Die Bischofskonferenz reformiert den Papst
Die deutschen katholischen Bischöfe, die die orthographischen Ergüsse der Kultusministerkonferenz eilends wie Verkündigungen des Heiligen Geistes übernommen hatten, haben wieder einen Brief des Papstes in das neue ss-Deutsch umfälschen lassen.
Am Ostermontag, d. 9. April hatte Benedikt noch anläßlich des Angelus auf deutsch gesagt:
Liebe Brüder und Schwestern!
Einen guten Tag euch allen! Der Ostermontag ist in vielen Ländern ein Feiertag, an dem man einen Spaziergang inmitten der Natur unternimmt oder Verwandte besucht, die etwas weiter weg wohnen, um im Kreis der Familie beisammen zu sein. Doch ich möchte, daß im Bewußtsein und Herzen der Christen stets der Grund für diesen Ferientag gegenwärtig bleibt, nämlich die Auferstehung Jesu, das entscheidende Geheimnis unseres Glaubens…
vatican.va 9.4.2012
[Wenige Tage später soll er dann trotz seines Alters auf das Reform-Deutsch umgestiegen sein:]
Pressemeldung
24.04.2012 Nr. 068
Brief von Papst Benedikt XVI. an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz zur Frage der Übersetzung des Kelchwortes
Papst Benedikt XVI. hat mit Datum vom 14. April 2012 einen Brief an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz verfasst. In diesem Brief geht er auf die angemessene Übersetzung des Kelchwortes im Hochgebet der Heiligen Messe ein. Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat diesen Brief auf seiner Sitzung am 23. April 2012 erörtert. Wir dokumentieren den Brief des Heiligen Vaters im Wortlaut.
Exzellenz!
Sehr geehrter, lieber Herr Erzbischof!
Bei Ihrem Besuch am 15. März 2012 haben Sie mich wissen lassen, dass bezüglich der Übersetzung der Worte „pro multis“ in den Kanongebeten der heiligen Messe nach wie vor keine Einigkeit unter den Bischöfen des deutschen Sprachraums besteht. Es droht anscheinend die Gefahr, dass bei der bald zu erwartenden Veröffentlichung der neuen Ausgabe des „Gotteslobs“ einige Teile des deutschen Sprachraums bei der Übersetzung „für alle“ bleiben wollen, auch wenn die Deutsche Bischofskonferenz sich einig wäre, „für viele“ zu schreiben, wie es vom Heiligen Stuhl gewünscht wird…
Da ich die liturgischen Gebete immer wieder in verschiedenen Sprachen beten muss, fällt mir auf, dass zwischen den verschiedenen Übersetzungen manchmal kaum eine Gemeinsamkeit zu finden ist und dass der zugrundeliegende gemeinsame Text oft nur noch von Weitem erkennbar bleibt. Dabei sind dann Banalisierungen unterlaufen, die wirkliche Verluste bedeuten…
Wie der Herr die anderen – „alle“ – auf seine Weise erreicht, bleibt letztlich sein Geheimnis. Aber ohne Zweifel ist es eine Verantwortung, von ihm direkt an seinen Tisch gerufen zu sein, so dass ich hören darf: Für euch, für mich hat er gelitten. Die vielen tragen Verantwortung für alle. Die Gemeinschaft der vielen muss Licht auf dem Leuchter, Stadt auf dem Berg, Sauerteig für alle sein. Dies ist eine Berufung, die jeden einzelnen ganz persönlich trifft. Die vielen, die wir sind, müssen in der Verantwortung für das Ganze im Bewusstsein ihrer Sendung stehen. Schließlich mag ein dritter Aspekt dazukommen. In der heutigen Gesellschaft haben wir das Gefühl, keineswegs “viele“ zu sein, sondern ganz wenige – ein kleiner Haufen, der immer weiter abnimmt...
Ich darf hoffen, dass die Katechese bald vorgelegt und so Teil der gottesdienstlichen Erneuerung wird, um die sich das Konzil von seiner ersten Sitzungsperiode an gemüht hat.
Mit österlichen Segensgrüßen verbleibe ich im Herrn Ihr
Benedictus PP XVI.
dbk 24.4.2012
[Die Umwandlung „der vielen“ in die reformierten „Vielen“, die hier sogar noch einsehbar wäre, hat man sich nicht getraut, und ebenso auch nicht „jeden Einzelnen“. Die Reformiertheit mußte daher mit „von Weitem” gezeigt werden, die Benedikt kaum zuzutrauen ist.]
[Einen Tag später, am Sonntag, 15. April 201, hat der Heilige Vater seine seit 80 Jahren gewohnte Rechtschreibung wiederaufgenommen:]
Liebe Brüder und Schwestern!
Jedes Jahr erleben wir bei der Feier des Osterfestes von neuem die Erfahrung der ersten Jünger Jesu, die Erfahrung der Begegnung mit ihm, dem Auferstandenen: das Johannesevangelium berichtet, daß sie sahen, wie er im Abendmahlssaal in ihrer Mitte erschien, am Abend des Tages der Auferstehung, »des ersten Tages der Woche«, und dann »acht Tage darauf« (vgl. Joh 20,19.26)…
vatican.va 15.4.2012
Nachtrag 9.5.12: Inzwischen ist auch das originale Schreiben Benedikts zugänglich: vatican.va 14.4.2012
Wie vermutet, geht neben der ss-Fälschung auch die orthographische Albernheit „von Weitem“ auf den Anpassungseifer der Bischofskonferenz zurück. Nebenbei wurde auch die seit den Reform-Duden „veraltende“ päpstliche Wortwahl „Haufe“ gegen den ordinären „Haufen“ ausgetauscht.
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