicht heißen muß, daß sie in irgendeiner Weise Sklaven von tyrannischen Dudenpotentaten sind. Das ganze Thema des Schreibens und Lesens ist ihnen schlichtweg wurscht, und da sie sich schon kaum ernsthaft für die ganz allgemeinen demokratischen und denkerischen Freiheiten begeistern können, die ihnen in unserer privilegierten Gesellschaft ja durchaus in einer Fülle geboten werden, von denen noch unsere Urgroßväter nicht zu träumen gewagt hätten (hätten sie überhaupt jemals das Bedürfnis nach Autonomie irgend einer Art verspürt), werden sie auch den freundlichen Absichten einer generösen, liberalen und ihren Gestaltungswillen und ihre Emanzipiertheit herausfordernden Rechtschreibethik wenig Reiz abgewinnen können.

Nachdem die große Zeit der Aufklärung über 200 Jahre hinter uns liegt, müßte es sich doch herumgesprochen haben, daß der Wunsch nach geistiger und existenzieller Denk- und Handlungsfreiheit, den die Kämpfer für Liberalität und Gestaltungs- und Gedankenfreiheit bei allen Menschen als gegeben vorausgesetzt hatten, in Wirklichkeit nur bei einer verschwindend kleinen Minderheit vorhanden ist, die allerdings das Salz in der Suppe und das wertvollste Ferment unserer Welt ist. Der überwiegende Rest der Menschheit liebt seine »selbstverschuldete Unmündigkeit« sehr und wehrt sich dagegen, wenn man ihr dieses komfortable Ruhekissen gewaltsam von freiheitlich gesonnenen Weltverbesserern zu entreißen versucht.

Dennoch ist die Idee von der Gestaltungsfreiheit beim Schreiben phantastisch, aber mit den kargen und wenig zu Gestaltungswillen und Schreibautonomie ermunternden Vorgaben à la Ickler wird sie kaum eine große Anhängerschaft finden.

Die Sekretärin will nur wissen, ob sie »selbstständig« oder »selbständig« schreiben soll, und sie will sich bei dieser Frage nicht lange aufhalten. Dann legt sie das Wörterbuch wieder für ein halbes Jahr ins Regal zurück, weil ihr ansonsten keinerlei Zweifel an ihrer Schreibweise kommen. Und dann soll sie das Wort Rhapsodie oder Spaghetti schreiben, oder paspellieren (oder paspelieren?) und schaut wieder nach, wie das im Wörterbuch steht – mehr erwartet sie von dem Wörterbuch nicht, ihre Lebensphilosophie, sofern sie eine hat, bezieht sie aus anderen Lebensbereichen, als ausgerechnet einem Rechtschreibnachschlagewerk, das sie seltener konsultiert als die Gebrauchsanleitung ihrer Mikrowelle.

Dieser Mitteilung liegen zahlreiche Feldversuche mit den reizendsten Sekretärinnen, die man sich nur vorstellen kann, zugrunde. Ich nenne gerne Rosso und Reiter.



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Walter Lachenmann

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Christian Dörner
07.03.2001 20.45
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Zur Trennung von ck

Den Ausführungen von Herrn Swaton kann ich leider nicht zustimmen. Die neue Nichttrennung von ck ist ebenso mißlungen wie die anderen Neuvorschläge zur Silbentrennung. Sie verändert in der Tat das Wortbild nicht, verursacht aber beim Lesen größere Probleme als bisher, da ein offener Vokal am Zeilenende einen langen Vokal anzeigt. Nur sind alle Vokale vor ck kurz, nicht lang. Im schlimmsten Fall muß man sogar das Wort noch mal neu lesen, wenn man am Beginn der nächsten Zeile ein ck vorfindet. Wer „Zu-" liest, erwartet „Zu-gang“, „Zu-kunft“, „Zu-schreibung“, muß aber dann plötzlich „Zu-cker“ lesen. Bei „Ha-" wird wohl eher „Ha-ken“ als „Ha-cke“ vermutet, und bei „spu-" ist es nicht anders. Hier erwartet man vielleicht „spu-ken“, muß aber dann „spu-cken“ lesen. Die bisherige Regelung war in jeden Fall die bessere. Es würde mich sehr enttäuschen, in einem Rechtschreibbuch, das die bewährte Orthographie darstellt, die neue Nichttrennung von ck vorzufinden. Liest man „Zuk-", „Hak-", „spuk-" o. ä. bereitet das Lesen des kurzen Vokals keinerlei Probleme.
Die Neuregelung hat nun den großen Fehler begangen, die typographische Variante von kk, nämlich ck, den Behelfsschreibungen ch und sch sowie den Konsonantenkombinationen der Fremdwörter th, ph, phth, chth usw. gleichzustellen. Dies ist objektiv falsch, da es sich bei ck nach wie vor um einen gewöhnlichen Doppelkonsonanten handelt, der nur typographisch etwas anders behandelt wird. Würde man die Logik der Reform zu Ende denken, müßte man auch „Ka-tze“, „he-tzen“ (tz steht für zz), „Stä-dte“ (dt steht für tt) und sogar „Wa-sser“, „ne-nnen“, „Be-tten“ usw. trennen.
Mit anderen Worten: Weg mit der Nichttrennung von ck! Sie hat im Rechtschreibwörterbuch auch in Zukunft nichts zu suchen.
__________________
Christian Dörner

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Thomas Paulwitz
07.03.2001 18.56
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"Ratgeber-Ickler"

Ein populistischer „Ratgeber-Ickler“, der Empfehlungen gibt, macht natürlich angreifbar, da sich über jede Wertung streiten läßt (vgl. „selbst(st)ändig“). Empfehlungen werden allzu oft als Vorschriften aufgefaßt. Solche möglichen Auseinandersetzungen erfordern viel Geduld und Zeit. Geschützter lebt es sich als Beschreiber und Beobachter. Geschützt kann man sich besser auf die eigentliche Arbeit konzentrieren. Es gibt Vor- und Nachteile.

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Henrik Swaton
07.03.2001 16.19
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Verehrter Herr Professor Ickler,
mich wundert ein wenig Ihr Engagement für das Wort „selbstständig“. Immerhin haben Sie es noch in Ihrem „Kritischen Kommentar“ als kakophonisch gebrandmarkt. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: In seinem Sammelband „Orthographie als Sprachkultur“ hat Prof. Munske seinen Reformvorschlag zur Trennung von ck am Zeilenende dargelegt, der letztendlich mit der Rechtschreibreform auch verwirklicht wurde. Nun schrieben Sie vor einiger Zeit, daß Prof. Munske von seiner damaligen Überzeugung abgerückt sei. Ist das von ihm auch veröffentlicht oder nur Ihnen gegenüber geäußert worden? Fakt ist aber nunmal, daß die reformierte ck-Trennung weitgehend eingeführt ist und dem Leser täglich begegnet. Ich halte diesen Reformpunkt für einen der wenigen überzeugenden und gelungenen, da das Wortbild bei einer Trennung nicht – wie bislang – verändert wird (ästhetisches Prinzip)! Daher bin ich der Meinung, daß genauso wie „selbstständig“ auch die reformierte ck-Trennung in einer Neuauflage mit berücksichtigt werden müsste.[Geändert durch Henrik Swaton am 08.03.2001, 23:24]

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Reinhard Markner
07.03.2001 16.07
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selbständig selten a. selbstständig

selbstständig meist selbständig

Hat jemand einen besseren Vorschlag ?

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Theodor Ickler
07.03.2001 14.22
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Wie soll das am Ende aussehen? Etwa so:

„selbstständig“ (vom Duden früher fälschlich für falsch, neuerdings fälschlich für allein richtig gehaltene Form); s. a. selbständig“

Ich habe, lieber Herr Lachenmann, den sprachlichen Befund und die historischen Hintergründe eines lexikographischen Gewaltstreiches (versuchter Meuchelmord an einer seit dreihundert Jahren, bei den besten Verfassern eingebürgerten Neubildung) dargestellt, kann aber nicht finden, daß meine Diskussionspartner sich hinreichend darauf einlassen. Mich ständig mit Räsonieren über den Stil unserer Diskussion zu befassen genügt mir nicht und kostet auch unnötig viel Zeit. Was ist zu den Sachfragen zu sagen? Wo bleibt ein Kommentar zum exemplarisch vorgeführten „gut tun“? Welche Art von Empfehlungen läßt sich aus dem Befund jeweils ableiten? Müssen Schreiner und Sekretärin nicht in vielen anderen Fällen ebenfalls zwischen unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten wählen?

Kurz und gut, ich bitte um einen Mustereintrag zu „selbständig“, nebst Begründung.

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