13. August 1961
An diesem Tag vor 60 Jahren befand ich mich mit meiner Freundin und späteren ersten Frau auf einer mehrwöchigen Radtour durch Dänemark – irgendwo zwischen Nordjütland und Seeland. Was die Zeitungen in großer Aufmachung berichten wollten verstanden wir nicht. Erst in der nächsten größeren Stadt gab es deutsche Zeitungen. Aber auch den Sinn der ganzen Aktion, mitten durch Berlin eine Mauer zu bauen, konnten wir nicht einsehen. Ich hielt es schlicht für Wahnsinn.
Schon nach 1945 hatte ich von skurrilen Repressionen der Kommunisten gehört. Die Mutter eines Freundes aus Oppeln hatte mehrmals versucht, von Wernigerode aus in den Westen zu gelangen und war jedesmal eingefangen und zurückgeschickt worden. Ab 1950 besuchte uns regelmäßig mein Großonkel aus Westberlin und berichtete von der kommunistischen Herrschaft im Osten. Ein Bekannter sei von einer Behörde vorgeladen worden. Er habe sich, da nur wenige Häuser entfernt, auf Pantoffeln dort hinbegeben und sei nie mehr zurückgekehrt.
1957 erlebte ich die Zonengrenze beim Aufenthalt in unserem Schullandheim in Hohegeiß im Harz, wo man noch einzelne Worte mit den DDR Grenzpolizisten wechseln konnte. In den Sechzigern hatte ich in Berlin musikalisch zu tun und besuchte dabei meinen Großonkel. Sein Schwiegersohn fuhr mich dann etliche Kilometer an der Mauer entlang, so daß ich das häßlichste Bauwerk der Welt nun selbst in Augenschein nehmen konnte.
Erst in den Achtzigern hörte man gerüchteweise, daß ein Austausch von Musikgruppen möglich werden sollte. Beim Grenzübertritt wurde man aber immer noch übel schikaniert. Als mein Reisepaß ein paar Tage abgelaufen war, hielt mir der DDR-Grenzer eine zehnminütige Freisler-ähnliche Strafpredigt, bevor er mir zu verstehen gab, daß ich für 10 DM ein Ersatzpapier bekommen könne. Meine Mutter fuhr mit einem Bekannten nach Weimar, und als er auf der Rückreise noch einmal die Kontrollbaracke betreten mußte, hörte sie von außen nur ein entsetzliches Gebrülle: „Sie sind Ausländer! Sie sind Ausländer!“ und er wurde quasi mit einem Fußtritt nach draußen befördert.
Man hat sich damals nicht vorstellen können, daß dieses Staatsgebilde kurze Zeit später fast über Nacht in sich zusammensacken könnte. Noch weniger hat man sich vorstellen können, daß 15 Jahre später eine FDJ-Sekretärin die Macht in ganz (Rest-)Deutschland übernehmen würde und weitere 15 Jahre später den frischgewählten FDP-Ministerpräsidenten eines Bundeslandes zugunsten eines von der umbenannten SED gestellten Politikers absägen könnte. Aber man lernt eben nie aus.
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Sigmar Salzburg
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