Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Gästebuch
Willkommen und Rechtschreibforum
Suche in Gästebüchern
Das neue Gästebuch
Dieser Faden ist 199 Seiten lang:    1  2  3 · 10 · 20 · 30 · 40 · 50 · 60 · 70 · 80 · 90 · 100 · 110 · 120 · 126  127  128  129   130  131  132 · 140 · 150 · 160 · 170 · 180 · 190 · 196  197  198  199  antworten       Gasteintrag
Manfred Riebe
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Der Konflikt zwischen den liberalen amtlichen Regeln von 1901 und dem Ziel der Vereinheitlichung der

Reinhard Markner hat insofern recht, als man die Entwicklung genauer und kritischer darstellen sollte. Ich hatte nicht berücksichtigt, daß Wolfgang Ullrich Wurzels Duden-Biographie noch zu DDR-Zeiten entstand, daß die Autorität der Akademie der Wissenschaften in Berlin kritische Diskussionen abbremste und daß der Verlag des Büchleins der volkseigene Duden-Verlag VEB Bibliographisches Institut in Leipzig war. Es ist daher etwas mehr Kritik erforderlich, als damals unter diesen historischen Umständen möglich war.

Dagegen ist die bekannte Dissertation Wolfgang Kopkes ohne staatliche Einflußnahme entstanden: Wolfgang Kopke: Rechtschreibreform und Verfassungsrecht. Schulrechtliche, persönlichkeitsrechtliche und kulturverfassungsrechtliche Aspekte einer Reform der deutschen Orthographie. Tübingen 1995.
Kopke durchleuchtet die Duden-Praxis sehr viel kritischer und vor allen Dingen auch unter rechtlichen Aspekten. Kopke weist darauf hin, daß der Duden z.B. im Bereich der Fremdwörter die Freiräume der amtlichen Regeln von 1901 und 1944 ausgemerzt habe.

Ursache für die Schreibnormierung des Duden in Randbereichen – in Abweichung von den amtlichen Regeln – war schon 1911 das Ziel der Vereinheitlichung durch Abschaffung von Doppelformen bei Fremdwörtern. Im Buchdruckerduden wurden Doppelschreibungen weitgehend stillschweigend eliminiert oder in Fußnoten verbannt. Die 2. Auflage des Buchdruckerdudens wurde in die 9. Auflage des Duden von 1915 eingearbeitet. In der 14. Auflage von 1954 wurden sogar diese Fußnoten weggelassen, um die deutsche Einheitsschreibung zu fördern. Normierend wurde der Duden auch dadurch tätig, daß er 1915 erstmals Regeln für die Zeichensetzung einführte, die 1901 nicht amtlich geregelt worden waren (Kopke, S. 52 f.).

Der von Reinhard Markner erwähnte Beschluß der Kultusministerkonferenz von 1955 privilegierte den Duden. Er lautet:
„Die in der Rechtschreibreform von 1901 und den späteren Verfügungen festgelegten Schreibweisen und Regeln für die Rechtschreibung sind auch heute noch verbindlich für die deutsche Rechtschreibung. Bis zu einer etwaigen Neuregelung sind diese Regeln die Grundlage für den Unterricht in allen Schulen. In Zweifelsfällen sind die im ‚Duden‘ gebrauchten Schreibweisen und Regeln verbindlich.“ (Beschluß der Kultusministerkonferenz. In: Bundesanzeiger Nr. 242 vom 15. Dezember 1955, S. 4; vgl. Kopke, S. 46)

Die Kultusminister sicherten mit ihrem Beschluß von 1955 jeder Neuauflage des Duden den Absatz, da in Zweifelsfällen nun der Duden maßgeblich war (Kopke, S. 59). Seitdem fand in der westdeutschen Ausgabe des Duden aus wirtschaftlichen Interessen eine ständige Ausdifferenzierung bzw. Verfeinerung von Regeln und eine Vergrößerung des Wörterverzeichnisses statt, um möglichst viele neue Auflagen vermarkten zu können (Kopke, S. 56 f.). Das Kernproblem bestand darin, daß der Duden die amtlichen Regeln überspielen konnten, so daß eine Ausweitung der orthographischen Normierung ohne jede demokratische Kontrolle stattfand (S. 59). Kopke betont jedoch, daß die Diskrepanzen zwischen den Regeln von 1901, denen von 1944 und denen des Duden ziemlich gering sind, was die Schreibung der Wörter angeht (Kopke, S. 64).

Schlug aber wirklich jede aus der Beobachtung der Sprachentwicklung abgeleitete Entscheidung der Duden-Redaktion ins Normative um? Ich meine, nur in einigen Randbereichen, in denen der Duden von den amtlichen Regeln abwich und der Duden selber Normen setzte. Ob die Behauptung, der Duden habe eine „Klassifikation in Haupt- und Nebenvarianten“ eingeführt, stimmt, bezweifle ich angesichts der Eliminierung von Doppelschreibungen bis zur 20. Auflage von 1991.



Manfred Riebe

Mit Klick die Kennkarte von Manfred Riebe ansehen    An Manfred Riebe schreiben   Visit Manfred Riebe's homepage!   Suche weitere Einträge von Manfred Riebe        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Wolfgang Wrase
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Herr Markner hat recht

Lieber Herr Markner,

man muß natürlich die Verteilung von getrennt und zusammen bei der Bedeutung „aufrecht stehen“ prüfen. Das habe ich jetzt bei Google gemacht. Von den ersten 200 Ergebnissen zu „geradestehen“ hatte nur eines diese Bedeutung, und zwar den Gefangenen-Appell „Geradestehen!“. Das ist eine Spezialität, so ähnlich wie „Stillgestanden!“, und der Aspekt der näheren Bestimmbarkeit (mehr ode weniger gerade stehen) fällt weg. Dieses Geradestehen ist sozusagen ein eigener Begriff. Also ein Fall oder gar kein Fall pro 200, je nach Deutung. Von den ersten 100 Ergebnissen zu „gerade stehen“ hatten 20 die wörtliche Bedeutung – dann sparte ich mir den Rest (101 bis 200).

Verwenden wir das doch gleich für die Behauptung von Herrn Riebe, der Duden habe weitgehend deskriptiv gearbeitet, viel besser als Professor Ickler. Das ist totaler Unsinn, wie sich hier wieder zeigt: Duden verordnete obligatorisch Zusammenschreibung, dabei kommt, wie sie richtig vermuteten, praktisch ausschließlich Getrenntschreibung vor. Man kann davon ausgehen, daß das vor der Reform nicht wesentlich anders war, das müßte aber Professor Ickler oder jemand mit CDs von vor der Reform prüfen. (Mir fiel es bei der ersten Suche nicht gleich auf, weil mich die Verteilung für die Bedeutung „verantwortlich sein“ interessierte.) Ergebnis: Professor Ickler könnte für die wörtliche Bedeutung „meist zusammen“ notieren (oder sogar „fast immer“), für die übertragene Bedeutung „überwiegend zusammen“ (oder „meist“; aber das würde ich vielleicht eher für die krasseren Verteilungen reservieren, so ab 1:10, was hier nicht ganz erreicht wird, jedenfalls bei Google).

PS: Die Substantivierung „das Geradestehen“ kommt (allein für die wörtliche Bedeutung) immerhin 4 von 200 mal vor, gegenüber hochgerechnet 40mal Grundform. 1:10 – das ist ein normales Verhältnis von Verb und Substantivierung. Die Substantivierung kommt also in der freien Wildbahn schon vor.



Wolfgang Wrase
München

Mit Klick die Kennkarte von Wolfgang Wrase ansehen    An Wolfgang Wrase schreiben   Suche weitere Einträge von Wolfgang Wrase        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Gast
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Korrektur: meist getrennt

Ergebnis: Professor Ickler könnte für die wörtliche Bedeutung „meist getrennt“ notieren (oder sogar „fast immer“) ...




Mit Klick die Kennkarte von Gast ansehen    An Gast schreiben   Visit Gast's homepage!   Suche weitere Einträge von Gast        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
RenateMariaMenges
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Marktstrategie?

Ich sehe im Duden ( auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln) eine Marktstrategie, die auf der Hand liegt. Wer würde sich den Duden sonst kaufen? Wir hätten keine Veranlassung dazu. Das Geschäft ging sprunghaft in die Höhe, denn jeder musste sich mehr oder weniger informieren. Ich selbst erwarte mit Spannung Erneuerungen der amtlichen Regeln, falls es sie wirklich geben sollte. Natürlich wird dann aber wieder Duden den Absatz machen, also dient alles einer Marktstrategie. Duden verfährt damit auch mit jeder Neureglung wieder gut.      



RenateMariaMenges

Mit Klick die Kennkarte von RenateMariaMenges ansehen    An RenateMariaMenges schreiben   Visit RenateMariaMenges's homepage!   Suche weitere Einträge von RenateMariaMenges        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Reinhard Markner
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Sag ich ja

Lieber Herr Riebe, wenn die Duden-Redaktion(en), wie Sie sagen, grundsätzlich einen deskriptivistischen Ansatz verfolgt haben, »ausnahmsweise« aber nicht, so war dieser deskriptivistische Ansatz eben nicht »konsequent«. Insofern besteht kein Widerspruch zwischen unseren Aussagen.
Ich glaube aber nicht, daß man davon sprechen kann, es sei nur »ausnahmsweise« vom Pfad der linguistischen Tugend abgewichen worden. Solange der Duden-Beschluß der KMK Gültigkeit hatte, mußte im Grunde jede aus der Beobachtung der Sprachentwicklung abgeleitete Entscheidung der Duden-Redaktion ins Normative umschlagen.
Ferner hat die Mannheimer Duden-Redaktion mittels einer Klassifikation in Haupt- und Nebenvarianten versucht, einen lenkenden Einfluß auf die Sprachentwicklung zu nehmen. Das mochte durchaus angehen, aber »konsequent deskriptivistisch« war es nicht.



Reinhard Markner

Mit Klick die Kennkarte von Reinhard Markner ansehen    An Reinhard Markner schreiben   Visit Reinhard Markner's homepage!   Suche weitere Einträge von Reinhard Markner        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Manfred Riebe
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Duden-Deskription

Reinhard Markner schrieb am 16.04.2001: „Die Duden-Redaktion hat nie einen konsequent deskriptivistischen Ansatz verfolgt.“
Ich meine, grundsätzlich doch, nur ausnahmsweise nicht. Weil das so ist, vertraute auch Theodor Ickler grundsätzlich dem Duden und schrieb:

„Drei Grundsätze gelten: Erstens bleiben alle Schreibweisen, die im Wörterverzeichnis des Rechtschreibdudens bis zur zwanzigsten Auflage (1991) verbucht sind, richtig. Zweitens sind alle Schreibweisen richtig, die sich bei sinngemäßer Auslegung aus den Regeln des genannten Werkes ableiten lassen. Und drittens kann keine Schreibweise, die der deutschen Grammatik gerecht wird, orthographisch als falsch gelten. Aus diesen Grundsätzen folgt, daß niemand, der korrekt schreiben will, ein anderes Werk als die bis zum Sommer 1996 vorliegenden dudenkonformen Regelwerke, Wörterbücher und didaktischen Materialien heranzuziehen braucht. Niemand wäre also gezwungen, neue Bücher zu kaufen.“ (Ickler: Fetisch der Norm. In: FAZ 14.11.97, S. 41).

Ein Kenner der Materie, Professor Wolfgang Ullrich Wurzel, der im Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR in einer Orthographie-Arbeitsgruppe tätig war, bestätigt die Duden-Deskription:

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung sei der Duden bis zur 20. Auflage von 1991 grundsätzlich weder ein Sprach- noch ein Orthographienormer gewesen. Der Duden sei kein Sprachnormer, weil er nicht in die Sprachentwicklung eingriff, sondern nur die sich vollziehenden Sprachveränderungen registrierte, wenn sie sich durchgesetzt hatten. Auch die Regeln der Rechtschreibung wurden nicht vom Duden gemacht. Der Duden kommentierte lediglich die amtlich festgelegten Rechtschreibregeln (vgl. Wurzel, Wolfgang Ullrich: Konrad Duden, 2. Auflage, Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, 1985, S. 107 f.).

Schon 1880 habe sich Konrad Duden bei der orthographischen Bearbeitung der einzelnen Wörter nach den vorgegebenen Regeln gerichtet. Trotz der Regeln sei aber immer noch ein große Zahl von Zweifelsfällen geblieben, bei denen Duden über die Schreibung von Wörtern nach eigenem Ermessen entscheiden mußte (Wurzel: Konrad Duden, S. 69 ff.).



Manfred Riebe

Mit Klick die Kennkarte von Manfred Riebe ansehen    An Manfred Riebe schreiben   Visit Manfred Riebe's homepage!   Suche weitere Einträge von Manfred Riebe        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Manfred Riebe
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Der Konflikt zwischen den liberalen amtlichen Regeln von 1901 und dem Ziel der Vereinheitlichung der

Reinhard Markner hat insofern recht, als man die Entwicklung genauer und kritischer darstellen sollte. Ich hatte nicht berücksichtigt, daß Wolfgang Ullrich Wurzels Duden-Biographie noch zu DDR-Zeiten entstand, daß die Autorität der Akademie der Wissenschaften in Berlin kritische Diskussionen abbremste und daß der Verlag des Büchleins der volkseigene Duden-Verlag VEB Bibliographisches Institut in Leipzig war. Es ist daher etwas mehr Kritik erforderlich, als damals unter diesen historischen Umständen möglich war.

Dagegen ist die bekannte Dissertation Wolfgang Kopkes ohne staatliche Einflußnahme entstanden: Wolfgang Kopke: Rechtschreibreform und Verfassungsrecht. Schulrechtliche, persönlichkeitsrechtliche und kulturverfassungsrechtliche Aspekte einer Reform der deutschen Orthographie. Tübingen 1995.
Kopke durchleuchtet die Duden-Praxis sehr viel kritischer und vor allen Dingen auch unter rechtlichen Aspekten. Kopke weist darauf hin, daß der Duden z.B. im Bereich der Fremdwörter die Freiräume der amtlichen Regeln von 1901 und 1944 ausgemerzt habe.

Ursache für die Schreibnormierung des Duden in Randbereichen – in Abweichung von den amtlichen Regeln – war schon 1911 das Ziel der Vereinheitlichung durch Abschaffung von Doppelformen bei Fremdwörtern. Im Buchdruckerduden wurden Doppelschreibungen weitgehend stillschweigend eliminiert oder in Fußnoten verbannt. Die 2. Auflage des Buchdruckerdudens wurde in die 9. Auflage des Duden von 1915 eingearbeitet. In der 14. Auflage von 1954 wurden sogar diese Fußnoten weggelassen, um die deutsche Einheitsschreibung zu fördern. Normierend wurde der Duden auch dadurch tätig, daß er 1915 erstmals Regeln für die Zeichensetzung einführte, die 1901 nicht amtlich geregelt worden waren (Kopke, S. 52 f.).

Der von Reinhard Markner erwähnte Beschluß der Kultusministerkonferenz von 1955 privilegierte den Duden. Er lautet:
„Die in der Rechtschreibreform von 1901 und den späteren Verfügungen festgelegten Schreibweisen und Regeln für die Rechtschreibung sind auch heute noch verbindlich für die deutsche Rechtschreibung. Bis zu einer etwaigen Neuregelung sind diese Regeln die Grundlage für den Unterricht in allen Schulen. In Zweifelsfällen sind die im ‚Duden‘ gebrauchten Schreibweisen und Regeln verbindlich.“ (Beschluß der Kultusministerkonferenz. In: Bundesanzeiger Nr. 242 vom 15. Dezember 1955, S. 4; vgl. Kopke, S. 46)

Die Kultusminister sicherten mit ihrem Beschluß von 1955 jeder Neuauflage des Duden den Absatz, da in Zweifelsfällen nun der Duden maßgeblich war (Kopke, S. 59). Seitdem fand in der westdeutschen Ausgabe des Duden aus wirtschaftlichen Interessen eine ständige Ausdifferenzierung bzw. Verfeinerung von Regeln und eine Vergrößerung des Wörterverzeichnisses statt, um möglichst viele neue Auflagen vermarkten zu können (Kopke, S. 56 f.). Das Kernproblem bestand darin, daß der Duden die amtlichen Regeln überspielen konnten, so daß eine Ausweitung der orthographischen Normierung ohne jede demokratische Kontrolle stattfand (S. 59). Kopke betont jedoch, daß die Diskrepanzen zwischen den Regeln von 1901, denen von 1944 und denen des Duden ziemlich gering sind, was die Schreibung der Wörter angeht (Kopke, S. 64).

Schlug aber wirklich jede aus der Beobachtung der Sprachentwicklung abgeleitete Entscheidung der Duden-Redaktion ins Normative um? Ich meine, nur in einigen Randbereichen, in denen der Duden von den amtlichen Regeln abwich und der Duden selber Normen setzte. Ob die Behauptung, der Duden habe eine „Klassifikation in Haupt- und Nebenvarianten“ eingeführt, stimmt, bezweifle ich angesichts der Eliminierung von Doppelschreibungen bis zur 20. Auflage von 1991.



Manfred Riebe

Mit Klick die Kennkarte von Manfred Riebe ansehen    An Manfred Riebe schreiben   Visit Manfred Riebe's homepage!   Suche weitere Einträge von Manfred Riebe        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Reinhard Markner
15.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Vielen Dank

Lieber Herr Wrase, Ihre Ergebnisse zeigen wieder einmal, daß man vom Gefühl her ungefähr richtig liegen kann, aber eben nicht genau. Wir könnten uns aber wohl darauf einigen, daß das Substantiv „Geradestehen“ trotzdem nicht so bedeutend ist wie „Bekanntmachung“.
Mir fiel heute nacht noch ein, daß die Entscheidung der Duden-Redaktion vielleicht auf einer Analogisierung mit „strammstehen“ beruht haben könnte. Aber das ist natürlich nur Spekulation.



Reinhard Markner

Mit Klick die Kennkarte von Reinhard Markner ansehen    An Reinhard Markner schreiben   Visit Reinhard Markner's homepage!   Suche weitere Einträge von Reinhard Markner        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Gast
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
gerade stehen / geradestehen

Ich sah ihn dort zufällig gerade stehen.
Ich muß dafür geradestehen.
Er riet mir, die Frage ruhig zu stellen.
Es ist nötig, den Patienten ruhigzustellen.
Der alte Mann ist gestern wegen der Straßenglätte schwer gefallen.
Es ist mir schwergefallen, das zu glauben.
Und so weiter...!

Was ist das Gebot der Schreibfreundlichkeit, gleichzeitig das Gebot der Lesefreundlichkeit?



Wolfgang Illauer
Von-Richthofen-Straße 20, 86356 Neusäß

Mit Klick die Kennkarte von Gast ansehen    An Gast schreiben   Visit Gast's homepage!   Suche weitere Einträge von Gast        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
RenateMariaMenges
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Revoluzzer

Martin Luther war ein Revoluzzer, die Leute hatten auch Angst vor ihm- er schaute den Menschen nicht nur auf den Mund( z.B. als er 1518 aus Augsburg zurück kam, hatten Sie Angst vor ihm, weil man ja nicht wusste, was dieses Gespräch in Augsburg nach sich ziehen könnte). Er befestigte daraufhin seine Thesen an der Kirchentür.

Nach Peter Ustinov müsste Gott heute erst mal eine Kreditkarte haben, die ihm aber niemand geben würde, weil er kein geregeltes Einkommen hat (Hinweis auf die Arbeit und das Geldverdienen).

Langer Rede – kurzer Sinn: Was Illauer schreibt ist beim Lesen gleichwertig. Worin sollte man den Unterschied erkennen?
Herr Illauer, auch wenn ich mir wieder ihren gesamten Zorn zuziehen sollte, ich sehe es so und nicht anders.

Ickler und sein Wörterbuch ist o.k., weil es in sich stimmig ist, aber was hilft es mir, wenn man nach den amtlichen Regeln schreiben muss? Insgesamt sind mir persönlich in sich stimmige Urteile von Richtern, in sich stimmige Bücher etc. weitaus lieber, als alles andere.

Ich stehe weder so noch so als Zinnsoldat gerne gerade, wenn ich es anders erkannt habe. Aber der Erkennerblick scheint mir bei Illauers Definition noch etwas zu fehlen. Ich hoffe nur, dass es nicht nur Konservatismus ist, was ihn bewegt.   

Was werden wir ändern können? Wie stehen Sie zur Kleinschreibung?
Was wird sich automatisch verändern?    4 Jahre neue Rechtschreibung sind kein Pappenstil und es hat sich auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt.



RenateMariaMenges

Mit Klick die Kennkarte von RenateMariaMenges ansehen    An RenateMariaMenges schreiben   Visit RenateMariaMenges's homepage!   Suche weitere Einträge von RenateMariaMenges        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
RenateMariaMenges
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Bildhafte Sprache

Gerade habe ich noch die bildhafte Sprache in der Argumentation von Wrase gelesen. Das ist durchaus richtig, was Sie da schreiben. Die bildhafte Sprache entspricht unserer Zeit, ob zusammen- oder auseinandergeschrieben. Diese Nuancen werden irgendwann niemand mehr interessieren. Ehrlich- wir verstehen und lesen die Sprache halt mit dem Kopf der alten Rechtschreibung. Das ist wirklich so- wir können aus unserer Haltung nicht so einfach heraus, besonders wenn wir über mangelnde Auslandserfahrung verfügen. Dies steht sowohl für mich als auch für alle Diskutanten der rechtschreibreform.com. Leider, würde ich mal sagen! Einen schönen Feiertag wünscht



RenateMariaMenges

Mit Klick die Kennkarte von RenateMariaMenges ansehen    An RenateMariaMenges schreiben   Visit RenateMariaMenges's homepage!   Suche weitere Einträge von RenateMariaMenges        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Baldrian!

Mit Herrn Wrase weiterzudiskutieren sollte man vielleicht so lange zurückstellen, bis dieser die Laus auf seiner Leber erwischt und abgemurkst hat, das wird möglicherweise auch bewirken, daß er von seiner persönlichen Hatz auf seine Intimfeinde, zu denen Herr Riebe und Herr Jansen schon lange gehören und zu denen neuerdings offenbar auch ich mich zählen darf, abläßt.

Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein. Nur disqualifiziert man sich schon ganz gewaltig, wenn man die Vertreter einer Gegenmeinung schlichtweg als unbelehrbare Dummköpfe bezeichnet (gleichzeitig bei diesen aber Mäßigung in der Ausdrucksweise anmahnt!). Auch die wiederholte Aufforderung, man möge doch selber ein Wörterbuch machen, wenn einem das Icklersche nicht gefiele (was ja so überhaupt nicht geäußert wurde: wäre die grundsätzliche Zustimmung nicht da, würde man sich nicht die Mühe machen, darüber zu diskutieren), ist so intelligent, wie wenn mir meine Autofabrik sagt, ich solle mein Auto doch selber bauen, wenn mir gewisse Bedienungselemente nicht hundertprozentig gefallen.

Und daß man hier schon als Sonderling auffällt, wenn man »geradestehen« für »geradestehen« richtig oder besser findet und »gerade stehen« für »gerade stehen«, oder wenn die Beispiele Herrn Illauers als abwegig und nicht nachvollziehbar empfunden werden, bedeutet doch, daß der durch die Reform angerichtete Flurschaden so beträchtlich ist, daß er auch vermeintlich gesunden Boden schon infiziert hat.

Nein, Herr Wrase: Herr Riebe ist nun wahrhaftig kein Trottel, auch Herr Jansen nicht und auch ich bin keiner. So einfach ist das nicht. Es gibt bei dem deskriptiven Ansatz, der – jedenfalls von mir – keineswegs abgelehnt wird, Probleme, über die man unter gebildeten Leuten vernünftig diskutieren können sollte, erst recht auf einer Diskussionsseite mit dem Thema Rechtschreibung. Und wer die hier mit Interesse und Wohlwollen vorgetragenen Bedenken einfach nicht ernstnimmt und als inkompetentes Dilettantengeschwätz abtun will, tut seiner Sache fürwahr einen schlechten Dienst, denn er wird dann seinerseits von Leuten, denen es mit der Sache ernst ist, auch nicht mehr für voll genommen. »So ist das nun einmal«, würde unser Herr Ickler da sagen.

Übrigens: Baldrian soll beruhigend wirken, versuchen Sie es doch mal damit. Meinetwegen brauchen Sie sich auch nicht für Ihr ungeschicktes Benehmen zu entschuldigen, jeder hat mal schlechte Laune, das versteht man ja. Aber nun reicht es auch.



Walter Lachenmann

Mit Klick die Kennkarte von Walter Lachenmann ansehen    An Walter Lachenmann schreiben   Visit Walter Lachenmann's homepage!   Suche weitere Einträge von Walter Lachenmann        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Henning Upmeyer
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Des Pudels Kern

Endlich ist die Diskussion zum Kern der Sache vorgedrungen, den ich seit über einem Jahr mehrfach Herrn Prof. Ickler vorgetragen habe, nämlich ob in Zweifelsfällen die Logik eingeschaltet und nach vergleichbaren bekannten Fällen entschieden oder ob in jedem Einzelfall im Wörterbuch die Meinung der Mehrheit nachgeschlagen werden soll. Eigentlich ist die Sprachentwicklung ein zutiefst demokratischer Vorgang, aber Mehrheitsentscheidungen können bekanntlich nur dann als Maßstab gelten, wenn die Schreiber in ihrer Schreibweise völlig frei und unabhängig sind, was später oft nicht nachweisbar ist. Für mich als Ingenieur bedeutet Deskription Beobachten der Erscheinungen, Suchen nach den dahinterliegenden Gesetzmäßigkeiten und Finden der Berechnungsformeln durch Vergleich mit vergleichbarem Bekannten. Auch das berühmte Sprachgefühl entwickelt sich unbewußt durch Logik und Vergleich mit Bekanntem. Unlogik ist das größte Hindernis beim Erlernen einer Sprache, auch der eigenen. Die Rechtschreibreform hat sich selbst disqualifiziert, nicht weil sie Regeln aufgestellt hat, sondern weil die Regeln willkürlich und frei erfunden sind und der Logik widersprechen und die dem entgegenstehende Wirklichkeit einfach als falsch bezeichnen. Wenn Ingenieure so handeln würden, würden ihre Maschinen nicht funktionieren und ihre Bauten einstürzen.



Henning Upmeyer
Roseggerweg 10, 82140 Olching

Mit Klick die Kennkarte von Henning Upmeyer ansehen    Suche weitere Einträge von Henning Upmeyer        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
Deskriptives Wörterbuch

Falls es einigen Leuten noch nicht aufgefallen sein sollte, obwohl weit über hundertmal gesagt und erklärt und erläutert: Professor Ickler will ein deskriptives Wörterbuch machen, er hat es getan, und er arbeitet weiter daran. Wer das noch nicht begriffen hat, obwohl er hier schon seit Jahr und Tag dabei ist, ist schlicht ein Trottel. Finde ich jedenfalls. Und wenn man ein deskriptives Wörterbuch macht, dann wird man zu dem Bogen-Ergebnis bei „gerade_stehen“ kommen, und zwar auch für die Bedeutung „verantwortlich sein“. Genau so steht es im Wörterbuch. Getrennt- und Zusammenschreibung sind beide vorhanden, sind beide möglich (sonst würden sie nicht beide nennenswert vorkommen), ganz wie bei verwandten Verbzusatzkonstruktionen; und zwar ist Zusammenschreibung „oft besser“. Was sollte daran nicht in Ordnung sein? Genau so verhält es sich.

Zur Erinnerung: Ich hatte kritisiert, daß Herrn Lachenmanns Spott über die Getrenntschreibung in der Süddeutschen Zeitung sind nicht gegen die Neuregelung richten kann, wie er vermeinte, weil diese an der Zusammenschreibung von „geradestehen = verantwortlich sein“ nichts geändert hat. Höchstens sehr indirekt, indem man vermuten könnte, daß die Redakteure etwas häufiger als früher getrennt schreiben, weil sie, angeregt durch die vielen krassen Getrenntschreibungen, auch bei „gerade_stehen“ häufiger die Getrenntschreibung wählen. Vielmehr richtet sich eine solches Aufspießen von vermeintlich „unmöglichen“, lächerlichen, leser- oder schreiberfeindlichen Schreibungen natürlich gegen den deskriptiven Ansatz von Professor Ickler, weil dieser sie definitionsgemäß mitverzeichnet hat und „gelten läßt“.

Zu Herrn Lachenmann: Ich habe Sie keineswegs dazu aufgefordert, daß Sie ein ganzes Lexikon nach Ihren Vorstellungen machen sollen, sondern, deutlich genug, nur dazu, den fraglichen Eintrag im Icklerschen Wörterbuch nach Ihren Vorstellungen zu ändern. Dann kann man weitersehen. Es bringt einfach nichts, hartnäckig pauschale Kritik zu äußern, aber vor jeder einzelnen konkreten Entscheidung zurückzuschrecken. Wenn das Deskriptive so fürchterlich nachteilig sein soll – bitte sehr, dann führen Sie uns doch einmal vor, wie Sie „gerade_stehen“ in einem guten Lexikon sehen wollen. Bedenken Sie aber, daß Professor Ickler seine Entscheidung im Prinzip getroffen hat: deskriptiv; und ich finde es auf Dauer ein bißchen vertrottelt bis unverschämt, wenn man jetzt immer noch versucht, ihn davon abzubringen, nachdem er sich zum wer-weiß-wievielten Male ausführlichst dazu erklärt hat.

Auf den ersten Blick sind die Beispiele von Herrn Illauer natürlich einleuchtend:
Ich sah ihn dort zufällig gerade stehen.
Ich muß dafür geradestehen.
Er riet mir, die Frage ruhig zu stellen.
Es ist nötig, den Patienten ruhigzustellen.
Der alte Mann ist gestern wegen der Straßenglätte schwer gefallen.
Es ist mir schwergefallen, das zu glauben.
Und so weiter...!

Was geschieht hier? Genau wie in der Peilschen Liste (und weitgehend im Duden) werden hier Fälle für die Unterscheidungsschreibung direkt nebeneinandergestellt. Und damit wird suggeriert: Das kann doch unmöglich gleich geschrieben werden! (Nach dieser Logik hätte ich schreiben müssen: „gleichgeschrieben“, denn sonst droht ja laut Illauer das Mißverständnis bzw. die Leser-Falle „unverzüglich geschrieben werden“.) Wie das gerade genannte (hoffentlich versteht hier keiner „unverkrümmt genannte“ ...) und das gleich angefügte (hoffentlich versteht hier keiner („identisch angefügte“ ...) Beispiel zeigen, ist dieses Herholen von theoretisch denkbaren Verwechslungsmöglichkeiten oft eine künstliche Operation, die mit der Schreibwirklichkeit wenig zu tun hat. Eine Unsitte, daß auf der Ebene des Wörterverzeichnisses irgendein willkürlich herausgegriffenes Kriterium – bei Herrn Illauer nach dem Muster der Unterscheidungsschreibungen, teils semantisch, teils von der Betonung hergeleitet – bemüht wird, um eine schön anzusehende Ordnung in die als ärgerlich empfundene „Beliebigkeitsschreibung“ zu bringen.

Wir könnten doch auch mit Herrn Upmeyer einmal die „Logik“ der Illauerschen bzw. Duden-Zusammenschreibungen prüfen, zum Beispiel anhand folgender Gegenüberstellungen:   
Weil es mir schwerfiel.
Weil es mir sehr schwer fiel.
Er hat den Stab wieder gerade gebogen.
Er hat den Stabe wieder ganz gerade gebogen.
Ruhigstellen muß man mich mit Baldrian.
Ruhig stellt man Lektoren am besten mit Baldrian.
Ich will heute radfahren.
Ich will heute Fahrrad fahren.
Und so weiter!
Also, wo ist jetzt da die Logik, Herr Illauer??

Das geht so nicht, daß man sein Lieblingskriterium heraussucht und dann sagt: So ist es ideal, das muß man verallgemeinern und allen vorschreiben. Beziehungsweise können Sie das natürlich tun, aber das ist nun einmal nicht das, was Professor Ickler machen will und macht. Man muß Sie daher fragen: Sind Sie für den Duden von 1991, ist das für Sie Rechtschreibung (dann unterstützen Sie am besten konsequenterweise Herrn Jansen, der unter „Rechtschreibung vor der Reform“ den Duden von 1991 versteht und nicht die vor der Reform allgemein üblichen Schreibungen wie Professor Ickler) – und/oder was bedeutet denn nun Ihre Liste für Ihr Verhältnis zum Icklerschen Wörterbuch? Was bedeutet für Sie meine Argumentation?

Herrn Lachenmann möchte ich noch folgenden Eindruck mitteilen: Nicht die Nachteile des deskriptiven Ansatzes sind, wie Sie und Herr Riebe behaupten, noch gar nicht erkannt – vielmehr geht nicht nur Herr Riebe wie auf Knopfdruck auf jeden Bogen im Rechtschreibwörterbuch los, auch Sie und Herr Illauer plädieren ja anhand Ihrer Beispiele im Prinzip für eine Lösung nach Duden-Muster. Es ist umgekehrt: Obwohl wir das hier schon oft besprochen haben, sind die gewaltigen Vorteile des deskriptiven Ansatzes noch kaum erkannt: sehr viel einfacher, sehr viel weniger Lernaufwand, realistisches Verhältnis von Regeln zur Schreibwirklichkeit und deshalb weniger Fehler, viel übersichtlicheres Wörterverzeichnis. Und spiegelbildlich sind die Nachteile der Einzelfallfestlegung noch kaum erkannt worden, nicht einmal in den eigenen Reihen. Und deshalb wurde ich auch sauer auf Sie, Herr Lachenmann (genau derselbe Fall wie zuletzt bei Lars Kerner): Während Sie mit geistreichen Formulierungen und vermeintlich scharfer Beobachtung die Neuregelung lächerlich zu machen glaubten, machten Sie in Wirklichkeit Professor Icklers Wörterverzeichnis und letztlich seinen deskriptiven Ansatz lächerlich, so wie jetzt wieder Herr Illauer („Enthält lese- und schreibfeindliche Einträge!“). Logischer wäre es da, Sie verbündeten sich mit Herrn Jansen.

Zu gerade_stehen noch zwei Hinweise. Ist es nicht interessant, daß Herr Markner sich die Zusammenschreibung für die Bedeutung „aufrecht stehen“ kaum vorstellen kann und daß ebendiese Zusammenschreibung vom Duden 1991 vorgeschrieben war? Nicht ohne Grund, diese Entscheidung des Duden: Es kann bei bestimmten Fällen (wie hier wieder von Herrn Illauer konstruiert) die Verwechslung mit „momentan stehen“ drohen, also muß es die Zusammenschreibung für „aufrecht stehen“ zumindest geben. Und weil der Duden nun mal möglichst alles vereinheitlicht, den Riebes zuliebe, muß er also für „aufrecht stehen“ die Zusammenschreibung vorschreiben. So einfach ist das. Nur leider hat das nichts mit der Schreibwirklichkeit zu tun, und auch nicht mit Logik:
aufrecht = gerade (bei „stehen“) -> ergo:
aufrecht stehen = geradestehen -> prima!

Und wenn man erst einmal den Wortschatz nach solchen Prinzipien festgelegt hat und dann querbeet vergleicht, bekommt man den reinsten Ameisenhaufen an Widersprüchen. Viel besser als der Duden kann man nämlich keine Einzelwortfestlegungen treffen; sie sind ja alle im Sinne von Herrn Illauer und Stephanus Peil plausibel, wenn man die Entscheidung mit einer solchen direkten Nebeneinanderstellung erläutert.

Der zweite Hinweis bezieht sich noch einmal auf die Gleichung „aufrecht (stehen) = gerade (stehen)“. Wenn man diese beiden nebeneinanderstellt, kann man sich, wie Herr Markner spontan, die Zusammenschreibung kaum vorstellen. Das liegt daran, daß in dieser Kombination „gerade“ eigentlich ein ganz normales Adverb ist, so wie „aufrecht“ (Frage: auf welche Weise stehen?). Daher käme hier die Zusammenschreibung nach dem Muster der Verbzusätze eigentlich gar nicht in Frage; wir schreiben ja auch nicht zusammen: geradeverlaufen, sich aufrechtbewegen, schnellgehen, leisesprechen usw. Nur durch die zufällige Konkurrenz von „gerade = soeben“, „gerade dies = ebendies“, „nicht gerade = wohl kaum“ entsteht oft – aber nicht immer!! – ein starkes Motiv – für sensible, gewissenhafte Schreiber wohl ein Zwang – zur Zusammenschreibung. Anders liegt der Fall etwa bei Ihrem ursprünglichen Beispiel „sich gerade_setzen“, wo das „gerade“ (eher oder zumindest auch) ein Ergebniszusatz ist, der als solcher für fakultative Zusammenschreibung taugt.

So, und nun bringen Sie mal bitte schön die Gruppe „gerade + Verb“ auf einen deskriptiven Eintrag im Wörterbuch, aber natürlich besser als Professor Ickler, denn sonst muß man Sie schon fragen: Was soll dieses ständige Kritisieren, wenn Sie es nicht besser können? Vielleicht führt die Übung ja auch zu einem Einsehen, das die Beschwerde darüber erübrigt, daß ich Ihnen das Kritisieren verbieten wolle.

Mir geht es eher um folgendes: Stephanus Peil hat nach langer Zeit entdeckt, daß ihm der Mangel an Festlegung im Icklerschen Wörterbuch doch nicht zusagt, und hat sich dafür entschieden, persönlich den Duden von 1991 vorzuziehen. Das war zwar ein bißchen spät, aber es hat mir imponiert, um so mehr im Vergleich zu dieser Pseudo-Unterstützung, die Professor Ickler hier bekommt. Es sollten sich die Diskutanten überlegen, ob sie sich nicht genauso entscheiden wollen, wenn sie es partout nicht wahrhaben oder als Norm (als das Übliche, als Wirklichkeit) verstehen wollen, daß man zum Beispiel (mit gutem Grund, wenn auch oft nicht ideal) „gerade biegen“ oder „für etwas gerade stehen“ schreiben kann, ohne daß das als Fehler oder miserable Schreibweise behandelt wird. Das Verhältnis zum deskriptiven Prinzip samt dessen zwangsläufiger Folge von sehr vielen „ungeklärten“ doppelten Möglichkeiten (entsprechend den breiten Übergangsbereichen in der Sprache selbst) ist für mich die Kernfrage, des Pudels Kern unserer Diskussion.



Wolfgang Wrase
München

Mit Klick die Kennkarte von Wolfgang Wrase ansehen    An Wolfgang Wrase schreiben   Suche weitere Einträge von Wolfgang Wrase        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
Diesen Beitrag ansteuern
dahin gehend?

Zunächst eine Korrektur. In meiner Gegenüberstellung hätte es statt
-> Er hat den Stab wieder gerade gebogen.
-> Er hat den Stabe wieder ganz gerade gebogen.
natürlich heißen müssen:
-> Er hat den Stab wieder geradegebogen.
-> Er hat den Stab wieder ganz gerade gebogen.

Damit sich der Beitrag lohnt, noch ein warnendes Exempel für das Prinzip Illauer/Duden. Wenn man sich die Duden-Einträge (1991) für die Verbzusatzkonstruktionen mit „dahin...“ ansieht – nämlich:

dahindämmern, dahineilen, dahinfahren, dahinfallen (schweiz.), dahinfliegen, dahingehen, dahingestellt, dahinleben, dahinplätschern, dahinraffen, dahinschleppen, dahinschwinden, dahinsegeln, dahinsiechen, dahinstehen, dahinsterben –,

so fällt auf, daß alle diese regelmäßig auf der zweiten Silbe von „dahin“ betont werden. Das scheint diese Gruppe sehr schön von den adverbialen Konstruktionen mit „dahin = dorthin“ abzugrenzen, die normalerweise auf der ersten Silbe von „dahin“ betont werden, und/oder, je nach Geschmack und Kontext, eventuell auf der Stammsilbe des Verbs bzw. Partizips: dáhin (ge)fahren oder dahin (ge)fáhren oder dáhin (ge)fáhren. Als Kompromiß wählt Duden zwei Betonungen: dáhin fáhren.

So, und nun stellt Duden fest, daß „dáhin géhend“ auf zwei Silben betont wird; jedenfalls wird es auf der ersten Silbe betont – dáhin gehend – und nicht wie dahíndämmern usw. auf der zweiten. Nach dem Muster der Illauerschen Parallelisierung bzw. Unterscheidungsschreibung gehört also dáhin géhend (oder dáhin gehend) in die getrennt zu schreibende Sippe.

Ich zitiere, die Besucher des Forums wissen es, diese Entdeckung von Professor Ickler, um zu zeigen, wohin diese Zuordnungen nach vermeintlich treffsicheren Unterscheidungskriterien führen können. Hier führt die Zuordnung völlig stimmig zur Getrenntschreibung, also war die Duden-Angabe „logisch“ und „sinnvoll“. In Wirklichkeit wird „dahin_gehend“ sowohl getrennt als auch zusammengeschrieben, und zwar (laut vielen tausend Belegen bei google) ungefähr zwanzigmal öfter zusammen als getrennt.

Welcher Zugang ist nun sinnvoll, Herr Illauer, Ihrer oder der von Professor Ickler? Bei einem Zahlenverhältnis von eins zu zwanzig könnte man doch ruhigen Gewissens die seltene Variante ganz streichen, wenn einem an Eindeutigkeit gelegen ist – und das wäre die getrennt geschriebene Variante. Aber gerade diese wäre nach Ihrer Systematik die einzig zulässige! Dieses Beispiel untermauert noch einmal eindrucksvoll, daß allein das Herausgreifen eines plausiblen Kriteriums noch nicht zu realistischen Ergebnissen führt, sondern daß es nur die Erfinder der Regelung befriedigen kann.

Damit bewegt man sich auf genau derselben Ebene wie Michael Jansen, der ausschließlich auf Regelebene arguementiert. Und zwar so unübertrefflich stur, daß er bei jeder Entgegnung wieder Rechtschreibung und Regelwerk gleichsetzt, auch wenn man hundertmal klargestellt hat, daß man unter Rechtschreibung die üblichen Schreibweisen (und deren inhärente Systematik) versteht und nicht irgendwelche staatlichen oder sonstigen präskriptiven Regeln. Das führt natürlich zu Diskussionen von kafkaesker oder Ionesco-artiger Sinnlosigkeit, wobei dies nicht das einzige Übel an Herrn Jansens krankhaften Pseudoargumentationen darstellt.

Deshalb sollten sich diejenigen, die Professor Icklers Bogen-Einträge zugunsten eindeutiger Kriterien beseitigt sehen wollen, noch einmal fragen, was ihre Vorschläge überhaupt mit Deskription, also mit dem Vorhaben von Professor Ickler zu tun haben sollen. So hatte Herr Riebe mit mehr als zäher Ausdauer versucht, die Getrennt-/Zusammenschreibung soweit wie möglich (oder so weit wie möglich) mit Hilfe des Betonungskriteriums zu regeln, was sich als undurchführbar bzw. als Irrweg erwies, zum Beispiel anhand von „zusammen_schreiben“. (Hierher, zur Betonung als Kriterium, gehört auch das obige Beispiel: dahin_gehend). Was soll eine solche willkürliche Selektion der Schreibweisen noch mit Deskription, mit Professor Ickler zu tun haben?

Herr Beck (wenn ich mich nicht täusche) wiederum schlug wiederholt eine grammatische Substantivierungsprobe vor, die bei gerade_biegen zu folgenden Ergebnissen führen würde:

gerade_stehen (momentan stehen), das Geradestehen: geht nicht/geht schlecht, also getrennt: gerade stehen
gerade_stehen (aufrecht stehen), das Geradestehen: geht, also zusammen: geradestehen
für etwas gerade_stehen, das Geradestehen für etwas: geht, also zusammen: für etwas geradestehen

Man sieht, daß man mit dieser Probe zwar auch Kopfzerbrechen bekommt, aber sie scheint immerhin zu einigermaßen plausiblen Ergebnissen zu führen. Die Frage ist aber nicht nur, ob das nicht eine ganz unnötige Erschwernis für alle Schreiber wäre, die sie sich kaum zumuten würden (wozu eigentlich?), sondern auch, ob die Ergebnisse wirklich sinnvoll und realistisch sind. Es würde zum Beispiel zwar nichts schaden, „geradestehen = aufrecht stehen“ immer zusammenzuschreiben, aber was haben wir von dieser Regel, wenn die Schreiber sich nicht danach richten und in diesem Fall, oft ohne jeden Nachteil für den Leser, auch getrennt schreiben können? Wir bekommen also unter anderem viel mehr Fehler, genau wie bei der Reform mit ihrer unglaublich mühsamen Steigerbarkeit/Erweiterbarkeit-Regel.

Die entscheidende Schlußfolgerung ist hier aber: Wenn sich Professor Ickler aus vielen guten Gründen für das deskriptive Prinzip entschieden hat, dann ist er ganz einfach nicht der richtige Adressat für solche Normierungsvorschläge, denn er versteht Norm als das, was üblich ist, auch wenn er im Textfundus mehrere Schreibweisen für denselben Begriff vorfindet. Mit diesem Ergebnis der empirischen Arbeit muß man sich also von vornherein abfinden (wenn man nicht anders kann, als dies als Nachteil zu verstehen), anstatt immer wieder über das Wörterbuch zu urteilen, daß die Vielzahl der als fakultativ festgestellten und deshalb als fakultativ angebotenen Schreibungen nicht hinnehmbar sei.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß eine durchgehende Differenzierung der Varianten nach anderen Gesichtspunkten als nach der Häufigkeit – also im weitesten Sinn nach systematischen Kriterien oder nach subjektiv empfundener „Qualität“, so wie bei „für etwas gerade stehen = unmöglich/häßlich/unsystematisch – im Prinzip zu derselben tausendfältigen Inkonsequenz im Wörterverzeichnis und zu allen Nachteilen führen würde, die wir im Duden von 1991 hatten. (Herr Riebe kennt natürlich nur „wenige“ Probleme.) Als einzige Möglichkeit, die Getrenntschreibung bei unserem Beispiel herunterzustufen, erscheint mir, ich bleibe dabei, eine Kommentierung des diskutierten Falls mit maximal „meist zusammengeschrieben“. Daß dies höchstens psychologisch einen gewissen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Eintrag darstellt, nicht aber inhaltlich, habe ich bereits zu zeigen versucht.



Wolfgang Wrase
München

Mit Klick die Kennkarte von Wolfgang Wrase ansehen    An Wolfgang Wrase schreiben   Suche weitere Einträge von Wolfgang Wrase        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Dieser Faden ist 199 Seiten lang:    1  2  3 · 10 · 20 · 30 · 40 · 50 · 60 · 70 · 80 · 90 · 100 · 110 · 120 · 126  127  128  129   130  131  132 · 140 · 150 · 160 · 170 · 180 · 190 · 196  197  198  199  antworten       Gasteintrag
Jemandem das Gästebuch empfehlen! Druckvoransicht zeigen
Gehe zum Forum: