Varianten im Rechtschreibwörterbuch
Da nun erneut über die vielbeklagte Fülle an Schreibvarianten im Rechtschreibwörterbuch diskutiert wird, möchte ich doch noch ein paar Anmerkungen hinzufügen.
Vor der Reform gab es zwar einen Duden, der die deutsche Rechtschreibung mit sehr wenigen Freiheiten regelte, den aber kaum jemand beachtete. Man hatte zwar ein Wörterbuch, in dem man im Zweifelsfall nachschlagen konnte, das einem aber nur seine eigenen teils haarspalterischen Festlegungen präsentierte. Selbstverständlich konnte man sich daran halten. Warum auch nicht? Aber der Duden bot nur eine Auswahl der Schreibvarianten, die in der Bevölkerung seit langem existierten. Ich möchte ein Beispiel nennen, das in die Richtung dessen geht, was Herr Peil genannt hat. Die Substantivierungen mit Beste/beste waren wohl der klassische Fall derjenigen Festlegungen des Duden, die man sich nie merken konnte und welche immer wieder neuen Nachschlagebedarf verursachten. So legte der Duden beispielsweise fest: »Es wäre das beste, wenn Du gleich kämst.« Aber man mußte schreiben: »Es wäre das Beste von allem, wenn Du gleich kämst.« In beiden Fällen läßt sich das beste durch am besten ersetzen. Trotzdem ist die Kleinschreibung nur für den ersten Fall vorgesehen, da es laut Duden nur an dieser Stelle wirklich die Bedeutung von am besten hat. Nun war diese Festlegung nicht ganz unbegründet. So schrieb man z. B. auch: »Er war der intelligenteste meiner Schüler.« Aber trotzdem: »Er war der Intelligenteste von allen.«
Tatsache ist aber, daß derartige Festlegungen nicht unbedingt zu einer wesentlichen Verbesserung des kommunikativen Potentials der Schrift beitragen, zumal sich die meisten diese Dinge nie merken konnten, so daß sie auch als Leser keinen Nutzen aus diesen Differenzierungen ziehen konnten. Dies darf man nicht außer acht lassen.
Leider und ich muß zugeben, daß ich mich da nicht völlig ausnehmen kann krallen sich nun viele Reformkritiker, die früher die Rechtschreibung viel liberaler sahen, an den Festlegungen des Duden von 1991 fest, obwohl es keinen Grund gibt, die Rechtschreibung nun restriktiver als vor der Reform zu sehen.
Selbstverständlich ist klar, daß jeder mit sich selbst ausmachen muß, wie er denn zu schreiben pflegt. Als 1996 der erste Reformduden auf den Markt kam, mußte ich mich auch entscheiden, wie ich denn in Zukunft schreiben möchte. Dabei hat man grundsätzlich drei Möglichkeiten: a) die Reform übernehmen, b) sich ab sofort strikt an den Duden von 1991 halten, c) weiterschreiben wie bisher. Ich habe mich nach kurzer Bedenkzeit für Variante c) entschieden, und nach wie vor erscheint sie mir am sinvollsten. Die Reformkritiker, und da muß ich mich einschließen, müssen aufpassen, daß sie nicht Gefahr laufen, die Rechtschreibung überzubewerten, und daß sie nicht jede Einzelfestlegung des Duden von 1991 verteidigen, die der Duden, wenn die Reform nicht gekommen wäre, früher oder später hätte fallenlassen müssen. Dazu gehören z. B. ernstnehmen oder wohlfühlen. Diese Wörter existierten bereits vor der Reform, man muß sich hier nicht unbedingt schützend vor die Getrenntschreibung stellen.
Zu den Hybridschreibungen kann jeder stehen, wie er will. Bei den ph/f-Varianten sehe ich persönlich kein Problem, seitdem mir 1989 am Gymnasium also lange vor der Reform Grammofon als Fehler angestrichen wurde. Seit diesem Zeitpunkt ziehe ich einfach die ph-Schreibungen bei allen Wörtern konsequent durch. Im übrigen sehe ich, aber das muß jeder für sich selbst entscheiden, keinen Grund, in Mikrophon und Telephon den griechischen Stamm phon anders als in Grammophon zu schreiben. Somit schreibe ich auch weiterhin nur Telephon und Photo und sehe keinen Grund, das zu ändern. Übrigens waren diese beiden ph-Schreibungen in den letzten Jahren vor der Reform plötzlich wieder häufiger anzutreffen ebenso wie bei Friseur, bei dem die nichtintegrierte Schreibweise ständig Boden gutmachte , während sie in den achtziger Jahren beinahe ausgestorben waren. Daß die Reform hier nur noch die f-Schreibungen zulassen möchte, erscheint hier angesichts der Tatsache, daß bereits die Grundschüler Englisch lernen und daß diese Wörter dort eben mit ph geschrieben werden, besonders schülerfeindlich. Was durch die Tilgung dieser Schreibvarianten einfacher werden soll, ist völlig unerfindlich. Ich sehe durch die Existenz von Schreibvarianten, die sich über die Jahrhunderte von alleine herausgebildet haben (die Schreibvarianten der Reform sind häufig erfundene, keine natürlichen), keinerlei Gefahr für die Kommunikation, zumal sie vor der Reform allgegenwärtig waren und sich nie irgend jemand darüber mokiert hat. Insofern hat der deskriptive Ansatz des Rechtschreibwörterbuchs von Herrn Prof. Ickler, der längst Realität war, bestens funktioniert, ohne daß man es überhaupt bemerkt hat.
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Christian Dörner
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