Orthopietismus
Was Herr Prof. D. lic. theol. Theodor Ickler österlich über Orthotheographie schreibt ist an Inspiriertheit kaum zu übertreffen. Als demutsvoller Schwabe möchte ich aber doch noch den Gedanken des Orthographiepietismus daran anschließen, dem man ja in Journalistenkreisen in einem Ausmaße begegnet, daß die letzten übriggebliebenen Schäflein unserer schwäbischen Brüdergemeinen vor Neid ersterben müßten, wäre Neid nicht etwas, was sie in ihrer Frömmigkeit gar nicht kennen können. Wie die Pietisten das Evangelium im Übereifer der Gottesnähe in einer buchstabengetreuen, übertriebenen und teilweise ziemlich törichten Weise auslegen und darnach zu leben sich bemühen, so bemühen sich ja auch unsere vorzüglichsten Journalisten um eine Verwirklichung der orthographischen Ratschlüsse unserer Reformapostel oft in einer Weise, die zu deren Verdruß immer wieder zu nicht zu übersehenden Albernheiten führen.
So wieder heute in meiner lieben SZ: »Für die 540 Millionen Mark Verluste der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) müssen nicht nur Bayerns Steuerzahler gerade stehen.« Herr Jansen, auch wenn Sie gerade sitzen oder sich geradesetzen: Sie müssen aufstehen, und zwar ordentlich aufrecht, denn auch Sie als Nordlicht werden zur Kasse gebeten! Oder Sie müssen sich nur schön gerade hinstellen und müssen dann gar nichts bezahlen, wer weiß?
Und Herr Jansen ist tatsächlich ein Beispiel, das es bei den Theologen oft gibt Leute, ohne die diese schöne »Wissenschaft« vielleicht ein Niveau hätte, daß man sie tatsächlich als die höchste aller Wissenschaften bezeichnen könnte: Eigentlich recht verständige, kluge und gebildete Menschen stellen sich und ihre denkerischen Fähigkeiten vermeintlich in den »Dienst der Sache«, so wie es eine Obrigkeit ihnen aufträgt. Sie verstehen ihre intellektuelle Verantwortung so, daß sie ihre Denk- und Sprachfähigkeiten dazu einsetzen sollen, über die offen zutageliegenden Widersprüche und Unsinnigkeiten geradezu »auf Teufel komm raus« hinwegzuargumentieren und die vermeintlich aufgetragene Botschaft, diese vermeintliche »Wahrheit«, zu verkünden. Daß diese Botschaft Wort für Wort von Menschen geschrieben wurde, mit den unterschiedlichsten Beweggründen, und an Widersprüchlichkeiten kaum zu überbieten ist, stört sie seltsamerweise nicht (»da muß der Glaube drüber weghelfen«, wurden wir in der evangelischen Jugend belehrt). Dabei versündigen sich diese Gelehrten gegen ihre eigene Intelligenz, und insofern auch gegen ihren Schöpfer, der ihnen die Intelligenz zum intelligenten Denken anvertraut hat, und leisten »der Sache« damit den denkbar schlechtesten Dienst. Mit solchen oftmals sehr klugen und liebenswerten Menschen konfrontiert zu werden, ist immer ein bißchen traurig. Ein richtiger intellektueller Gegner, der eine andere Überzeugung mit gescheiten Argumenten vertritt, dessen Argumente mir in sich sinnvoll erscheinen, auch wenn ich sie nicht teile, ist mir eigentlich lieber. Was hier auf diesen Seiten mit Reformbefürwortern wie Herrn Jansen oder andern passiert, erscheint mir immer irgendwie als Leichenfledderei, Fledderei an intellektuellen Leichen, das hat etwas klägliches an sich. Man fragt sich, weshalb sie mitdiskutieren sind es Masochisten? Sind es Beauftragte? An solchen Zauber wiederum mag ich nicht glauben, es bleibt also unverständlich.
D. theo. Walter Lachenmann
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