Lieber Herr Lachenmann,
ich habe nicht behauptet, daß Sie Professor Ickler (sein Wörterbuch, das deskriptive Prinzip) lächerlich machen wollten, sondern ich habe gesagt, daß Sie die Neuregelung lächerlich machen wollten, daß Ihr Spott sich aber im Effekt nur auf Professor Icklers Wörterbuch und letztlich auf den deskriptiven Ansatz bezieht (wobei Sie das eben nicht wollten). Ist doch klar; wieso drehen Sie mir das im Mund herum? Und woher wollen Sie denn wissen, wie die Getrenntschreibung von für etwas gerade stehen zustande kam? Das ist Spekulation dazu habe ich ebenfalls schon Stellung bezogen , denn es könnte doch sehr gut sein, daß der Redakteur einfach nach seinem Gefühl geschrieben hat, daß er nicht versucht hat, nach der präskriptiven Norm zu schreiben. Wenn es das nicht gäbe, würde Professor Ickler bei seiner Auswertung der SZ und der FAZ nur die (vielleicht nicht ganz perfekte) Anwendung des Duden finden! Statt dessen findet er teilweise mit über zehnfacher Häufigkeit Schreibweisen, die der angeblich befolgten Norm widersprechen!
Wenn Sie sich jedenfalls über eine Schreibweise lustig machen oder sie einfach kritisieren, die Professor Ickler empirisch als vorkommend registriert und daher in sein Wörterbuch aufnimmt wozu soll denn das gut sein? Sie sagen ja nicht einmal, was er konkret ändern soll. Soll er anmerken: Die Zusammenschreibung wird von einigen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft als häßlich empfunden? Sie sparen doch nicht mit Verachtung für die sprachliche Degeneration der Journalisten! Also wenn das Ihr Anliegen ist, muß man doch wieder fragen: Was hat eine solches Bedürfnis mit Professor Icklers Wörterbuch zu tun? Was soll Ihre zwar nicht hier, aber doch an anderen Stellen ausführlichst vorgebrachte Kritik dieser Art an dem Wörterbuch eigentlich bewirken? Professor Ickler hat doch oft genug gesagt, daß er ein deskriptives Wörterbuch machen will, sogar ein rein deskriptives was hat also der Geschmack einiger sehr, sehr sensibler Schreiber da zu suchen? Er hat doch geschrieben, daß solche Fragen in eine Lehre zur Stilistik hineingehören und nicht in sein empirisches Wörterbuch.
Und belanglos ist die Frage keineswegs, ob man das Vorgehen des Duden schätzt oder nicht wegen der fundamentalen Unterschiede, die es in der Methode, in den Ergebnissen und in den damit verbundenen Konsequenzen (Vorteilen und Nachteilen) gibt. Wo steht im Duden ein Bogen oder etwas Vergleichbares? Sind nicht unzählige Beispiele, zuletzt auch wieder von mir, für die vielfältigen Probleme des alten Duden hier erörtert worden, die der Anlaß für die Neuregelung waren? Hat nicht Professor Ickler Herrn Riebe und Herrn Peil dafür gedankt, sich wenigstens konsequent für den Duden entschieden zu haben, anstatt immer wieder von ihm zu verlangen, daß er sich an Methode und Inhalt des Duden halten solle? Wenn Sie es als unverschämt empfinden, wie ich hier die Fronten zu klären versuche oder mit welchen Worten, so entgegne ich nochmals, daß ich es meinerseits für eine gewisse Unverschämtheit halte, zum x-ten Mal etwas von Professor Ickler zu erwarten, wozu er schon zum x-ten Mal erklärt hat, daß es nicht seine Sache und sein Anliegen ist. Oder etwas an seinen Ergebnissen zu kritisieren, was gar nicht anders aussehen kann, wenn man das deskriptive Programm als seine Methode zur Kenntnis nimmt.
Ich schreibe doch niemandem vor, ob er Dudenianer sein soll oder nicht, wie gut oder teilweise gut er den Duden findet wo soll ich denn das geäußert haben? Ich habe nur gesagt, dieses dauernde Kritisieren an zu beliebigen oder unschönen Ergebnissen der empirischen, deskriptiven Arbeit ist doch völlig sinnlos, wenn man nach zehn oder fünfzig oder hundert Klarstellungen vielleicht einmal erkannt hat, daß Professor Ickler nun eben grundsätzlich empirisch vorgeht! Ist es nicht irgendwo wirklich entweder dumm oder aber ziemlich unhöflich, wenn man einfach nicht anerkennt, was ein Wörterbuchmacher tun will, auch wenn man das mit kaum zu übertreffender Geduld immer wieder erläutert bekommen hat? Ich sage doch nur, es wäre besser, anstatt sinnlos zu kritisieren, daß man sich überlegen möge, ob man mit dem deskriptiven Ansatz, den Professor Ickler nun einmal gewählt hat und von dem er nicht abweichen wird, eigentlich einverstanden ist oder nicht. Wenn man damit einverstanden ist, so verstehe ich nicht, wie man für etwas gerade stehen als lächerliche Schreibweise einstufen kann bzw. was das Ernstnehmen dieser Kritik eigentlich bringen soll. Schließlich hüten Sie sich davor, dies auszuführen. Da hatte Herr Riebe mehr Mut bzw. Konsequenz als Sie. (Ich sage es noch einmal: Ich weiß, daß Sie die diskutierte Schreibweise aufs Korn genommen haben, ohne an unser Wörterbuch zu denken. Drum sagte ich ja: Erst denken, dann schreiben. War unhöflich, aber immerhin deutlich.) Vielleicht versteht wenigstens Herr Illauer meine Frage an ihn, was seine Liste wünschenswerter Schreibungen, die dem Duden entspricht, aber nicht dem Wörterbuch von Professor Ickler, eigentlich für seine Entscheidung zwischen Ickler und Duden bedeutet. Als salomonische Lösung schlage ich vor: Vielleicht würde Professor Ickler in einer Stilkunde teilweise zu ähnlichen Vorschlägen kommen. Sind Sie damit einverstanden?
Wolfgang Wrase München
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