Wie modern ist Hethitisch?
Auf Wunsch von Frau Menges hier einige besondere Merkmale der hethitischen Sprache
Aus: Johannes Friedrich, Hethitisches Elementarbuch, Erster Teil, Kurzgefaßte Grammatik:
Die älteste schriftlich überlieferte indogermanische Sprache ist der Hauptvertreter der anatolischen Gruppe, das Keilschrift-Hethitische (1600 1200 v. Chr.). [Zu dieser Zeit schrieben die Griechen der mykenischen Kultur (die Achäer, hethitisch "Land Ahhijawa") in Linear-B überall ihre Buchhaltung, aber noch keine Literatur, die Heldenlieder wurden mündlich überliefert.]
[Die Worte in eckigen Klammern sind von mir, H.U.]
143 a) Wie in den anderen indogermanischen Sprachen wird auch im Hethitischen die Bedeutung des einfachen Verbalstammes durch Präverbien modifiziert. Das Hethitische nimmt insofern einen altertümlichen Standpunkt ein, als die Präverbien stets als selbständige Wörter geschrieben werden und kleine Wörtchen (z.B. die Negation, 281) zwischen Präverb und Verbum treten können. [Diese Getrenntschreibung entspricht fast der neuen deutschen.]
143 b) Die wichtigsten Präverbien sind: 'anda (andan)' hinein, 'appa (appan)' zurück, wieder, 'arha' weg, 'katta (kattan)' hinab, hinzu, mit, 'para' vorwärts, heraus, 'piran' vor, 'sara' hinauf, empor, 'ser' oben;
z.B. 'pai-' gehen, 'anda pai-' hineingehen, 'appa pai-' zurückgehen, 'appan pai-' hinterhergehen, 'arha pai-' weggehen, 'para pai-' weitergehen, herausgehen, 'katta(n) pai-' hinabgehen, mitgehen, 'sara pai-' hinaufgehen;
'da-' nehmen, 'appa(n) da-' zurücknehmen, 'arha da-' wegnehmen, 'para da-' herausnehmen, 'katta(n) da-' " herunternehmen, 'sara da-' aufnehmen, einnehmen, erbeuten.
143 c) Ein Verbum kann mehrere Präverbien zugleich bei sich haben: 'appa(n) anda pai-' wieder hineingehen, 'ser arha da-' oben wegnehmen, 'appa sara da-' wieder aufnehmen.
53 a) Abweichend von den anderen altindogermanischen Sprachen hat das Hethitische nur sehr wenig Nominalkomposita.
b) Nicht eigentliche Nominalkomposita sind die Nominalbildungen von Verben mit Präverb.
54 Es gibt nur ein persönliches Geschlecht (gemeinsam für maskulin und feminin) und ein sächliches Geschlecht. [Wie im Dänischen und Schwedischen]
55 Von Haus aus besitzt das Hethitische noch die acht Kasus der idg. Ursprache, nämlich Nominativ, Vokativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ, Lokalis, Ablativ, Instrumentalis.
210 Eine umständliche Art der Genitivbezeichnung ist die mittels Zufügung des Possessivpronomens (des Mannes sein Kopf). Sie ist besonders in den Gesetzen beliebt.
211 Das Hethtische kennt auch die aus der Grammatik der klassischen Sprachen bekannten Arten des Genitivs objektivus, Genitiv partitivus usw. [Der Gen. part. existiert auch im Französischen und in den slawischen Sprachen.]
302 Die Konjunktion 'a', 'ia' und, auch wird an das zweite Nomen bzw. an das erste Wort des zweiten Satzes enklitisch angehängt. [Wie lateinisch '-que']
228 Das Hethitische hat Postpositionen, nicht Präpositionen. Deren Abgrenzung gegen die Adverbia und Präverbia ist z.T. fließend.
93 Eine Steigerung der Adjektiva durch bestimmte Suffixe, wie sie die anderen altindogermanischen Sprachen kennen, fehlt dem Hethtischen. [Ähnlich wie den romanischen Sprachen]
106 Die Sprache des Neuen Reiches gebraucht anstelle unserer Possessivpronomina gewöhnlich die Genitive der Personalpronomina.
147, 258 An nicht zusammengesetzten Tempora existiert nur ein Präsens (das auch für das Futurum mit eintritt) und ein Präteritum. [Ähnlich den germanischen Sprachen]
259 Eine genauere Differenzierung ermöglichen die zusammengesetzten Verbformen:
184 b) Das Perfekt und Plusquamperfekt werden in modern anmutender Weise durch 'har(k)-' haben mit dem erstarrten Nom. Akk. Sing. Neutr. des Partizips umschrieben.
184 a) Das Partizip mit 'es-' sein mit dem Infinitiv dient zur Umschreibung des Passivs bei transitiven Verben, eines Zustandes bei intransitiven Verben.
274 Die Verbindung des Verbums 'es-' sein mit dem Infinitiv im Sinne von das und das ist zu tun.
195 Im Präsens ist es üblich, reine Nominalsätze aus Subjekt und Prädikatsnomen und ohne Verbum substantivum zu bilden: 'attas assus' der Vater (ist) gut. [Wie im Russischen]
205 Das Verbum sein kann einen possessivischen Dativ (-Lokalis) bei sich haben: meinem Bruder ist nichts (wir sagen dafür mein Bruder hat nichts). [Wie in ostslawischen Sprachen]
240 Das gewöhnliche Mittel zum Ausdruck des Reflexivums ist das enklitische '-za (-z)', das wie das slawische Reflexivpronomen für alle Personen gilt.
259 Der Ausdruck beginnen (sich daran machen), etwas zu tun wird durch 'dai-' setzen, legen, stellen mit dem Supinum auf '-uuan' eines meist iterativischen Verbums ausgedrückt.
263 Der Imperativ steht auch in Segenswünschen als Ersatz des fehlenden Optativs.
281 Die gewöhnliche Stellung der Negation ist vor der Verbalform, bei Verbalkomposita zwischen Präverb und Verbalform.
282 In kurzen Sätzen kann die Negation emphatisch am Ende stehen.
In der Frage tritt die Negation an den Anfang des Satzes.
Bei starkem Nachdruck kann die Negation auch verdoppelt werden. [Wie im Bairischen]
Luwisch und Palaisch sind indogermanische und dem Hethitischen verwandte Nachbarsprachen.
383 Das Luwische hat wie das Hethitische kein Femininum, sondern nur ein Genus commune und ein Neutrum.
385 Das Luwische kennt die vier Kasus Nominativ, Akkusativ, Dativ, Ablativ-Instrumentalis.
388 Der luwische Gen. Sing. wird meist durch eine Adjektivbildung umschrieben. [Wie in den slawischen Sprachen]
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