Französischer „Forschenden“geist
»Liebe Zuhörer!«
begann vor über vierzig Jahren der Komiker Otto Waalkes
»Es herrscht zuviel Aberglaube in der Welt.
Allzuviel, auch heute noch!«
https://youtu.be/wZhiEmzsSiQ
Die Endung „-er“ ist eine neutrale Markierung des Machens – wie in „Kopfhörer“. Eine höfliche Zuwendung an das „schwache“ Geschlecht ist in direkter Ansprache gewiß sinnvoll. Die von Spektrums „Forschendengeist“ beseelte Psychologin Christiane Gelitz wirft das jedoch mit den unökonomischen Doppelnennungen in Sachtexten durcheinander: Liebe Leser! Diese Ansprache ist zweideutig: Sie kann spezifisch nur Männer meinen, oder sie steht generisch für Männer und Frauen... Versuche wie den, mit Gendersternchen Frauen und nonbinäre Personen in der Sprache sichtbarer zu machen, sind im Deutschen umstritten. Ähnlich ist es in Frankreich: Dort gibt es Pünktchen – und ebenfalls viele Menschen, die sich an ihnen stören.
Leute, die einen suboptimalen Status quo bewahren wollen, wird es immer geben. Doch während sich viele in diesem Streit verausgaben, ist das eigentliche Problem weiter ungelöst, wie kürzlich eine deutsche und nun auch eine französische Studie zeigen. Es ist wie bei der Rechtschreib„reform“: Das Bewährte wird von der Propaganda als „suboptimal“ denunziert, und die Veränderung penetrant und trickreich durchgesetzt. Auf diese Weise müßte auch die Mathematik „reformiert“ werden, weil sie nach Gödel nicht widerspruchsfrei sein kann. Jahrzehntausende lang haben sich die Sprachen frei entwickelt, jetzt will eine Gruppe von Feministinnen und Wichtigtuern durch den Einsatz von Sprachtabus die natürliche Ökonomie ausrotten – im Französischen so: Verwendet wurden [bei den Experimenten] drei verschiedene Formen: das generische Maskulinum (musiciens), die männliche und die weibliche Form (musiciens et musiciennes) oder die Variante mit Pünktchen (musicien.ne.s). Danach sollten die Versuchspersonen einschätzen, wie viele der beim beschriebenen Treffen Anwesenden jeweils Männer oder Frauen waren ... Für vage Vermutungen sollen demnach tausendjährig bewährte Entwicklungen der Sprache gewaltsam umgekrempelt werden. Zum Glück gibt es dort noch, anders als im gräulich-grünen Deutschland, ehrwürdige Institutionen, die Widerstand leisten:Die konservative Académie Française, die sich als Sprachwächterin versteht, sieht damit nicht nur die Rechtschreibung, sondern gar die Existenz der französischen Sprache gefährdet. In den Schulen ist die inklusive Schreibweise verboten.
Doch ihr zunehmender Gebrauch hinterlässt seine Spuren auch in den Nachschlagewerken der französischen Sprache: Das französische Duden-Äquivalent »Le Petit Robert« hat bereits das neutrale Personalpronomen »iel« neben »il« (er) und »elle« (sie) aufgenommen. Also auch in Frankreich bescheuert vorauseilende Beflissenheit, dem vermeintlichen Zeitgeist nachzukommen.
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